Duisburg. Die evangelische Kirche verliert Mitglieder, die Eintrittstelle an der Salvatorkirche soll neue gewinnen. Deren Gründe sind oft praktischer Art.

Unauffällig liegt es auf dem Tisch der Sakristei der Salvatorkirche: das kleine Holzkreuz, das Armin Schneider, Pfarrer im Ruhestand und ehemaliger Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Duisburg, jedem schenkt, der wieder in die Kirche eintritt. Dazu gibt es extra eine Kircheneintrittsstelle. Jeden Freitag ist sie besetzt – viele Gespräche führen die Pfarrer dort aber nicht. Das soll sich ändern.

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„Ich freue mich über jeden, der wieder dazugehören will“, sagt Schneider. Gemeinsam mit Pfarrer Stephan Blank, Pfarrer an der Salvatorkirche in der evangelischen Kirchengemeinde Alt-Duisburg wartet er an diesem Freitagnachmittag auf diejenigen, die wieder Teil der christlichen Gemeinschaft werden möchten.

Kirche: Jedes Jahr treten tausende Mitglieder aus

Den Schritt in die andere Richtung sind schon viele gegangen: Jedes Jahr treten tausende Mitglieder aus den beiden großen Kirchen aus. Im Jahr 2020 verließen in Deutschland rund 220.000 Personen die evangelische und circa 221.390 Personen die katholische Kirche. „Jeder Austritt tut weh“, sagt Schneider.

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Dass demgegenüber weniger Menschen in die Kirche eintreten, überrascht Pfarrer Stephan Blank nicht: „Die Schwelle für einen Kircheneintritt war in der Vergangenheit ziemlich hoch: Man musste einen Termin beim Pfarrer vereinbaren und oftmals nach dem Gottesdienst öffentlich ein liturgisches Aufnahmeritual in Form eines Gebets oder eines Segens über sich ergehen lassen. Hinzu kam die formale Hürde.“

Kircheneintrittsstelle Salvatorkirche in Duisburg besteht seit zehn Jahren

Zwar hätten sie dieses Ritual nicht vor der gesamten Gemeinde durchgeführt, dennoch können Schneider und Blank verstehen, falls der „Prüfungscharakter“ mögliche Interessenten abschreckt. „Es ist doch komisch, Menschen, die zu uns kommen wollen, mit so einer Bürokratie zu belasten“, erklärt Blank. „Darum haben wir mit dem Beginn des Kirchenjahres 2010/2011 am ersten Advent diese Eintrittsstelle an einem wöchentlich festen Termin geschaffen.“

Um den Austritten entgegenzuwirken, werde der Kircheneintritt in der Salvatorkirche so niedrigschwellig wie möglich gehalten, versichert Schneider. Tatsächlich stehen auf dem Formular, das er auf den Tisch der Sakristei legt, nur wenige Fragen, ein paar Kästchen sind anzukreuzen. Jeder, der ordiniert ist, kann anhand dessen Menschen in die Kirche eintreten lassen. Einzige Voraussetzung für die Interessenten: Sie müssen getauft sein.

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Im Eintrittsgespräch legen die beiden Kirchenmänner einen eindeutigen Fokus: „Zuhören steht für mich an erster Stelle. Wichtig ist, dass die Entscheidung einer Person, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung, von uns akzeptiert wird“, sagt Schneider. Blank fügt hinzu: „Ich muss niemanden überzeugen oder überreden, sondern die Person zu Wort kommen lassen.“

Gründe für den Wiedereintritt in die Kirche: von Trauung bis Jobangebot

Die Motive zum (Wieder-)Eintritt in die Kirche sind ganz verschieden: Manche wollen kirchlich getraut oder bestattet werden, bei anderen ist die Kirchenmitgliedschaft eine Einstellungsvoraussetzung für ihren Job, zum Beispiel bei der Diakonie. Wiederum andere „möchten wieder dazugehören, einfach Halt und Orientierung finden“, erzählt Schneider.

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Die Zeiten haben sich geändert. Insgesamt habe die „Bindung an Kirchen in der Gesellschaft nachgelassen“, hat Blank beobachtet. Waren die Menschen früher selbstverständlich Teil einer Gemeinde, so sei die Zahl der Mitglieder gesunken, „weil die Menschen einfach keine Berührungspunkte mehr mit ihren Gemeinden vor Ort haben“, sagt der Pfarrer. „Wir machen als Kirche wegen dieses gesellschaftlichen Wandels dieselbe Erfahrung wie Parteien oder Sportvereine.“ Erschwerend hinzu kam im vergangenen Jahr die Corona-Pandemie, die Präsenzveranstaltungen zeitweise unmöglich machte.

Armin Schneider hat das kleine Holzkreuz wieder im Schrank verstaut. Ob es an diesem Nachmittag noch in den Besitz des nächsten Eintrittswilligen gelangen wird, erscheint fraglich. Niemand ist bisher gekommen. Dennoch hoffen er und Pfarrer Blank in Zukunft auf regen Zulauf.

>> CORONA: WENIGER KIRCHENAUSTRITTE ALS IM VORJAHR

  • Insgesamt gehören in Deutschland rund 20,2 Millionen Menschen der evangelischen Kirche an. Die Anzahl der Austritte im Jahr 2020 (circa 220.000) sank gegenüber 2019 um 18 Prozent – auch das dürfte mit an der Corona-Pandemie liegen.
  • Die beiden Hauptmotive für den Austritt sind laut einer Studie der evangelischen Kirche in Westfalen und Stuttgart der Glaube, der nicht oder nicht mehr vorhanden sei, und die Kirchensteuer, die sich die Leute sparen wollen.