Duisburg. Der Duisburger Hafen ist über gemeinsame Unternehmen mit Belarus im Geschäft. Das Land NRW und die Stadt prüfen den Ausstieg – seit Monaten.
Der Angriffskrieg gegen die Ukraine zwingt sogar profitorientierte Konzerne zum Umdenken. So haben etwa die Ölriesen Shell, BP und Exxon angekündigt, Russland und den staatlich kontrollierten Geschäftspartnern dort den Rücken zu kehren. Trotz herber Verluste. Auch die Duisburger Hafen AG muss sich – noch dringlicher als ohnehin – die Gewissensfrage stellen, mit wem sie Geschäfte machen will: Denn Duisport ist über ein Megaprojekt an der „Neuen Seidenstraße“ seit Jahren mit der Regierung und der Staatsbahn im Land des Diktators Alexander Lukaschenko verbunden. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass Putins Verbündeter sogar aktiv in den Ukraine-Krieg eingreift. Das bringt die Eigentümer des Hafens, der zu zwei Dritteln dem Land Nordrhein-Westfalen und zu einem Drittel der Stadt Duisburg gehört, zusätzlich in Erklärungsnot.
Und doch hat Hafensprecher Andreas Bartel zu Fragen nach den Hafen-Geschäften im Industriepark „Great Stone“ bei Minsk bis Mittwochabend nichts Neues mitzuteilen: „Der Duisburger Hafen prüft als Teil eines internationalen Konsortiums schon seit einiger Zeit intensiv die Handlungsoptionen in Belarus.“
Hafen Duisburg: Gemeinsame Sache mit staatlichen Firmen aus China und Belarus
Was das Investment und einen Ausstieg nach der vielzitierten „Zeitenwende“ noch brisanter und komplexer macht: Duisport hatte für Anschluss und Einfluss als Minderheitsgesellschafter nicht nur mit einem staatlich kontrollierten Unternehmen aus Belarus gemeinsame Sache gemacht, sondern auch mit chinesischen Investoren.
Wie eine Beschwichtigung liest sich eine Zusatzinformation, auf die Hafensprecher Bartel verweist: „Es findet seit geraumer Zeit aber auch keine Weiterentwicklung des Terminal-Projekts statt.“
Der moralische Konflikt beschäftigt die Gesellschafter gleichwohl nicht erst, seit Lukaschenko Flüchtlinge aus dem Nahen Osten einfliegen ließ, um diese zur EU-Grenze zu schicken. Bereits im August 2021 hatten Land und Stadt der Tagesschau-Redaktion geantwortet: „Der Aufsichtsratsvorsitzende hat im Juni veranlasst zu prüfen, ob und falls ja, wie ein Ausstieg aus den laufenden Verträgen zur Beteiligung am Logistikpark Great Stone in Weißrussland vollzogen werden kann. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.“
Ist sie auch ein halbes Jahr später und sechs Tage nach dem Überfall auf die Ukraine noch nicht. Was die Frage aufwirft, wie ernsthaft die Hafen-Juristen prüfen. Anlass für die Analyse dürften wohl letztlich die gewaltsame Niederschlagung der Massenproteste gegen die gefälschten Wahlen ab dem Sommer 2020 und die internationale Empörung nach der erzwungenen Landung eines Ryanair-Passagierflugzeugs zur Entführung eines Oppositionellen im Mai 2021 gewesen sein.
Anteile gekauft, Masterplan geliefert
Der Prüfauftrag fällt zeitlich auch mit dem Abschied des Mannes zusammen, der nach seiner Impfaffäre und einer internen Untersuchung nach über zwei erfolgreichen Jahrzehnten an der Hafen-Spitze vorzeitig hatte gehen müssen: Erich Staake war es, der das internationale Netzwerk des Hafens ausgebaut und den Einstieg in Belarus vorangetrieben hatte – frei nach der lange populären Devise: Wandel durch Handel.
Den Industriepark „Great Stone“ gründeten die Volksrepublik China und die Republik Belarus im Rahmen eines zwischenstaatlichen Abkommens. Den Ausbau finanzieren die Diktaturen mit Staatsgeld. Nachdem 2014 sogar der chinesische Präsident Xi Jinping Duisburg als westlichen Endpunkt der „Neuen Seidenstraße“ besucht hatte, kaufte sich die Hafen AG nach eigenen Angaben 2018 „mit einer Minderheitsbeteiligung“ an der Entwicklungsgesellschaft des Industrie- und Logistikparks ein. Dazu übernahmen die Deutschen Anteile von der Stadt Minsk und der belarussischen Horizont-Gruppe – nach Unternehmensangaben weniger als ein Prozent. Zur Einordnung: Die Gesamtinvestitionen in den Park werden auf eine Viertelmilliarde Euro geschätzt.
Hafen: „Zum Zeitpunkt der Investition befanden sich Deutschland und EU in konstruktivem Dialog mit Belarus“
Für das Staatsunternehmen und den Park, der ein Knotenpunkt der „Neuen Seidenstraße“ mit bestehenden Ost-West-Verkehrsverbindungen werden soll(te), entwickelte Duisport unter Staakes Regie sogar einen „Masterplan Logistik“, wie Duisport in seinem Jahresbericht 2017 erläuterte.
„Zum Zeitpunkt der Investition befanden sich Deutschland und die EU in einem konstruktiven Dialog mit Belarus“, erklärt Sprecher Bartel heute für den Hafen. „Die aktuelle Entwicklung“ sei damals „nicht absehbar“ gewesen.
Im Juli 2019 unterzeichnete Staake darüber hinaus in Minsk weitreichende Kooperationsverträge: Aufbauend auf die Beteiligung „wird in Great Stone auf Initiative und unter der Leitung von Duisport gemeinsam mit den Partnern China Merchants China-Belarus, der weißrussischen Staatsbahn und dem Schweizer Unternehmen Hupac ein Railterminal inklusive Logistikareal errichtet“, teilte Duisport stolz mit. Zur „Vermarktung und Durchführung von Schienentransporten zwischen Polen und Deutschland“ gründete die AG zudem mit einer Tochter der weißrussischen Staatsbahn, chinesischen und polnischen Logistikdienstleistern obendrein die Firma „dpa Polska Intermodal“.
Duisburgs Hafen und Lukaschenkos Belarus – sind also vielseitig miteinander verflochten.