Duisburg-Dellviertel. Seit 20 Jahren betreibt Birgit Fuchs ihr Büdchen an der Johanniterstraße im Duisburger Dellviertel. Mittlerweile bekommt sie sogar Fanpost.

Birgit Cornelia Fuchs ist die Namensgeberin und gute Seele von „Birgit’s Büdchen“. Bei ihr bekommen die Kunden frischen Kaffee, gemischte Tüten, Brötchen oder Kippen – gute Worte, nicht zu vergessen. Vor 20 Jahren übernahm sie den Kiosk an der Johanniterstraße. Zum runden Jahrestag der beliebten Trinkhalle, der mit dem Geburtstag der Chefin zusammenfällt, kam nun mancher Stammgast zum Gratulieren vorbei.

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„Wir haben ein paar Fläschken geköpft, das muss sein“, erzählt die 55-Jährige. Bevor sie sich mit dem Büdchen selbstständig machte, arbeitete die Duisburgerin als Bäckereifachverkäuferin und war oft auch am Wochenende im Einsatz. Irgendwann schlugen die Eltern vor, dass sie angesichts des Pensums auch ihre eigene Chefin werden könnte. An der Johanniterstraße gab es eine alteingesessene Trinkhalle, die allerdings leer stand. „Ich habe in der Nachbarschaft gewohnt, ich kannte das ja hier selbst über viele Jahre.“

Duisburger Trinkhalle versorgt Kunden mit Zigaretten, gemischten Tüten und Klopapier

Jörg „Jogi“ Welskop ist Stammkunde bei Birgit Fuchs. Diesmal kauft er eine Zeitschrift.
Jörg „Jogi“ Welskop ist Stammkunde bei Birgit Fuchs. Diesmal kauft er eine Zeitschrift. © FUNKE Foto Services | Foto: Tanja Pickartz

Die Verhandlungen liefen gut. Der Besitzer machte aus dem leerstehenden Ladenlokal mit Fensterverkauf einen begehbaren Kiosk. „Seitdem ist das hier wie bei einer Soap“, erklärt Gatte Andreas Winkler. Er hilft seiner Frau hinter den Kulissen bei den Einkäufen oder der Buchhaltung.

Wer ein paar Minuten mit Birgit Fuchs plaudert, ahnt, was Winkler meint. Die Tür geht auf. „Hallo Schatzemann, was bekommst du denn heute ?“, fragt sie Kevin aus der Nachbarschaft, der diesmal wegen einer Schachtel Zigaretten vorbeischaut. Sie reicht ihm die Kippen über den Tresen, wünscht einen schönen Tag. Keine Minute später steht ein anderer Hochfelder im Türrahmen, diesmal „Schatzemaus“. Zwei Dosen Red-Bull sollen es sein. „Ich komm’ eigentlich jeden zweiten Tag, nicht wegen der Dosen, sondern wegen Birgit“, gibt er zu und die strahlt. „Schatzemaus, Schatzemann“ - wird der Ehemann da nicht eifersüchtig? „Nein, das ist ja mein Liebling“, erklärt sie. Und den gibt’s eben nur einmal.

Chefin steht seit 20 Jahren Tag für Tag hinter dem Verkaufstresen

Seit 20 Jahren geht das so, von 6 bis 21 Uhr. Um sechs Uhr morgens kommen diejenigen, die zur Frühschicht gehen. Brötchen und Tageszeitungen sind dann gefragt. Einige kommen auch nach Feierabend ein zweites Mal vorbei, so wie der Pfleger aus dem „Bethesda“. Sie wünscht einen schönen Abend und händigt ihm ebenfalls Rauchware aus.

Einen längeren Urlaub gönnt sie sich mit ihrem Mann so gut wie nie. „Ich kann meine Leute doch nicht alleine lassen. Birgitchen ist immer da.“ Sie hat manchen Jungen zum Teenager heranwachsen sehen. Sie weiß, wer im Urlaub war, wo die Ehe kriselt und dass Hündchen Paul von seinem Frauchen in einem „Wägelchen“ chauffiert wird, weil er neulich einen Bänderriss hatte. „Ich bin sehr tierlieb, Hunde sind hier immer willkommen“, betont sie. Jahrelang hatte sie selbst einen Rauhaardackel-Mischling, der von der Treppe aus manchmal die Kunden ankläffte. Dann entschuldigt sie sich kurz, weil sie einer Dame einen kleinen Einkauf vorbeibringen muss – Gulaschsuppe und Brötchen.

Der Ehemann hilft mit: „Die Bude steht und fällt mit meiner Frau“

Ehemann Andreas Winkler übernimmt. „Die Bude steht und fällt mit meiner Frau“, weiß er. Die Hoch-Zeiten der 1970er Jahre, als man mit gemischten Tüten, Bierchen und Zeitschriften richtig Geld verdienen konnte, sind vorbei. Dazu sind die Margen mittlerweile zu klein. „Reich wird man damit nicht, man muss sich an schwankende Umsätze gewöhnen und ja auch die Krankenkassenbeiträge erwirtschaften und für die Rente vorsorgen. Aber unsere Steuerberaterin sagt immer, dass wir die einzige Trinkhalle sind, die sie über all die Jahre noch betreut“, erklärt der Ingenieur. Anfang des Monats, wenn es Geld gab, gehen die meisten erst einmal in den Supermarkt einkaufen. „Nach zwei Tagen kommen sie mit dem Wechselgeld wieder zu uns.“

Dosensuppen, Granulat-Kaffee, Gemüsekonserven und Kondensmilch runden das Sortiment ab. Vor allem am Wochenende sind die Lebensmittel in der Trinkhalle gefragt.
Dosensuppen, Granulat-Kaffee, Gemüsekonserven und Kondensmilch runden das Sortiment ab. Vor allem am Wochenende sind die Lebensmittel in der Trinkhalle gefragt. © FUNKE Foto Services | Foto: Tanja Pickartz

Birgit Fuchs kehrt zurück. Die gemischten Tüten seien noch immer Klassiker. „Es geht ja nicht darum, eine Tüte Haribo zu kaufen. Die bekommt man überall. Bei uns kann man sich zusammenstellen, was man wirklich gerne mag.“ Die einen schließen Lakritze aus, die anderen das Zuckerzeug namens „Spiegeleier“. Kaugummi kommt ohnehin nur auf besonderen Wunsch in die Tüte.

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Früher wurde im Schnitt für einen Euro bestellt, mittlerweile sind es zwei Euro – oder die Leute runden direkt auf, bis der Zehner voll ist. „Weißte Birgit, ich wollte nicht zum Netto laufen. Deshalb lass ich mein Trinkgeld heute bei dir“, erzählt eine jüngere Frau und lässt sich zu dem Getränke-Vorrat noch eine Süßigkeiten-Mischung zusammenstellen. „Das machst du gut“, lobt sie. Für andere, die nicht zum Einkaufen kommen, hält sie Klopapier, Dosen-Champions, Kondensmilch oder auch Käse bereit.

2017 überfielen zwei Jugendliche die Trinkhalle

In all den Jahren gab es nur einmal einen „unschönen Vorfall“: 2017 wurde die Trinkhalle überfallen, von Jungs aus der Nachbarschaft, wie sich später herausstellen sollte. „Mein Mann war oben, hat mir geholfen und ich war unten im Keller. Ich habe alles gehört. Die haben 150 Euro mitgenommen und sind verschwunden. Wir haben dann sofort die Polizei gerufen. und eine Belohnung ausgesetzt. Die Jungs kannten wir schon ganz lange. Ich war wirklich enttäuscht. So etwas macht man doch nicht für 150 Euro.“ Das Geld bekam sie zwar zurück, doch anfangs blieb ein komisches Gefühl. Von der Berufsgenossenschaft gab’s eine Therapie, die dafür sorgte, dass sie wieder ohne Angst in das Büdchen zurückkehren konnte.

Ins Fernsehen hat es Birgit Fuchs auch schon geschafft. Der Sender „Kabel Eins“ drehte bei ihr für die Serie „Prost und Trost“. Neulich war sie in den „Tagesthemen“ zu sehen. „Ich bekomm’ das immer gar nicht mit, weil das entweder so spät ausgestrahlt wird und ich dann schon schlafe oder zu früh und ich noch arbeite.“ Nachdem sie im Ersten zu sehen war, gab es sogar Fanpost. „Viele Grüße aus dem Vogtland an die fleißigen Menschen in Duisburg“, schrieb ihr jemand. An „Birgit’s Büdchen“ war die Karte adressiert – der Postbote wusste auch so, wer gemeint war.

Ein paar Jährchen will sie noch machen. „Hauptsache, die Gesundheit spielt mit.“

>> Ansprechpartnerin auch in Corona-Zeiten

Während des Corona-Lockdowns durfte Birgit Fuchs durchgehend öffnen, weil sie nicht nur Lebensmittel anbietet, sondern auch Postgeschäfte abwickelt. „Aber die Masken und Impfen sind bei uns ein echtes Thema. Es gibt viele, die wollen die Maske nicht aufsetzen“, weiß sie. Dabei will sie doch nur sich und die anderen Kunden schützen.

In Zeiten von Corona erlebte sie viel Wertschätzung. „Die Leute sind froh, dass wir hier sind und ein offenes Öhrchen haben.“