Duisburg/Mönchengladbach/Oberhausen. Mit einem Kronzeugen kann die Polizei den Mord an Hells Angel Kai M. (32) klären. Die Anklageschrift zeichnet das Protokoll einer grausamen Tat.
Hätte er sein Gewissen nicht erleichtert, hätten Polizei und Staatsanwaltschaft den Mord an dem damals 32-jährigen Hells Angel Kai M. wohl nie aufklären können. Vor drei Jahren aber meldete sich der heute 42-jährige Mönchengladbacher I. erstmals bei den Ermittlungsbehörden. „Von sich aus, eigeninitiativ hat er sich an uns gewandt“, sagt die heute zuständige Duisburger Staatsanwältin Jill McCuller. Mit der Hilfe des Kronzeugen gelang es, den so spektakulären wie grausamen Fall nach Jahren zu rekonstruieren. Mehrere Rocker der Hells Angels dürften deshalb bald vor dem Duisburger Landgericht stehen. Bei einem von ihnen geht es um den Vorwurf des Mordes, bei vieren um Strafvereitelung, auch dafür kann es eine Höchststrafe von bis zu fünf Jahren geben.
Die Tatwaffe fliegt von der A 52-Brücke in Düsseldorf in den Rhein
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft zeichnet das Protokoll der Tat nach: Am späten Abend des 9. Januar fahren mehrere Rocker mit dem späteren Opfer zu einer Werkshalle in Mönchengladbach, darunter auch der heutige Kronzeuge. Unter einem Vorwand wird Kai M. in einen Anhänger und damit in einen Hinterhalt gelockt. Der Kronzeuge und die übrigen Männer verschwinden. Dafür kehren der heute flüchtige Rädelsführer Ramin Yektaparast und seine „rechte Hand“ F. zurück, der - allerdings wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz - in Wuppertal in Untersuchungshaft sitzt und zu den jetzt Angeklagten gehört. Von ihm kommt die Waffe, eine Maschinenpistole mit Schalldämpfer, laut Anklage vermutlich eine Uzi. Yektaparast drückt ab und schießt M., den die Rocker verdächtigen, ein Verräter zu sein, von hinten mindestens einmal in den Kopf. Die beiden Täter fahren zu I. in die Wohnung und reinigen sich und ihre Kleidung. Der Kronzeuge und ein Kompagnon fahren noch mal zum Tatort, holen die Tatwaffe und werfen sie von der Brücke der A 52 in Düsseldorf in den Rhein.
In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages geht es in einer Kolonne mit dem Hänger und der Leiche darin nach Duisburg. Am Nachmittag erklärt sich im dortigen Vereinsheim der Hells Angels der seit seiner Festnahme bei der Großrazzia im September des vergangenen Jahres in U-Haft sitzende und heute 42-jährige Mönchengladbacher N. bereit, den Leichnam zu zerteilen. Das Werkzeug dafür besorgt sich die Bande im Baumarkt.
Ein Tatort soll auch eine Werkstatt in Bochum gewesen sein
Der Leichnam soll in der Nacht vom 10. auf den 11. Januar 2014 einer Werkstatt in Bochum zerteilt worden sein. Wo genau, wissen die Ermittlungsbehörden bis heute nicht.
Die Leichenteile kommen in einen Müllsack und Speisfässer, auf die die Rocker Mörtel gießen. Die Behälter werfen sie am Abend des 11. Januar auf der A 44-Brücke in Düsseldorf in den Rhein und an der Essen-Steeler-Straße in Duisburg in den Rhein-Herne-Kanal. Dort wird die Polizei Jahre später auch den Schädel des Getöteten finden. Das Werkzeug und ein Laken, in das der Leichnam gewickelt war, fliegen von der A 42-Brücke in Duisburg in den Rhein. Der Hänger, der zum Transport diente, wird danach in einer Autowerkstatt in Mönchengladbach zerlegt.
Kronzeuge sitzt wegen Drogendelikten mehrjährige Haftstrafe ab
Kronzeuge I. sei von Anfang bis zum Ende dabei gewesen, so fasst ein Sprecher des Duisburger Landgerichts die Anklage zusammen. Ausnahme: der eigentliche Mord selbst. Durch seine Aussagen habe sich der Mann auch „erheblich selbst belastet“, sagt Staatsanwältin McCuller, weil er half, Tatwaffe und Leiche verschwinden zu lassen. Für seine Angaben sei ihm im Vorfeld keine Straffreiheit oder -erleichterung zugesichert worden, betont die Ermittlerin. Allerdings seien die Ermittlungen ebenfalls wegen Strafvereitelung gegen den Mönchengladbacher inzwischen eingestellt worden. Hintergrund: Selbst bei einer Verurteilung wäre dies nicht sonderlich weiter ins Gewicht gefallen. I. sitzt derzeit ohnehin schon in einem Gefängnis eine mehrjährige Haftstrafe wegen Drogendelikten ab. Der Mann sei früher wohl kein aktives Mitglied der Hells Angels gewesen, sondern in die Rocker-Szene eher hereingerutscht, sagt die Staatsanwältin.
Ihre Akribie bei der Beseitigung des Toten hat den Rockern nichts genutzt. Bereits im Februar 2014 war erst ein Arm des Opfers im Rhein und dann im April der Torso im Rheinpreußenhafen in Homberg entdeckt wurden. Jahrelange Ermittlungen folgten. Im Mai 2020 holten Polizeitaucher die Speisfässer mit weiteren Leichenteilen aus dem Rhein-Herne-Kanal an der Stadtgrenze zwischen Duisburg und Oberhausen. Der Kronzeuge hatte inzwischen ausgepackt. Der mutmaßliche Haupttäter Ramin Yektaparast ist bis heute flüchtig. Vermutet wird, dass er sich im Iran aufhält.