Duisburg. In internationalen Vorbereitungsklassen lernen Kinder in Duisburg Deutsch. Wie das funktioniert und wie Schüler aus der Ukraine da hineinpassen.
Ob sie aus dem Kongo oder aus Syrien kommen, aus Italien oder den Philippinen: Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter müssen auch in Duisburg in die Schule gehen. Dafür stehen ihnen Internationale Vorbereitungsklassen zur Verfügung und zur Überbrückung auch Willkommenskurse.
Der Mangel ist allerdings seit Jahren groß: „Rund 500 Schülerinnen und Schüler befinden sich aktuell im Prozess“, sagt Stadtsprecher Jörn Esser. Mit anderen Worten: Sie haben keinen Schulplatz. „Um die 85 von ihnen stehen aktuell kurz vor der Zuweisung“, so Esser. Die Zahlen können sich in Duisburg täglich ändern, weil die Zuwanderung dynamisch ist und etwa Menschen aus Süd-Ost-Europa häufiger den Ort wechseln. Insbesondere durch die ukrainischen Flüchtlinge nimmt das Thema neues Tempo auf.
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Willkommenskultur in Duisburg: Eine zusätzliche Klasse für geflüchtete Kinder
Die Gesamtschule Globus, die seit rund zehn Jahren Seiteneinsteiger beschult, würde eine zusätzliche Klasse aufmachen - „auch wenn das viele Stunden Neuorganisation bedeuten wird“, sagt Fabian Theiß, an dessen Schule wie überall in Duisburg die Personaldecke nicht eben dick ist. Aber so stellt er sich eine lebendige Willkommenskultur vor, so will er auf die gesellschaftlichen Entwicklungen reagieren. „Das ist der gelebte Globus-Gedanke.“
Schnelligkeit sei gefragt: „Es tut einem Kind nicht gut, ein halbes Jahr oder länger nur am Handy zu hängen“, sagt Astrid Schmitz, die die Abteilung „Deutsch als Zweitsprache“ leitet. Die Globus-Gesamtschule hat dafür einen dritten Standort an der Wrangelstraße in Kaßlerfeld. Hier lernen Kinder von nahezu allen Kontinenten Deutsch und versuchen zugleich, ihren Hauptschulabschluss zu machen, den Sprung in die Oberstufe oder auf ein Berufskolleg zu schaffen.
Abschlussorientiert: Deutsch wird im Fachunterricht beigebracht
Dafür wird hier der komplette Fächerkanon unterrichtet, betont Schulleiter Fabian Theiß, nicht nur Deutsch. Allerdings liegt der Fokus am Anfang natürlich darauf, im Fachunterricht auch sprechfähig zu werden.
Astrid Schmitz erklärt, dass die Klassen nach dem Drehtürmodell funktionieren. Ist ein Schüler fit genug, wechselt er von den absoluten Anfängern Schritt für Schritt zu den Fortgeschrittenen. Zurücksetzungen sind möglich, aber auch der Sprung in eine Regelklasse.
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In der Einsteigerklasse sitzt eine neue Schülerin, die Zahl der kopierten Arbeitsblätter passt nicht ganz. In Biologie geht es um Wassertemperaturen. Anschaulich zeigen Bilder einen See im Sommer, einen im Winter, die Tiefe des Sees und die Temperaturen. „Grad Celsius“ steht an der Tafel, das schwierige Wort rollt nicht jedem sofort über die Lippen. Durch die Masken sind manche nur ganz leise zu hören.
Der Wecker schellt, Fenster werden zum Lüften aufgerissen, die dicken Jacken haben die Jugendlichen gar nicht erst ausgezogen. In ganzen Sätzen sollen sie die Fragen ihres Lehrers beantworten. Er korrigiert zugleich die naturwissenschaftlichen Fakten und den Satzbau, lobt und motiviert.
Anfangs wird mit Händen und Füßen „gesprochen“
Wie kommuniziert man nun mit Kindern, die kaum ein Wort Deutsch sprechen? „Mit Händen und Füßen, durch Vormachen und Zeigen“, erklärt Lehrerin Mona Latos. Das gehe recht gut, zur Not gebe es aber eine lange Liste mit Dolmetschern für alle denkbaren Sprachen. Und natürlich helfen sich die Schülerinnen und Schüler auch untereinander, betont Latos.
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Auf den ersten Blick sehen sie aus wie andere Pubertierende auch, latent gelangweilt, ein bisschen cool. Manche von ihnen haben wegen des Kriegs im eigenen Land seit Jahren keine Schule besuchen können. Einige müssen erst alphabetisiert werden, andere stammen aus Akademiker-Familien und bringen viel Wissen mit. Der Vater eines Kindes wurde von Heckenschützen erschossen, andere haben im Heimatland hart gearbeitet, um die Familie mit zu ernähren. Bis Astrid Schmitz solche Leidens- und Lebenswege erfährt, braucht es viel Vertrauen.
„Wir schaffen Normalität, das ist gute Traumaarbeit“
Wie geht man mit der Geschichte dieser Kinder um? Mit den Belastungen und Traumata, die manche mitbringen? „Ich zwinge niemanden aus der Reserve“, betont Astrid Schmitz. Es gebe einen engen Austausch mit dem schulpsychologischen Dienst. Aber das Beste sei ohnehin „ein geschützter Raum und das Gefühl, willkommen zu sein, außerdem Regelmäßigkeit, Tagesstruktur, Zeit mit Gleichaltrigen“. „Wir schaffen Normalität, das ist gute Traumaarbeit“, ergänzt Theiß.
Im Unterricht begegnen den Lehrern viele Fragen, aber auch Gerüchte und Fake News. Da es die Kinder beschäftigt, greifen die Lehrer Themen wie den Ukraine-Krieg auf. „Aber man kann nur angemessen handeln, wenn man sich auskennt“, sagt Latos. Die Religionslehrerin tut viel dafür, aber zur Not bekennt sie lieber eine Wissenslücke und liefert die Infos später nach.
Das ist für manche Kinder ebenso ungewohnt wie die deutsche Demokratie. „Ein großes Thema, sie lieben das“, sagt Latos. Viele kommen aus totalitären Ländern, in denen keine freie Meinungsäußerung möglich ist, ergänzt Schmitz. „Dass man öffentlich unterschiedlicher Meinung sein kann, wollen sie kennenlernen.“