Duisburg-Hochfeld. „Ich sehe was, was du nicht siehst“, heißt die Ausstellung, die sich nun durch Hochfeld zieht. So sehen Mercator-Gymnasiasten den Stadtteil.

Der Initiativkreis Ruhr, Stadtplaner oder Visionäre, die derzeit die Internationale Gartenschau im Jahr 2027 in Hochfeld planen, malen die Zukunft des Stadtteils in schillernden Farben. Dem Gegenüber steht das momentan noch schlechte Image. Unter dem Motto „Ich sehe was, was du nicht siehst“ haben sich dutzende Schüler des Mercator-Gymnasiums auf den Weg gemacht und einen virtuellen Kunstrundgang durch Hochfeld entwickelt. Max Bilitza vom Kulturtreffpunkt „High Field“ kuratiert die ungewöhnliche Ausstellung, die Kunst an den Laternenmast holt und die Schüler zum Beispiel zu Poesie und Rap inspiriert hat.

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Zehra Kilic und ihre Mitstreiter aus dem Literaturkurs haben für ihre Zeilen die Perspektive gewechselt und sich zum Beispiel gefragt, was sich ein abgefallenes Nummernschild denkt, das achtlos in Hochfeld auf der Straße landet. Und was ist mit dem Sofa, das seit einiger Zeit an der Straße steht und nun ziemlich mitgenommen aussieht? „Ich bin ein Baum“, erklärt die 16-jährige Zehra. Wer mit seinem Handy den Barcode scannt, der an einem Laternenpfahl an der Hochfeldstraße 23 hängt, kann den Gedanken von Baum, Sofa und Co. lauschen.

Nach einem ersten Rundgang durch Duisburg-Hochfeld kamen die ersten künstlerischen Ideen

Der Startpunkt ist am Schaufenster des „Highfield“ an der Hochfeldstraße 2.
Der Startpunkt ist am Schaufenster des „Highfield“ an der Hochfeldstraße 2. © FUNKE Foto Services | Foto: Michael Dahlke

„Wir sind erst durch Hochfeld gelaufen und haben uns dann überlegt, welchen Stellen ein bisschen Kunst guttun würde“, blickt Mitschülerin Leyla auf die vergangenen Wochen zurück. Eigentlich hatten sie die Arkaden mit Pixel-Menschen aus Papier verschönert. Doch die wurden innerhalb kürzester Zeit wieder abgerissen. Auch Superman, der den Stadtteil beschützen und für das Gute stehen sollte, wäre beinahe verschwunden. Nun wird er vorerst in der Schule ausgestellt.

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Leandra (16) wohnt in Hochfeld, hält sich aber nur ungern in dem Stadtteil auf. Auch andere machen in ihrer Freizeit lieber einen Bogen darum. Lehrer Tobias Wagner, der das Projekt maßgeblich mit initiiert hat, erinnert sich hingegen: „Ich habe vor 20 Jahren mal in Hochfeld gewohnt. Eigentlich hat sich nicht viel verändert. Es ist nicht viel besser, aber auch nicht wesentlich schlimmer geworden.“ Zehra meint: „Ich versteh’ die Diskussion über Hochfeld nicht. Hier leben so viele verschiedene Nationalitäten und Kulturen, ich finde das gut. Es ist doch langweilig, wenn es jeden Tag gleich ist.“

Auch Noah und Umut verstehen das Gerede um Hochfeld nicht. Zwar wohnen sie mittlerweile in Neudorf, „aber ich bin eigentlich jeden Tag hier, das schlechte Image stimmt nicht“, sagt Noah aus der achten Klasse. Sie haben am Mercator-Gymnasium den Schwerpunkt Musik gewählt und einen Rap über Hochfeld beigesteuert. In einem Workshop mit dem Rap-Künstler Maliq Möbius haben sie gemeinsam die Liedzeilen entwickelt und in einem mobilen Tonstudio im „Highfield“ aufgenommen.

Nicht nur Schüler, auch Lehrer haben etwas gelernt

„Rap ist ein Seismograph für den Stadtteil“, findet Max Bilitza. Vier Minuten dauert das Lied, von „Kanaken und Spacken“ ist die Rede, aber die Melodie ist eher positiv. „Wir haben das Lied in unserer Klassen-WhatsApp-Gruppe hin- und hergeschickt, und wirklich alle fanden es super cool“, berichtet Umut.

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Nicht nur die Schüler haben beim Rappen etwas gelernt, sondern auch Musiklehrer Thomas Fligge. Er spielt Orgel, macht Kirchenmusik und ist sonst eher der Klassik-Typ. Momentan werden im Unterricht gerade politische Botschaften in Liedtexten analysiert – da passte der neue Song der Jugendlichen also perfekt hinein. „Ich wohne in Walsum und reise jeden Tag an. Jetzt weiß ich viel mehr über die Umgebung, in der sich meine Schüler regelmäßig aufhalten“, beschreibt er.

Schulleiterin Dr. Wibke Harnischmacher erklärt das Konzept so: „Seitdem wir Talentschule sind, steht für uns noch einmal mehr zentral im Mittelpunkt, Unterschiede bei Bildungschancen, die durch gesellschaftliche Unterschiede geschaffen werden, zu überwinden. Die fangen nicht in der Klasse an, sondern in den Familien und im Stadtteil. Unsere Schule wird von einer breiten Schülerschaft besucht: Professoren-Kinder sind dabei genau so erfolgreich wie Kinder aus Hausmeister-Familien. Also setzen wir uns im Kleinen mit unserer Umgebung und dem Stadtteil auseinander.“

Mehr als 1000 Besucher haben die Ausstellung bisher gesehen

Der Kontakt zum „Highfield“ kam über einen Lehrer, der am Mercator-Gymnasium unterrichtet, zustande. Max Bilitza hatte gemeinsam mit der Schulkultur-Kontaktstelle und dem „Spielkorb“ überlegt, wie man in Corona-Zeiten ein künstlerisches Angebot für Kinder und Jugendliche machen kann. Bilitza holte nicht nur den Rapper dazu, sondern ebenso Schauspieler des Kom’ma-Theaters.

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In den nächsten Tagen werden auch die Jugendlichen, die nicht an der Erarbeitung des Kunstprojekts beteiligt sind, eine Runde durch Hochfeld drehen. Die Aktion steht aber auch allen anderen offen. „Mittlerweile hatten wir mehr als 1000 Besucher.“ Bilitza erklärt, warum die Werke im Wesentlichen virtuell zu sehen sind: „Das ist Teil des Konzeptes und spielt darauf an, dass die Vision der Realität einen Schritt voraus ist.“ Ganz so, wie es der Titel verheißt: „Ich sehe was, was du nicht siehst.“

>> QR-Codes sollen bis zum 31. Dezember hängen bleiben

Die QR-Codes werden noch bis zum 31. Dezember in Hochfeld hängen bleiben. Kurator Max Bilitza kontrolliert regelmäßig, ob alles noch vollständig ist.

Eigentlich war das „Highfield“ als temporäre Einrichtung der Ruhrtriennale angelegt. Doch es bestehe die „begründete Hoffnung“, dass der Projektraum darüber hinaus für weitere acht Monate weiterbestehen könne, so Bilitza. „Hochfeld ist ein schillernder, verwirrender Stadtteil, der in den Köpfen der Menschen schneller Gestalt annimmt, als vor dem bloßen Auge. Vision kommt bekanntlich vor Realität. Und dabei spielt die Kunst als Katalysator für Stadtentwicklung eine enorm wichtige Rolle“, betont der Kurator.