Duisburg. Das Education-Projekt bezieht in Duisburg-Marxloh jetzt auch die frühe Bildung von Kindern ein. Wie Musik die Entwicklung des Gehirns fördert.

Seit 13 Jahren engagiert sich das Klavier-Festival Ruhr für die Bildung von Kindern in Marxloh. Die Schulen des Stadtteils sind bereits erfahrene Teilnehmer des Education-Projekts. „Jetzt erreicht es endlich auch den Kindergartenbereich“, sagt Festival-Intendant Franz Xaver Ohnesorg in der städtischen Kindertagesstätte an der Kiebitzmühlenstraße. Ein Besuch.

Viktoria Neumüller hat an diesem Morgen vier Kita-Mädchen um sich geschart, normalerweise sind es mehr Kinder in der „Little Piano School“-Stunde, die ein Projekt des Festivals mit den Folkwang-Instituten in Essen ist, aber heute fehlen einige wegen Krankheit. Viktoria Neumüller betreut als Lehrerin hier und an der Bertramstraße, die als weitere Kita neu dabei ist, insgesamt sechs Gruppen von jeweils acht Kindern.

Kleine Piratinnen singen in Marxloh

Die Unterricht beginnt mit einem „Guten Morgen“-Lied, die Kinder liegen auf dem Boden und „schlafen“, sie hören, wie der Wind ums Schiff weht, und dann läutet der Wecker – ganz laut müssen die Mädchen „bim, bam, bum“ rufen, bis die Piraten endlich wach sind. Staub abklopfen, Suppe schlürfen, Mäuse wegfegen – das Morgenritual der kleinen Piratinnen läuft. Dann müssen sie noch auf den Mast klettern und die Sonne heraussingen.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Und schließlich geht es mit Viktoria Neumüllers Frage „Seit ihr bereit für das Mi?“ in die nächste Phase dieses Spiels mit viel Bewegung, mit Klatschen und Stampfen und Tönen. Das Lied, das hier allmählich entwickelt wird, besteht erstmal „nur“ aus drei Tönen: So ist mittel, La ist hoch, Mi ist tief. Diese Töne werden zugleich mit den Händen angezeigt.

Die Pädagogen sind begeistert

Nach und nach kommen Klanghölzer für den Rhythmus hinzu, dann werden die drei Töne reihum auf einem kleinen Metallophon gespielt, und schließlich auf dem Klavier. Am Ende werden alle vier Mädchen „sosolalasosomi“ singen und spielen können, werden das Auf und Ab von Tönen und Armen miteinander verknüpft haben.

Die Leiter der Marxloher Grundschulen Sandstraße und Henriettenstraße, der Herbert-Grillo-Gesamtschule und des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums, die beim Unterricht zugeschaut haben, sind als Pädagogen begeistert. Die Kinder haben Koordination und Konzentration geübt, sie haben einen „komplexen Lernprozess“ durchlaufen, eine „enorme intellektuelle Leistung“ vollbracht, analysiert Klaus Hagge, Schulleiter und Musiklehrer an der Sandstraße.

120 Kinder mit 18 Nationalitäten

Viktoria Neumüller führt die Kinder in der Kita Kiebitzmühlenstraße nach und nach an Instrumente wie das Metallophon heran. Am Ende des Unterrichts spielen sie auch Töne auf dem Klavier.
Viktoria Neumüller führt die Kinder in der Kita Kiebitzmühlenstraße nach und nach an Instrumente wie das Metallophon heran. Am Ende des Unterrichts spielen sie auch Töne auf dem Klavier. © KFR | Markus Feger

Wie wichtig eine kontinuierliche Arbeit und Wiederholungen für Kinder sind, betont Kita-Leiterin Andrea Stosch-Tenbrink, die den Besuchern zuvor ihre Einrichtung vorgestellt hat. In der sechsgruppigen Kita werden 120 Kinder mit 18 Nationalitäten betreut, vor allem aus Bulgarin, Rumänien, Afrika und Syrien. „Die meisten kommen ohne ein Wort Deutsch.“

Stadtteil-Check- Das hat Obermarxloh jungen Leuten zu bietenSprachförderung sei deswegen ein großes Thema, und dabei helfe Musik, so Stosch-Tenbrink. Außerdem werde den Kindern ermöglicht „über den Tellerrand hinaus zu blicken und die Welt außerhalb von Marxloh“ kennenzulernen. Viele Kinder kämen aus armen Familien, denen zwar Hilfsangebote gemacht werden, die aber damit überfordert sind, Anträge zu stellen. Das fällt schon Einheimischen schwer, wie soll es da erst Menschen gehen, die nicht deutsch alphabetisiert sind.

Rund 400 Kinder stehen auf der Warteliste für die Kita, darunter auch solche, die schon nächstes Jahr in die Schule kommen. „Wir merken das, wenn die Kinder hier waren, und wenn es nur ein Jahr ist“, sagt Hagge. Dass in diesem Jahr erstmals zwei Kitas ins Education-Programm einbezogen wurden, entspricht dem Ziel, Kinder möglichst durchgängig zu fördern, so Education-Leiter Tobias Bleek.

Zwischen zwei und sechs Jahren passiert viel im Gehirn

Die „Little Piano School“ zielt auf Kinder zwischen zwei und sechs Jahren, eine besonders wichtige Phase für die Entwicklung des Gehirns, wie Ohnesorg betont. In dieser Zeit werde fürs Leben gelernt. Der Intendant des Klavier-Festivals, der 2006 die innovative Methode der italienischen Klavierpädagogin Kim Monika Wright ins Ruhrgebiet geholt und mit der Folkwang Musikschule und der Folkwang Universität zu einem preisgekrönten Modellprojekt ausgebaut hat, ist Feuer und Flamme für diesen Weg der frühen Bildung. Er hat beobachtet: „Alle Kinder sind begabt.“

Insgesamt hat das Education-Projekt, an dem auch die Regenbogenschule in Marxloh und die Buchholzer Waldschule beteiligt sind, in diesem Jahr 750 Kinder und Jugendliche in Marxloh mit Musik- und Tanzangeboten erreicht, bilanziert Tobias Bleek. Das langfristige Education-Engagement wird seit 2011 von Klöckner & Co gefördert.

>> ABSCHLUSSKONZERTE MIT KINDERN AUS MARXLOH

  • Zum ersten Mal sind Kinder aus Marxloh bei einem Abschlusskonzert des Klavier-Festivals Ruhr dabei. Es beginnt am 16. November um 19.30 Uhr in der Mercatorhalle in Duisburg. Sie führen „La Création du monde“ von Darius Milhaud auf.
  • Auf dem Programm stehen außerdem Sergei Rachmaninows Suite Nr. 1 für zwei Klaviere und George Gershwins Rhapsody in Blue, gespielt von Fabian Müller und Lorenzo Soulès.