Duisburg. Bei den Duisburger Akzenten war die Schweizer Clownin Gardi Hutter zu Gast. Warum ihr Stück „Gaia Gaudi“ wild und böse und doch liebevoll ist.

Der Tod und der Kampf der Generationen zählen zu den großen Themen der Weltliteratur. Die Schweizer Komödiantin und Clownin Gardi Hutter hat daraus mit „Gaia Gaudi“ ein Stück gemacht, das wild, böse, anarchisch, melancholisch und liebevoll zugleich ist. Zusammen mit ihrer Compagnie führte sie die hinreißend komische Produktion im Rahmen der Duisburger Akzente in der Kulturkirche Liebfrauen auf.

Strubbelperücke, rote Nase und unter Kleid und Schürze zur Kugelfigur ausgestopft – das ist Hannah. Gardi Hutter hat diese Figur als ihr Bühnen-Alter-Ego vor rund vier Jahrzehnten entwickelt. „Gaia Gaudi“ ist das neunte Stück, in dem Hannah im Mittelpunkt steht.

Mit Neda Cainero (Tanz und Choreographie), Juri Cainero (Perkussion) und Beatriz Navarro (Gesang) hat Hutter ein Ensemble zusammengestellt, in dem zwar jede Künstlerpersönlichkeit ihren eigenen Schwerpunkt einbringt, aber alle präzise und wunderbar miteinander spielen, singen und tanzen. Mit Michael Vogel von der Familie Flöz als Regisseur stand ihnen ein Spezialist für das Figurentheater bei der Entwicklung der Produktion zur Seite.

„Gaia Gaudi“: Die Protagonistin ist tot – ohne es zu merken

Zu Beginn des Stücks ist Hannah tot, aber sie merkt es nicht. Sie liegt hinten auf der Bühne, neben ihr ein Ebenbild. Hannah beginnt grimassierend und überdreht mit dieser Puppe zu spielen oder versucht, ihr Leben einzuhauchen. Begreifen, Entsetzen und Furcht schimmern bei dieser hyperaktiven Figur erst allmählich durch. Plötzlich beginnt sich die scheinbare Puppe zu bewegen, das Spiel beginnt.

Gemischtes Doppel: Welche von den beiden Hannahs ist tot, welche ist lebendig? Sind beide beides? Gardi Hutter verwirrte das Publikum in der Duisburger Liebfrauenkirche mit wildem Spiel.
Gemischtes Doppel: Welche von den beiden Hannahs ist tot, welche ist lebendig? Sind beide beides? Gardi Hutter verwirrte das Publikum in der Duisburger Liebfrauenkirche mit wildem Spiel. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Gaia Gaudi“ ist ein Abend der Überraschungen, an dem wenig so passiert, wie man es auf den ersten Blick erwartet. Da beginnen Steine zu tanzen, Gesang zwischen Oberton und Kehlkopftechniken scheint aus dem Nichts von der Bühne zu schweben. Und als Hannah hinter Feuer und Rauch eine runde, starre Steinzeit-Figur entdeckt, entpuppt sich auch diese Ur-Mutter als Mitspielerin.

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Plötzlich stampfen alle im Rhythmus des Queens-Hits „We will rock you“ mit den Füßen und animieren das Publikum dezent, aber bestimmt zum Mitmachen.

Auch Sternenstaub ist bloß Dreck

Neben dem perfekten Timing und der Klasse der Akteure sind es diese unerwarteten Stimmungsumschwünge, die diesen Abend so fesselnd machen. Das geht bis in Kleinigkeiten. Hannah bläst „Sternenstaub“ aus der Hand in die Luft und man erwartet eine romantische Szene. Doch es folgt nur ein krächzendes Husten. Auch Sternenstaub ist zunächst mal Dreck. Und wenn man überhaupt nicht mehr damit rechnet, folgt doch die romantische Szene mit schwebenden Monden und sphärischem Gesang.

Hutters Stück ist auch ein Spiel um die Abfolge der Generationen. Gleichgültigkeit und Hinwendung, Selbstbehauptung und Miteinander werden zwischen den Polen Geburt und Tod ausgespielt. Man ahnt, dass „Gaia Gaudi“ ein sehr persönliches Stück ist und sicher keine leichte Geburt war. Nicht zuletzt, weil es sich bei ihrer Compagnie um Tochter, Sohn und Schwiegertochter handelt.

Rebellion gegen den Tod

Am Ende kehrt so etwas wie Frieden ein. Hannahs Kinder scheinen ihren Weg ins Leben gefunden zu haben, Hannah selbst ist zum gerahmten Bild erstarrt. Doch nur kurz, dann beginnt auch dieses Bild wieder zu grimassieren und gestikulieren. Die Rebellion gegen den Tod geht weiter.

Es braucht einen Moment, bis sich die Emotionen im Publikum in stürmischen Beifall und stehenden Ovationen lösen.

>> GARDI HUTTER IST EIN WEIBLICHER CLOWN OHNE VORBILDER

  • Gardi Hutter wurde 1953, im schweizerischen Altstätten geboren. Sie absolvierte eine klassische Ausbildung zur Schauspielerin und Theaterpädagogin. Danach ging sie für drei Jahre bei renommierten Clowns in die Lehre.
  • Neben ihrer pädagogischen Arbeit und ihren Auftritten entwickelte sie die Figur der Hannah, mit der sie seither weltweit die Tiefen und Untiefen des Lebens auslotet. Hutter ist zweifellos eine Pionierin weiblicher Komik.
  • Weibliche Clowns als Vorbilder gab es für sie noch nicht. „30 Jahre früher hätten sie mich in eine Klinik gesteckt“, kommentierte sie in einem Interview die Situation zu Beginn ihrer Karriere.