Duisburg. Obdachlos und coronapositiv – so strandete eine 72-Jährige während des Sturms vor dem Duisburger Petershof. Kritik an Unterstützung durch Stadt.

Bei den orkanartigen Stürmen des Wochenendes galt die Warnung, möglichst nicht rauszugehen. Was aber tun mit einer Obdachlosen, die um eine Unterkunft bittet, aber coronapositiv ist? Eine Herausforderung für den Petershof in Duisburg-Marxloh und die städtischen Einrichtungen.

Stadtsprecher Maximilian Böttner sagt, dass es „für hilfsbedürftige obdachlose Personen, die Corona-positiv sind und untergebracht werden müssen, ein festgelegtes und erprobtes Verfahren“ gibt. Über das Gesundheitsamt werde in solchen Fällen ein Infektionsschutztransport zum Hotel Sittardsberg bei der Feuerwehr angemeldet.

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Feuerwehr-Transport verzögerte sich wegen der Sturm-Einsätze

Da es sich nicht um einen Notfall handelte, so der Stadtsprecher, hätten in jener Nacht von Freitag auf Samstag jedoch sturmbedingte Einsätze Vorrang gehabt. Die Frau stand also weiter ungeschützt draußen. Um die Wartezeit zu überbrücken, wurde das in der Nähe liegende Hotel Salm angefragt. Diese städtische Obdachlosenunterkunft konnte aber keine Isolierungsmöglichkeit für eine coronapositive Person anbieten, berichtet Böttner.

Um die Frau vor dem Sturm zu schützen, aber auch alle anderen am Petershof untergebrachten Obdachlosen vor einer Corona-Infektion, brauchte es einen Ort, der separiert und abschließbar ist und ein WC hat. Damit fiel der Vorraum der Kirche schon mal aus. Das Duschbad erwies sich am Ende als kluge Notlösung für eine Nacht, weil es auch einfach zu desinfizieren ist, berichtet Pater Oliver Potschien.

In den Wohncontainern neben der Kirche St. Peter in Duisburg-Marxloh hat Sandra Hankewitsch Übernachtungsplätze für Obdachlose.
In den Wohncontainern neben der Kirche St. Peter in Duisburg-Marxloh hat Sandra Hankewitsch Übernachtungsplätze für Obdachlose. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Uns gibt es ja nur, weil alles andere nicht funktioniert“

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Stolz ist Potschien darauf aber nicht, er schwankt zwischen Resignation und Fassungslosigkeit: „Im dritten Coronajahr geht außerhalb der Öffnungszeiten nichts“, bedauert er. „Uns gibt es ja nur, weil alles andere nicht funktioniert.“ Gerade erst habe er fünf Menschen aufgenommen, die in den Containern schlafen möchten.

Für ihn ist klar, warum die Container statt der städtischen Angebote bevorzugt werden: „Die allermeisten sind krank und haben eine psychische Komorbidität.“ Solche Menschen können nicht pünktlich mit irgendwelchen Papieren irgendwo sein, verdeutlicht der Pater, „die fallen dann durchs Rost.“

Ihn ärgert immer noch, dass das Diakoniewerk als Träger der Zentralen Anlauf-, Beratungs- und Vermittlungsstelle sein Handeln als „falsch verstandene Barmherzigkeit“ bezeichnete. An einem schon 2020 angekündigten Runden Tisch zum Thema Obdachlosigkeit habe er „noch nie“ teilnehmen können. Zu einem jetzt geplanten Gespräch mit Dezernentin Astrid Neese sei vom Petershof auch niemand eingeladen.

Stattdessen habe er „fast täglich“ einen Rettungswagen auf dem Hof stehen, weil es den Bewohnern so schlecht geht, manche auch sterben. „Wenn man jahrelang auf der Straße lebt, wird man nicht alt.“

Susanne Stölting, Sprecherin der Stadt, betont, dass es sowohl eine Rufbereitschaft gebe als auch einen engen Draht zwischen Petershof und Gesundheitsamt. Grundsätzlich sei das Ziel, eine Regelbetreuung herzustellen.

Obdachlose „irrt schon lange durch das Hilfesystem“

Pater Oliver Potschien und Sandra Hankewitsch (Leiterin der Obdachlosenhilfe) bei der Präsentation des Buches „Geh und handle genauso
Pater Oliver Potschien und Sandra Hankewitsch (Leiterin der Obdachlosenhilfe) bei der Präsentation des Buches „Geh und handle genauso" im September. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Ein Ziel, das nicht immer erreicht wird: Sandra Hankewitsch, die sich im Auftrag des Georgswerks um die Obdachlosen auf dem Petershof kümmert, kennt die betreffende Obdachlose: „Sie irrt schon lange durch das Hilfesystem.“ Dass sie nirgends ankomme, liege an einer psychischen Erkrankung und einem tief verwurzelten Misstrauen gegenüber allen Behörden. Am Samstag, nach ihrer Nacht im Duschbad, wurde sie dann mit einem Infektionsschutztransport der Feuerwehr zum Hotel Sittardsberg gebracht.

Bei den Obdachlosen, die sie um Hilfe bitten, beobachtet Sandra Hankewitsch viele Probleme. Sprachbarrieren, kognitive Einschränkungen oder Analphabetismus seien Hürden, die den Weg ins reguläre Hilfesystem schwer machen.

„Wir leisten hier echte Nothilfe“

„Es ist wie immer, wir müssen eine Lösung finden“, sagt Hankewitsch. Das gelte auch für die medizinische Behandlung der im Sturm gestrandeten Frau. Ein Arzt untersuche sie wegen ihrer Herzprobleme regelmäßig ehrenamtlich, die Medikamente zahle der Verein „Gemeinsam gegen Kälte“. „Wir leisten hier echte Nothilfe“, betont Hankewitsch, „und fangen auf, was die Stadt versäumt“.

>>BETREUUNG VON OBDACHLOSEN

  • Als Reaktion auf die Kritik der Ehrenamtler erklärt die Stadt Duisburg: Der Bereitschaftsdienst der Fachstelle für Wohnungsnotfälle sei an sieben Tagen erreichbar. Von dort aus erfolge die Unterbringung außerhalb der allgemeinen Dienstzeiten.
  • Die Container am Petershof sind voll belegt, obwohl die Stadt sie schon im vergangenen Jahr leer ziehen wollte. Dazu erklärt Pressesprecher Maximilian Böttner dass obdachlose Personen dort nur noch in Ausnahmesituationen aufgenommen und spätestens am nächsten Tag über die Fachstelle untergebracht werden sollen.
  • „Bei Einhaltung dieser Absprache würden die Aufenthalte nicht nur drastisch verkürzt, sondern den Betroffenen mittels des bestehenden Hilfesystems auch eine nachhaltige Hilfestellung zur Verbesserung der Wohnsituation geboten“, so Böttner. „Jedoch gibt es nach wie vor Personen, die die Leistungen des Hilfesystems nicht in Anspruch nehmen wollen. Diese bevorzugen augenscheinlich die Unterbringung im Container.“