Duisburg. Mit dem Yamabiko-Quintett gastierte eine neu formierte Band in Duisburg-Ruhrort. Was den Auftritt zu einem Konzert auf Spitzenniveau machte.

Montagabend, dunkel, Schmuddelwetter in den Gässchen Ruhrorts, aus dem Lokal Harmonie strahlt das Leben. Zu Gast ist das Yamabiko-Quintett, mit Michel Pilz an der Bassklarinette, Reiner Winterschladen an der Trompete, Frank Paul Schubert am Saxophon, Christian Ramond am Bass und Klaus Kugel am Schlagzeug. „Das ist eine Premiere“, freut sich Heiner Heseding vom Kreativquartier Ruhrort, denn die CD-Aufnahmen der neu formierten Combo beginnen erst am Tag darauf.

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Im voll besetzten Lokal Harmonie tummelt sich das geneigte Jazz-Publikum, maskenbewehrt und durchgeimpft, und erlebt einen Musikabend, der mit seiner Qualität selbst im kulturell viel bespielten Ruhrort heraussticht. Es ist kein Abend für den Kopf, sondern einer für die Seele. Klar, Free Jazz braucht immer die Bereitschaft des Hörers, sich auf die ungehemmten Klangexperimente einzulassen – und wer das am Montag in Ruhrort schafft, erlebt echte Spitzenmusik.

Yamabiko-Quintett besticht in Duisburg-Ruhrort mit hervorragenden Soli

Wie es in der freieren Jazzmusik üblich ist, geht auch das Yamabiko-Quintett frei mit seinem musikalischen Material um, besonder mit Tempi und Rhythmik. Trotzdem: Dass die fünf Musiker nicht bloß wild drauf losspielen, ist jederzeit spürbar. Gerade Reiner Winterschladen beschert dem Bebop immer wieder kleine Gastauftritte, generell sind es aber die Soli der Künstler, die ihr Können eindrucksvoll zur Schau stellen.

Nicht nur die allerdings, auch im Ensemble harmoniert die Gruppe hervorragend. Rückgrat und Anker der Band ist Christian Ramond, der in Abwesenheit eines Harmonieinstruments die Eigenkompositionen des Quintetts nicht nur tonal verankert, sondern auch während des wilden Schlagzeugspiels von Klaus Kugel der beständige Puls der Musik ist.

Musik für die Seele im Lokal Harmonie

Es ist Musik zum reinlegen, wie gesagt, Seelenmusik und keine Kopfmusik, die durch das Lokal Harmonie schwebt. Komplexe Melodien, zu viert gespielt, strotzen nur so vor Leichtigkeit, Michel Pilz ungewöhnlich strahlender, klarer Bassklarinettenklang treibt die Stücke auf ihren emotionalen Höhepunkt zu. Besonders Pilz feuert mit Vorliebe schnelle chromatische Kaskaden in den Raum, Holzbläserkollege Frank Paul Schubert spielt mit dem Kontrast sanglicher, elegischer Phrasen und schnellen Läufen, inside wie outside.

Im Ensemble eine Macht: Wenn alle fünf Musiker gemeinsam spielen, gleicht die Musik einem Gebet.
Im Ensemble eine Macht: Wenn alle fünf Musiker gemeinsam spielen, gleicht die Musik einem Gebet. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Wenn alle fünf Musiker zugleich spielen, gleicht die Musik einem ekstatischen Gebet, einem Mantra, von der Bühne ergießt sich ein echter „Flow of consciousness“. So komplexes Material, harmonisch wie melodisch, so sanft und leicht wirken zu lassen – ein echtes Meisterstück.

Mehr als die Summe seiner Teile

Es ist viel zu entdecken auf der kleinen Bühne in Ruhrorts guter Stube, vieles passiert gleichzeitig und fügt sich zu etwas Neuem, das bekanntlich mehr ist als die Summe seiner Teile. Dass die ehemals unerwarteten, damals unverschämten Intervalle und Harmonien des Free Jazz längst so etabliert sind wie Swing oder Bebop, wird dem Yamabiko-Quintett deshalb nicht zum Verhängnis – im Gegensatz zu anderen Combos, die die Freiheiten des Free Jazz fälschlicherweise als Carte Blanche verstehen, sich von jeder Musikalität zu befreien.

Was die fünf Musiker am Montagabend in Ruhrort auf die Bühne gedacht haben, hallt im Kreativquartier hoffentlich noch lange nach. Als Explosion des musikalischen Lebens nach der langen Coronaträgheit hätte es jedenfalls kein besseres Konzert geben können.

>> YAMABIKO-ALBUM AUCH VOM KREATIVQUARTIER RUHRORT HERAUSGEGEBEN

  • Das Yamabiko-Quintett nimmt sein Debüt-Album im Kölner Loft auf, ebenfalls vor Publikum. Mehr über das Quintett, Buchungsmöglichkeiten und bald auch das neue Album gibt es auf der Homepage der Band.
  • Mitherausgeber des kommenden Albums das Kreativquartier Ruhrort, erzählt Heiner Heseding stolz.