Duisburg/Oberhausen/Mülheim/Mönchengladbach. Die Ermittlungen im Mordfall Kai M. könnten noch im Februar abgeschlossen werden. Zwei Rocker der Hells Angels sind wieder auf freiem Fuß.

Im Mordfall Kai M. und im Fall einer weiteren Gewalttat im Rocker-Milieu gehen die Ermittlungen auf die Zielgerade. In den vergangenen Tagen liefen noch letzte Vernehmungen des entscheidenden Kronzeugen, sagte die zuständige Duisburger Staatsanwältin Jill McCuller auf Anfrage dieser Redaktion. Wegen Corona habe es dabei einige Verzögerungen gegeben. Im Februar aber könnte die Polizei ihre Arbeit wohl abgeschlossen haben. Der nächste Schritt wäre die Erhebung einer Anklage.

Es geht um vollendeten Mord in einem Fall und versuchten Mord in zwei Fällen: Die Tötung des damals 32-jährigen Duisburgers Kai M. vermutlich in der Nacht zum 10. Januar 2014, der im Rotlichtviertel an der Flaßhofstrafe in Oberhausen aktiv war, und die Attacke im November 2013 auf ein früheres führendes Mitglied der Oberhausener Bandidos und dessen Freundin in einem Auto an der Ecke Roon- und Bebelstraße im Stadtteil Alstaden, die beide verletzt überlebten.

Haftbefehle gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt

Zwei der Verdächtigen sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Die Haftbefehle gegen einen 43- und einen 45-Jährigen, die Ende November in ihren Wohnungen in Mönchengladbach mit Unterstützung von Spezialeinsatzkräften festgenommen worden waren, seien unter Auflagen außer Vollzug gesetzt worden, sagt McCuller. Die beiden Männer, die die Polizei ebenfalls den Hells Angels zurechnet, sollen mitgeholfen haben, den erschossenen Kai M. zu zerstückeln und Leiche und Tatwaffe verschwinden zu lassen. Der Tatvorwurf bei ihnen lautet auf Strafvereitelung in Zusammenhang mit einem Mord.

Nichts Neues können die Ermittlungsbehörden von zwei Hauptverdächtigen berichten. Der mutmaßliche Rädelsführer in beiden Fällen Ramin Yektaparast, zum Tatzeitpunkt Vize-Präsident des Hells Angels-Charters in Oberhausen und später dann Boss der Rocker in Mönchengladbach, ist ebenso weiter flüchtig wie der eigentlich in Mülheim lebende Mustafa Hendem, der auf den Bandido und dessen Freundin geschossen haben soll. Die beiden Männer werden mit internationalen Haftbefehlen gesucht. Kurioserweise allerdings nicht in den Ländern, in denen sie vermutet werden. Das hat juristische Gründe: Die Türkei, wo Hendem sein soll, liefert eigene Staatsbürger grundsätzlich nicht aus – ein Haftbefehl hätte also keine Aussicht auf Erfolg. Im Iran, wo sich Yektaparast aufhalten könne, würde dem Rocker bei einer Verhaftung Folter oder Schlimmeres drohen. In anderen Ländern – natürlich auch in Deutschland – drohte ihnen allerdings die sofortige Festnahme. „Sie sind nur dort sicher, wo sie jetzt sind“, sagt Staatsanwältin McCuller.

Ermittlungen richten sich gegen acht Verdächtige

Polizei und Staatsanwaltschaft haben insgesamt acht Männer im Visier, die in wechselnder Zusammensetzung an den beiden Verbrechen beteiligt gewesen sein sollen. Zwei davon sitzen bereits wegen anderer Straftaten im Gefängnis. Zwei weitere, ein Mönchengladbacher, der an der Beseitigung des Leichnams beteiligt gewesen sein soll, und ein in Duisburg festgenommener Mülheimer, der bei der Attacke auf den Bandidos dabei gewesen sein soll. Angaben zu den Tatvorwürfen mache keiner der Verdächtigen, sagt McCuller: „Das sind Rocker durch und durch. Da wird keiner was sagen.“ Die Gruppierung in Mönchengladbach soll durch die Ermittlungen und ihre Folgen wohl nicht zerschlagen, aber zumindest „erheblich geschwächt“ worden sein.

Anfang September des vergangenen Jahres: Die Polizei geht mit einer Großrazzia und Spezialeinsatzkräften gegen Mitglieder der Hells Angels vor.
Anfang September des vergangenen Jahres: Die Polizei geht mit einer Großrazzia und Spezialeinsatzkräften gegen Mitglieder der Hells Angels vor. © dpa (Archiv) | Christoph Reichwein

Die Polizei war im September des vergangenen Jahres mit einer Groß-Razzia mit rund 900 Beamten und Spezialeinsatzkräften gegen die Rocker vorgegangen. In der Duisburger Behörde wurde dafür eine Besondere Aufbauorganisation (BAO) eingerichtet. Sie trug intern das Codewort „Prunus“ - benannt nach einer Zierpflanze, die Kai M. als Tattoo auf seinem Arm trug. Die BAO existiere zwar noch, heißt es bei der Polizei, sie sei aber personell deutlich heruntergefahren. Bald dürfte das Landgericht die nächste Instanz sein.