Duisburg. Ukrainische Geflüchtete sollen möglichst schnell in Wohnungen vermittelt werden. Warum die Stadt Duisburg dafür zur Beschlagnahmung greift.

Rund 400 Geflüchtete aus der Ukraine konnte die Stadt Duisburg bisher in Wohnungen unterbringen. Dass sie dafür zum Mittel der Beschlagnahmung greift, lässt Andrea Schlothmann und Kornelia Hohlweger fassungslos zurück.

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Die beiden Frauen sind Nachbarinnen und haben jeweils eine Dachgeschosswohnung in Rheinhausen. Als die ersten Berichte über den Krieg in der Ukraine in ihre Wohnzimmer drangen, beschlossen sie, zu helfen. Die Schlothmanns quartierten das Arbeitszimmer in den Keller und kauften Möbel, Hohlweger nahm ihre Räume aus einem Buchungsportal für Ferienwohnungen heraus.

Zur Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge eine Vermieterbescheinigung zur Beschlagnahmung

Nach der Besichtigung durch städtische Mitarbeiter wurde ihnen eine „Vermieterbescheinigung zur Beschlagnahmung“ vorgelegt. Zwei schnöde Seiten, auf denen man Angaben zur Lage, zur Wohnung, zu Heizungsart und Gäste-WC ankreuzen konnte. Aber kein Behörden-Stempel, keine Unterschrift.

„Auf unsere Frage, ob wir nicht ganz normale Mietverträge haben können, wurde uns nur gesagt, dass das immer so gemacht würde“, berichtet Schlothmann. Befragte Anwälte hätten ihr abgeraten, das Formular zu unterschreiben. Die Telefonate, die dann folgten, beschreiben beide als irritierend. „Wir hatten das Gefühl, dass jeder in der Taskforce Wohnraum was anderes sagt.“

Andrea Schlothmann (rechts) und Kornelia Hohlweger wollten ihre Wohnungen für Geflüchtete aus der Ukraine zur Verfügung stellen. Die Stadt Duisburg bot ihnen eine Beschlagnahmung an.
Andrea Schlothmann (rechts) und Kornelia Hohlweger wollten ihre Wohnungen für Geflüchtete aus der Ukraine zur Verfügung stellen. Die Stadt Duisburg bot ihnen eine Beschlagnahmung an. © FUNKE Foto Services | Annette Kalscheur

Duisburgs Stadtsprecher: Für Außenstehende klingt der Begriff befremdlich

Stadtsprecher Maximilian Böttner zeigt Verständnis, das der Begriff Beschlagnahme für Außenstehende befremdlich klingt und im normalen Mietgeschäft eher von Mietverträgen gesprochen wird. Bislang hätten daraufhin nur zwei Eigentümer ihre privaten Mietangebote zurückgezogen - vermutlich die beiden Rheinhauserinnen.

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Böttner sagt, es handele sich um einen Verwaltungsakt, der geflüchtete Menschen mit Wohnungen versorgen soll. Wohnraum aus der Wohnungswirtschaft, der zuletzt überwiegend zum Zuge kam, werde zu den gleichen Bedingungen beschlagnahmt. Der Stadtsprecher betont, dass Beschlagnahmungen „stets im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Eigentümer“ vollzogen würden. Der Vorteil sei, „dass die Stadt Duisburg für mutwillig entstandene Schäden haftet und mit Beginn für die gesamte Dauer mit einer Mietgarantie eintritt“. Eine Kaution werde nicht fällig.

Feste Ansprechpartner und die Möglichkeit der Nachbelegung

Ein weiterer Vorteil sei, dass es feste Ansprechpartner gebe, die für die Kommunikation mit den untergebrachten Personen zuständig seien. Der Außendienst des Amtes für Soziales und Wohnen begleite und betreue sie.

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Gleichzeitig bestehe die Möglichkeit, die Beschlagnahme zum Monatsende aufzuheben. Im Falle von Fluktuationen könne man zeitnah durch Nachbelegung reagieren und somit für den Eigentümer bzw. Vermieter Ausfallzeiten verringern, so Böttner weiter.

Oft verunsichere nicht das Wort „Beschlagnahme“ selbst die Eigentümer, sondern eher die fehlende Möglichkeit zur Mitsprache bei der Auswahl der potenziellen Mieterinnen und Mieter.

Das ist für Schlothmann und Hohlweger durchaus ein Thema. Ihre Hilfsbereitschaft beruht explizit auf den Gräueltaten in der Ukraine. Darüber hinaus würden sie gern selbst bestimmen, wer unter ihrem Dach wohnt. „Wir wollen keinen sozialen Brennpunkt hier“, betont Hohlweger.

Zwei ukrainische Familien wohnen jetzt in Rheinhausen

In den Dachgeschosswohnungen in Rheinhausen leben inzwischen über eine private Vermittlung acht Menschen aus der Ukraine. Zur großen Freude von Tochter Victoria ist ein etwa gleichaltriges Mädchen dabei. Endlich jemand zum Playmobil spielen im Haus. Noch wohnen sie mietfrei, aber das hatten die Vermieter durchaus einkalkuliert, „wir wollen ja helfen“. Sobald das Anmeldeprozedere durch sei, werde voraussichtlich das Sozialamt übernehmen.

Überrascht waren die beiden Frauen dann noch von der Post der Wirtschaftsbetriebe. Diese hätten verlangt, dass für das Mehrfamilienhaus nun eine weitere Tonne gekauft wird, für 700 Euro im Jahr. „Das muss dann ja auch wieder die Stadt bezahlen“, sagt Hohlweger, die es besser gefunden hätte, wenn einfach unbürokratisch eine weitere Tonne dazu gestellt worden wäre. Einfacher sei es da mit dem Hund aus der Ukraine gelaufen, erzählt Schlothmann. „Den hat unsere Hundeversicherung kostenlos mit aufgenommen.“

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KEIN BEDARF AN PRIVATEM WOHNRAUM FÜR GEFLÜCHTETE

  • Laut Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in NRW sind Kosten der Unterkunft nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erstattungsfähig.
  • Weiter heißt es: „Aufgrund der hohen Kosten bei privater Wohnraumanmietung sollten neu ankommende ukrainische Vertriebene zunächst in kommunalen Wohnungen im Rahmen der Kapazitäten untergebracht werden.“
  • Die Stadt Duisburg benötigt aktuell „keine weiteren neuen Angebote für Wohnraum“.
  • Wer eine schutzbedürftige Person aus der Ukraine aufgenommen hat, kann sich über diese E-Mail-Adresse an die Stadt wenden: abh@stadt-duisburg.de