Duisburg-Hochfeld. Reinhard Schmidt hat sieben Jahre die Entwicklung von Hochfeld mit begleitet. Ein Gespräch über Zukunftschancen und die Fehler der Vergangenheit.
Die Entwicklungsgesellschaft Duisburg (EG DU) ist zum Jahresende abgewickelt worden. Damit verlässt der bisherige Stadtteilmanager Reinhardt Schmidt das Büro in Hochfeld. Er wird künftig im Bereich Stadtentwicklung wirken und die Pläne für Hochfeld von städtischer Seite mit betreuen. Ein Rückblick, was in den vergangenen Jahren gut gelaufen ist, wo es weiterhin Handlungsbedarf gibt und welche Bedeutung die Internationale Gartenschau (IGA) für Hochfeld hat.
Wie lange waren Sie jetzt vor Ort?
Ich war insgesamt sieben Jahre bei der EG DU beschäftigt. Erst zwei Jahre vorwiegend am Schreibtisch, da habe ich das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) für Hochfeld maßgeblich geschrieben. Es ist jetzt die Grundlage für die Maßnahmen, die mit Blick auf die IGA umgesetzt werden sollen. Seit 2017 war ich sehr intensiv in den Netzwerken vor Ort, um Gesprächsfäden zu knüpfen. Denn der Frust der Leute ist groß. In den Nullerjahren gab es ja schon erste Ideen, aus Hochfeld einen Zukunftsstadtteil zu machen. Aber man hat dabei übersehen, dass mit der Zuwanderung der Mittelstand schneller aus Hochfeld geflüchtet ist, als man gucken konnte.
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Hochfeld wird jetzt eine schillernde Zukunft vorher gesagt. Glauben Sie dran?
Glauben ist nicht meine Aufgabe. Aus meiner Sicht sind zwei Dinge entscheidend. Zum einen muss man auf den Immobilienmarkt und zum anderen auf die Bildungssituation in Hochfeld schauen. Das ist immens wichtig für den Stadtteil. Viele sagen: „Das, was ihr macht, ist ja ganz toll. Aber meine Kinder schick ich hier nicht in die Schule.“ Das ist der Ansatzpunkt der Zukunft. Sonst bleiben die Träume Illusion.
Zwischen dem neuen Wohnbaugebiet Rheinort und Hochfeld liegt die Wörthstraße: „Enormer Trennungsfaktor“
Wenn ich es recht in Erinnerung habe, dann ist für das Neubaugebiet Rheinort eine neue Schule geplant.
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Das stimmt. Aber die Frage ist ja, ob man Rheinort als segregiertes Viertel betrachten möchte. Zwischen dem Rheinpark und Hochfeld liegt die Wörthstraße mit einem enormen Trennungsfaktor. Von der Neubebauung dort hört man so gut wie gar nichts. Beim Rheinpark und der IGA ist ordentlich Druck dahinter, aber was die Wohnentwicklung dort angeht, ist es recht still geworden. Aber ich bin ohnehin der Meinung, dass es Hochfeld nicht helfen wird, wenn wir drumherum etwas Schönes bauen. Es gibt keine Beispiele aus anderen Städten, dass das jemals geklappt hat. Da muss innendrin was passieren.
Apropos innen. Der Hochfelder Markt ist ein Herzstück im Stadtteil. Es ist Jahre her, dass der Bunker abgerissen wurde. Getan hat sich seitdem trotzdem nichts.
Der Marktplatz schlummert noch. Da sollte es eigentlich schnell gehen, damit auch mal erfahrbar wird, dass sich etwas tut. Wenn wir Glück haben, ist er Ende 2022 fertiggestellt.
Warum dauert das so lange?
Jeder Grund, warum etwas dauert, ist für sich klar erkennbar, aber oft ist es eine Aneinanderreihung von Umständen, die man so nicht vorhersehen kann. Hinzu kommt: Die Bauwirtschaft ist extrem gut ausgelastet und dass die Preise nicht mehr die sind von 2017, macht uns das Leben schwer. Die Baupreise haben sich verdoppelt. Das ist schwierig.
„Die Leute sind nicht verwöhnt von der Stadt“
Geplant war aber nicht nur eine Neugestaltung des Marktplatzes. Auch die Grundschule braucht dringend neue Räume.
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Die Grundschule Hochfelder Markt ist unter Denkmalschutz gestellt. Das macht es schwierig, dort neue Räume zu schaffen. Unser Ansinnen, dort mehr zu machen als nur Schule, nämlich auch Eltern- und Quartiersarbeit, ist in dem neuen ISEK mit einem Realisierungszeitraum ab 2024 versehen. Das ist zwar jetzt unbefriedigend, aber immerhin ist etwas geplant. Dass das Familienzentrum Immendal eine bessere Raumausstattung erhält, ist auch dringend nötig. Das wird gerade realisiert. Und über die Erneuerung des Sportplatzes an der Paul-Esch-Straße reden wir auch schon seit Jahren. Sport und Integration geht immer. Hochfeld hat fast keine Sportstätten, die vorzeigbar wären. Hinzu kommt: Die Leute sind nicht verwöhnt von der Stadt. Die Tatsache, dass etwas angekündigt wurde und dann nichts passierte, hat mir das Leben gelegentlich schwer gemacht.
Frustriert einen das manchmal?
Ich bin ja Ruhrgebietsmensch und wohne im Essener Norden. Ich weiß, dass diese Stadtteile wenig politische Lobby haben. Mein Anspruch war, in den Bereichen, die für Stadtentwicklung wichtig sind, etwas in Gang zu bringen. Das „Blaue Haus“ ist das einzige, was wir an sozialpräventiven Baumaßnahmen umgesetzt haben. Das hat einen aber auch angesprungen, so heruntergekommen war es.
Neues Stadtteilteam geht an den Start
In den nächsten Monaten soll ein neues Stadtteil-Team an den Start gehen. Wie werden Sie sich künftig in Hochfeld einbringen?
Ich bleibe Hochfeld erhalten. Die Kolleginnen und Kollegen, die dort demnächst beginnen, brauchen ein vernünftiges Scouting, damit sie in der Tiefe in die Themen eintauchen können. Der Umbauprozess in Hochfeld läuft schon seit den 1970er Jahren, aber es hat nie gereicht für einen Turnaround. Meine Sache wird es sein, die Neuen in die entsprechenden Netzwerke zu bringen. Die EG DU war für mich ein Türöffner. Es gab manchmal auch kritische Stimmen, aber man konnte ins Gespräch kommen.
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Ich sehe das positiv, es gibt künftig mehr Manpower, um die vielschichtigen Themen anzugehen. Man muss dringend einen Kontakt zur bulgarischen Community bekommen, damit die Menschen sprachfähig werden. Es gab zwar verschiedene Arbeitskreise und bei „Gut Leben in Hochfeld“ haben wir auch Arbeitsgruppen gegründet. Aber wenn man ehrlich ist, konnten wir mit unserem 1,5 Stellen-Team nicht alles stemmen. Ich kann und will den Kollegen aber keine Agenda vorschreiben. Wir werden uns zusammentun und uns kennenlernen.
Der Initiativkreis Ruhr sagt Hochfeld eine rosige Zukunft voraus. Zu Recht?
Wenn man sich anschaut, was den Wert eines Standorts ausmacht, dann gibt es eine gewisse Erwartungshaltung: Hochfeld liegt toll. Man kann dort wohnen, es ist ein kompakter Stadtteil. Die Mobilität ist, bis auf schwimmen durch den Rhein, optimal. Wenn man sich frühere Analysen anschaut, sieht man, dass es dort mal einen Buchhändler und Bio-Lebensmittelgeschäft gab. Nun sind die Waren des täglichen Bedarfs nur noch in dem Preissegment da, was Hochfeld nachfragt: billig, billig, billig. Das wird kein Selbstläufer. Armut und Bildungsferne haben sich verfestigt. Und nur mit Armutsmieten kann man den Stadtteil nicht am Leben halten. Die Gebäude haben Restwertzeiten. Dort muss man auch ansetzen.
Mit dem ISEK und der Planung vom Initiativkreis Ruhr hat man nun Instrumente in der Hand, die Schubkraft entwickeln können. Ich schau zum Beispiel auf die Altstadt und nach Hochfeld. Wir haben gerade eine Riesenchance auf Stadtentwicklung, die Duisburg für die nächsten 50 Jahre prägen wird. Aber wenn wir ehrlich sind, wissen wir auch: Viele weitere Chancen, und weiteres Geld wird es für Hochfeld dann nicht mehr geben. Aus meiner Sicht ist das zum Erfolg verdammt.
Die Internationale Gartenschau findet 2027 statt. Werden Sie die noch in Ihrer neuen Funktion miterleben?
Ich bin jetzt 59, ich gehe fest davon aus, dass ich das noch erlebe. Mich muss man nicht zur Arbeit prügeln, ich habe Spaß an meinem Job und auch fachliches Interesse. Da misch ich gern noch mit, als jemand, der etwas weiß und dazu beitragen kann und will.