Duisburg. Nach Urteilen am Landgericht soll die Sparkasse (Ex-)Prämiensparern je 3182 bis 15.896 Euro Zinsen nachzahlen. Was die Verbraucherzentrale rät.

Nach Urteilen des Bundesgerichtshofes (BGH) und an Duisburger Gerichten dürfen mehr als 10.000 Kunden der Sparkasse Duisburg auf beträchtliche Zinsnachzahlungen hoffen. Es geht in etlichen Duisburger Verfahren um die Streitfragen, ob die Sparkasse tausende Prämiensparverträge kündigen durfte – und neuerdings verstärkt darum, ob sie Kunden bei der Zinszahlung rechtswidrig benachteiligt hat. Strittig sind vor 2004 abgeschlossene Verträge der Ausgestaltung „S-Prämiensparen flexibel“. Mit Spannung verfolgen Kunden, Juristen und Banken, wie das Oberlandesgericht Düsseldorf 2022 in mehreren Berufungsverfahren entscheidet. Die Sparkasse Duisburg sieht sich durch das Groß der Richtersprüche bestätigt, aber nach mindestens drei jungen Urteilen am Landgericht soll sie Kunden Zinsen nachzahlen – in einem Fall knapp 16.000 Euro.

BGH: „Rechtswidrige Zinsanpassungsklauseln“ in Prämiensparverträgen

Ein BGH-Urteil vom 6. Oktober beunruhigt Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie private Institute, weil es für Millionen Sparverträge Auswirkungen hat. Verbraucherzentralen hatten mehrere Musterfeststellungsklagen angestrengt, und der BGH entschied gegen die Revision der Sparkasse Leipzig. Die Verbraucherschützer hatten bei einem Prämiensparvertrag mit flexiblem Zinssatz aus dem Jahr 1994 die Zinssenkungen beanstandet und Nachzahlungen gefordert.

Die Richter in Karlsruhe stellten klar, dass die Klausel für Zinsanpassungen in diesem Sparkassenvertrag unwirksam, weil für den Sparer unkalkulierbar war (Aktenzeichen: XI ZR 234/20). Solch „rechtswidrige Zinsanpassungsklauseln“ enthalten laut Verbrauchzentrale auch ältere Verträge der Sparkasse Duisburg.

Dreijährige Verjährungsfrist ab Jahr des Vertragsendes

Einen solchen Prämiensparvertrag hatte etwa der Kunde, den Dr. Jochen Strohmeyer, Düsseldorfer Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, gegen die Sparkasse Duisburg vertritt. Den Vertrag „S-Prämiensparen flexibel“ schloss dieser 1996 ab. Der Zinssatz laut Vertrag: „variabel, zur Zeit 4 % jährlich“. Die Sparkasse kürzte den Zinssatz in der Niedrigzinsphase schrittweise auf zuletzt 0,5 Prozent pro Jahr. Solch einseitige Senkungen nach „Gutsherrenart“ seien rechtswidrig, hatte der BGH-Vizepräsident kritisiert.

Dr. Jochen Strohmeyer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
Dr. Jochen Strohmeyer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. © MZS Rechtsanwälte

In diesem Sinne entschied jüngst auch die 3. Zivilkammer am Landgericht (Az.: 3 O 412/21). Die einseitige Zinsanpassungsklausel des Vertrages sei unwirksam und der von Strohmeyer und dessen Mandant herangezogene Referenzzins geeignet, „die Lücke im Vertrag zu schließen“. Da die Sparverträge langfristig ausgelegt waren, seien die Zinsen mithilfe eines Zinssatzes für langfristige Kapitalanlagen anzupassen, erklärte die Kammer. Geeignet sei der „gleitende Durchschnitt der Zinsreihe WX4260 der Deutschen Bundesbank“ – dieser erfülle „das Erfordernis der Objektivität, der Transparenz und Einsehbarkeit und das der prognostischen Dauerhaftigkeit“.

„Das Gericht hat die Linie des OLG Dresden und sogar den von der Verbraucherzentrale geforderten Referenzzins zu Gunsten des Sparers bestätigt“, fasst Anwalt Strohmeyer zusammen. Laut Urteil bekommt der Kläger von der Sparkasse noch 15.895,59 Euro Zinsen für die Zeit vom Vertragsbeginn 1996 bis zum 30. Juni 2020. Denn der BGH hatte auch geurteilt, dass die dreijährige Verjährungsfrist für Ansprüche auf Zinsnachzahlung erst am Ende des Jahres beginnt, in dem die Verträge beendet wurden.

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Sparkasse Duisburg: Zinsreihe WX4260 „nicht geeignet“

Die Rechtsauffassung der Sparkasse Duisburg fasst deren Sprecher Andreas Vanek auf Nachfrage zusammen: „Die Berechnung auf Basis der Zinsreihe WX4260 ist zur Feststellung etwaiger Nachzahlungsansprüche nicht geeignet.“ Diese entspreche nicht den Vorgaben des BGH für den Referenzzinssatz und werde auch in „aktuell laufenden Verfahren durch verschiedene vom Gericht bestellte Gutachter als ungeeignet abgelehnt“.

Andreas Vanek, Sprecher der Sparkasse Duisburg.
Andreas Vanek, Sprecher der Sparkasse Duisburg. © Sparkasse Duisburg

Vanek betont, das BGH-Urteil betreffe nur „Altverträge“, „die eine Zinsänderung ins Belieben eines Kreditinstituts stellen“. Dies sei bei der Sparkasse Duisburg „seit 2004 nicht mehr der Fall“ gewesen. Alle 36.600 nach 2004 abgeschlossenen Prämiensparverträge enthielten „rechtssicher vereinbarte Regelungen zur Verzinsung und Zinsanpassung“, so Vanek.

Nachzahlungen: Welches ist der geeignete Referenzzinssatz?

Zu den 11.500 zwischen Mai 1995 und September 2004 unterschriebenen Verträgen macht vielen (Ex-)Kunden Mut, dass der BGH die fehlende Bestimmung eines geeigneten Referenzzinssatzes durch einen Sachverständigen an das OLG Dresden zurückverwiesen hat. Die Frage sei nicht, ob die Sparkassen nachzahlen müssen, sondern wie viel, glauben in Duisburg prozessierende Juristen.

Anwalt Jörn Reifenrath, dessen Kanzlei Standorte in Düsseldorf und Moers hat, verweist auf einen frischen Beweisbeschluss des Landgerichts. Ein Sachverständiger solle nochmals prüfen, ob die Zinsreihe WX4260 „den Interessen der Parteien eines Prämiensparvertrags“ gerecht werde. Darin teilt das Gericht dem Sachverständigen mit, dass „nur durch Bildung eines gleitenden Zinsdurchschnitts den Interessen beider Parteien gleichermaßen Rücksicht getragen wird“. Damit, so sieht es Reifenrath, habe „das Gericht die Rechtsfrage, ob ein gleitender Zinssatz heranzuziehen ist, bereits vorab zugunsten der Sparer entschieden“.

+++ Kommentar zum Thema: Kundenunfreundlich: Sparkasse Duisburg verspielt Vertrauen +++

Reifenrath war – noch vor dem BGH-Urteil – mit zwei Klagen gegen die Sparkasse Duisburg vor dem Landgericht erfolgreich, in denen er (wie die Verbraucherzentralen vor dem OLG Dresden) ebenfalls eine Nachzahlung auf Grundlage der Zinsreihe WX4260 gefordert hatte: Die dritte Kammer verurteilte am 27. August die Sparkasse, einer Frau, die Ende 1999 zwei „S Prämiensparen flexibel“-Verträge abgeschlossen hatte, 3182,40 Euro Zinsen zu erstatten (Az.: 3 O 301/20). Ein Ehepaar soll laut Urteil vom 6. September wegen seiner beiden 1998 unterschriebenen Prämiensparverträge 3245,88 Euro bekommen (Az.: 3 O 300/20). Den Referenzzins der Zeitreihe WU 8612, den die Sparkasse für geeignet hält, lehnte die Kammer ab.

Gegen die beiden Urteile sind die Sparkasse und Reifenrath in Berufung gegangen: Denn das Landgericht hatte auch entschieden, dass die Sparkasse die Verträge („flexibel gestaltbar bis 25 Jahre“) vor Ablauf dieser 25 Jahren kündigen durfte (>> zum Extra-Artikel über den Kündigungsstreit).

Verbraucheranwalt: Sparkasse schriftlich auffordern, Zinsen zu erstatten

David Riechmann von der Verbraucherzentrale NRW sieht in den Urteilen des BGH sowie des Duisburger Landgerichts die Rechte der Sparer deutlich gestärkt: „Ob man die Kündigung des Prämiensparvertrages angreift oder nicht, man kann als Kunde auf jeden Fall eine Zinsnachzahlung erhalten.“

David Riechmann von der Verbraucherzentrale.
David Riechmann von der Verbraucherzentrale. © VZ NRW

Riechmann empfiehlt Betroffenen, in einem ersten Schritt Zinsnachzahlungen für die eigenen Prämiensparverträge durch die Verbraucherzentrale Sachsen berechnen zu lassen (Kosten pro Vertrag: 90 Euro) und mit dieser Rechnung die Sparkasse Duisburg schriftlich aufzufordern, die Zinsen zu erstatten.

Wer keine Rechtsschutzversicherung hat und Gerichts- und Anwaltskosten nicht riskieren will, könne auch die Schlichtungsstelle des Deutschen Sparkassen und Giroverbandes anrufen, so Riechmann. Die Lösungsvorschläge der Ombudsleute seien unverbindlich und kostenfrei.

Die Sparkasse berichtet von 41 Fällen 2020 und fünf 2021, in denen Prämiensparer die Schlichtungsstelle angerufen haben. „In den Verfahren wurde unsere Rechtsauffassung zur Schlichtung und zur Zinsanpassung bestätigt“, so Sparkassen-Sprecher Vanek.

Zu bedenken ist: Auch die Sparkasse Duisburg zahlt also fordernden (Ex-)Prämiensparern Zinsen nach. Und: Das wohl wegweisende BHG-Urteil im Oktober 2021 fiel erst nach den meisten Schlichtungen.

>> BERUFUNGSVERFAHREN AM OLG DÜSSELDORF / GLEITENDER DURCHSCHNITT

■ Wie Richterin Christina Klein Reesink, Pressesprecherin am OLG Düsseldorf, mitteilt, gibt es dort noch weitere Berufungsverfahren zu Prämiensparverträgen der Sparkasse Duisburg: „Das älteste trägt das Aktenzeichen I-17 U 116/21 und ist auf den 28. Oktober 2022 terminiert.“ Zu den mündlichen Verhandlungen für die Verfahren 3 O 300/20 (Az.: 17 U 133/21) und 3 O 301/20 (Az.: 17 U 124/21) hat das OLG für den 11. beziehungsweise 25. November geladen, berichtet Anwalt Reifenrath.

Referenzzinssätze werden von neutraler Stelle zur Orientierung im Bankwesen ermittelt, hierzulande von der Deutschen Bundesbank bekannt gegeben. Für die Berechnung „gleitender Durchschnittszinssätze“ werden aktuelle und historische Geld- und Kapitalmarktzinsen berücksichtigt. Der „gleitende Durchschnitt“ ist der Mittelwert aus dem Basiswert eines Stichtages und denen vorangegangener Stichtage, also auch abhängig von der Laufzeit.