Hochfeld. Bei einem Rundgang durch Duisburg-Hochfeld offenbaren sich soziale und stadtplanerische Probleme des Stadtteils. Was sich Nachbarn wünschen.

Zwei Wochen lang war die Ausstellung „Denkraum“ zu Gast in Duisburg-Hochfeld. Auf dem Platz vor der Pauluskirche konnten Passanten nachlesen, welche Erfahrung Migranten in Duisburg mit Rassismus gemacht haben – und was für sie Heimat bedeutet. Zum Abschluss der Open-Air-Schau fand zudem ein Rundgang durch den Stadtteil statt, an dem Nachbarn, aber auch Vertreter verschiedener Initiativen teilnahmen.

„Wenn man über die Themen spricht, sollte man sich vor Ort ein Bild machen“, befürwortet Teilnehmerin Friederike Bettex die Initiative. Zwischen Wanheimer- und Eigenstraße offenbaren sich einmal mehr die Linien einer Parallelgesellschaft, die im Alltag nur selten zueinander findet. Die daraus resultierenden Konflikte beschäftigen alle gleichermaßen.

Das Müll-Problem in Duisburg-Hochfeld

„Schauen Sie sich mal diesen Haufen an“, sagt Karl-August Schwarthans und zeigt auf den aufgetürmten Sperrmüll, der sich an der Saarbrücker Straße sammelt. „Ach, das sieht doch noch einigermaßen organisiert aus und fliegt hier nicht einfach so rum“, findet Gerd Schwemm. Hendrik Thome erklärt: „Hier müssten die Wirtschaftsbetriebe ohne Ansehen der Gebührensatzung schnell tätig werden.“

Kornelia Kerth-Jahn, Mitorganisatorin der Ausstellung, ist hingegen gar nicht einverstanden, dass in Zusammenhang mit Hochfeld immer nur über Müll debattiert wird. „Schauen Sie sich doch mal um, hier ist kein einziger Mensch aus der Community dabei.“ Sie habe indes die Erfahrung gemacht, dass die Leute durchaus Kontakt suchen. „Als ich die Tafeln aufgebaut habe, kamen erst die Kinder und später auch Erwachsene. Sie haben gesehen, dass wir uns in ihrer Sprache mit ihnen beschäftigen.“ So sei auch eine Verbindung zu zwei Musikern entstanden. „Aber miteinander ins Gespräch zu kommen, ist schwierig, wenn kein Dolmetscher dabei ist“, gibt sie zu.

Integration: Kindern kommt eine Schlüsselrolle zu

Rumen Stoyanov Evtimov kam vorbei, um sich die Ausstellung auf dem Platz vor der Pauluskirche anzuschauen. So entstand der Kontakt zu den Organisatoren. Vor dem Rundgang spielte der Musiker Akkordeon.
Rumen Stoyanov Evtimov kam vorbei, um sich die Ausstellung auf dem Platz vor der Pauluskirche anzuschauen. So entstand der Kontakt zu den Organisatoren. Vor dem Rundgang spielte der Musiker Akkordeon. © FUNKE Foto Services | Foto: Jörg Schimmel

Annegret Keller-Steegmann, die sich seit Jahren in Rheinhausen engagiert und Theaterprojekte mit Zugewanderten und Flüchtlingskindern stemmt, glaubt deshalb, dass die Schulen ein wichtiger Anknüpfungspunkt sind. „Die Eltern wollen ja, dass es den Kindern gut geht. Ich habe das in Rheinhausen gesehen. Die Kinder saugen Bildung auf wie ein Schwamm und nach zwei Jahren übersetzen sie für ihre Eltern.“ Friederika Bettex, die ein Haus am Immendal besitzt, weiß allerdings auch, wie schwierig die Situation in den Schulen in Hochfeld ist. „Es sind eben nicht eine Handvoll Kinder, die integriert werden müssen, sondern hunderte. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, einige mit Bussen in andere Stadtteile zu bringen.“ So würden Klassen besser gemischt. Doch sie ahnt: Der Aufschrei wäre wahrscheinlich groß.

Der Tross setzt sich wieder in Bewegung, läuft durch die Tersteegenstraße Richtung Grüner Ring und Hartz-IV-Ecke. Der Kiosk ist ein beliebter Treffpunkt. Zahlreiche Männer stehen in der Sackgasse und trinken Kaffee. Auf der Straße parken zahlreiche Autos, darunter einige Lieferwagen. „Wir haben alle Arbeit“, betont einer. „Die Wohnungen sind klein, das ist einfach so, dass sich hier viel auf der Straße abspielt“, kennt Thomas Rensing vom Klüngelclub Hochfeld, die Realität. Erst neulich habe er ein paar Herren beim Grillen auf der Straße angesprochen. Die luden ihn direkt „auf ein Hühnerbein“ ein. Im Gespräch erfuhr Rensing, dass sie Geburtstag feierten. Das Geburtstagkind, die Gattin, war allerdings gar nicht dabei – die müsse sich ja um die Kinder zu Hause kümmern.

Die Sicht der Immobilienbesitzer

Blick in die Paulusstraße. Einige Fassaden sind hübsch und renoviert. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich aber auch Immobilien, die von der Taskforce geschlossen wurden.
Blick in die Paulusstraße. Einige Fassaden sind hübsch und renoviert. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich aber auch Immobilien, die von der Taskforce geschlossen wurden. © FUNKE Foto Services | Foto: Tanja Pickartz

Rensing hat vor Jahren ein Haus an der Brückenstraße gekauft. Derzeit sind wieder einige Wohnungen frei. „Doch selbst Menschen, von denen man es gar nicht gedacht hätten, winken ab, weil sie nicht in Hochfeld wohnen wollen“, schildert er. Dabei seien seine Wohnungen alle modernisiert und gut in Schuss. Schräg gegenüber hat die Taskforce der Stadt indes im Juli ein Haus geräumt. „Seitdem ist hier viel weniger los. Es sind weniger Autos unterwegs. Offenbar entscheiden sich einige Bürger lieber für ein dickes Auto und eine bescheidene Wohnung. Ich mach das lieber umgekehrt.“ Mit Blick auf die angrenzende Fischgasse, eine Privatstraße, würde er sich wünschen, „dass die wenigstens auf ein mitteleuropäisches Maß saniert würde.“ Von der Stadt fühlt er sich in Hochfeld zuweilen allein gelassen.

Friederike Bettex, engagiert bei der Initiative „Zukunftsstadtteil“, hält es für problematisch, dass viele Hausbesitzer nicht in Hochfeld wohnen und auch nicht bereit seien zu investieren. Erst neulich habe es wieder einen Anruf gegeben. Jemand wollte sich erkundigen, ob ein Haus zu verkaufen sei. Der überhitzte Immobilienmarkt zeigt sich im Kleinen auch hier. „Ist doch kein Wunder, hier wird ja in den nächsten Jahren eine halbe Millarde investiert. Die wollen sich jetzt die Häuser hier sichern“, weiß Schwemm. „Dann bin ich ja ein Glückskind“, sagt Bettex noch etwas ungläubig.

Die Auswirkungen der Wohnsituation

Ein Haus an der Brückenstraße in Duisburg wurde vom Ordnungsamt gesperrt. Fotografiert am Sonntag, 10. Oktober 2021 in Duisburg. Foto: Jörg Schimmel / Funke Foto Services
Ein Haus an der Brückenstraße in Duisburg wurde vom Ordnungsamt gesperrt. Fotografiert am Sonntag, 10. Oktober 2021 in Duisburg. Foto: Jörg Schimmel / Funke Foto Services © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Sie befürwortet, dass in Hochfeld zum Beispiel am Rheinpark und auch auf dem ehemaligen Gelände von Kabel Theisen neue Wohngebiete entstehen, das könne dem Stadtteil nur gut tun. „Wir müssen allerdings aufpassen, dass die Grenzen nicht noch schärfer gezogen werden, sondern Hochfeld davon profitiert.“

An Engagement mangele es in dem Stadtteil nicht. Doch das Miteinander klappe manchmal besser und mal schlechter. Als neulich am Immendal neue Blumenkübel aufgestellt und bepflanzt wurden, waren auch viele zugewanderten Nachbarn dabei. „Jeder möchte es doch bei sich vor der Haustür schön haben, das war eine schöne Aktion.“ Allerdings habe die Planung auch rund drei Jahre in Anspruch genommen. Als einige Mitstreiter indes zu einer Saubermachaktion an der Wanheimer Straße unter den Arkaden aufriefen und dies sogar noch mit einem Gewinnspiel verknüpften, sei die Resonanz gleich null gewesen. „Das verstehe ich nicht. Das spielt sich ja auch direkt vor der Haustür ab“, sagt Friederike Bettex und schüttelt mit dem Kopf.

Beliebte Treffpunkte an der Eigenstraße

Die Schraubbar ist ein beliebter Treffpunkt an der Eigenstraße. Im Schaufenster hängt ein Plakat samt Mahnung: „Igah nicht ohne Hochfeld.“
Die Schraubbar ist ein beliebter Treffpunkt an der Eigenstraße. Im Schaufenster hängt ein Plakat samt Mahnung: „Igah nicht ohne Hochfeld.“ © FUNKE Foto Services | Foto: Jörg Schimmel

Die Gruppe stoppt an der Eigenstraße. Mit der „Heimat Hochfeld“, dem „Syntopia“ und der „Schraubbar“ konzentrieren sich hier viele beliebte Treffpunkte und Anlaufstellen. „Das ist schön für alle, die sich hier engagieren, aber das ist schon eine Parallelwelt“, weiß Friederike Bettex und fragt gleichzeitig, ob es eben nicht auch legitim sein kann, dass etwas nebeneinander existiere.

Thomas Rensing erinnert an die Feste, die vor Corona regelmäßig an der Eigenstraße auf die Beine gestellt wurden. Neben zahlreiche Bands habe man auch einmal einen bulgarischen Musiker verpflichtet. „Als der spielte, war die Straße auf einmal voll mit Leuten aus der Community. Die kamen plötzlich aus allen Ritzen. Aber als dann das andere Programm weiterging, waren die ganz schnell wieder weg.“

An der „Schraubbar“ hängt mittlerweile ein Plakat. Es liest sich wie eine Mahnung: „IGAH nicht ohne Hochfeld.“