Duisburg. Die neue Ausstellung im Museum DKM in Duisburg trägt den Titel „Omoshirogara“. Auf dem Rücken von Kimonos wird ein japanisches Drama erzählt.
Die Sammlung, die Dirk Krämer und Klaus Maas in ihrem Museum DKM in Duisburg zeigen, umfasst nicht nur Exponate aus 5000 Jahren Kunstgeschichte und zeitgenössischer Kunst, sie ist auch geografisch zwischen Europa, Orient und Fernost weit angelegt. Die neue Ausstellung „Omoshirogara“ führt in ein Japan in Zeiten des radikalen Umbruchs – und wie er sich in Kimonos widerspiegelt.
Bereits 2010 hat Roger M. Buergel, künstlerischer Leiter der Documenta 7 (2012), auf Einladung des Museums DKM die Ausstellung „Barely Something“ mit Werken des chinesischen Künstlers Ai Weiwei kuratiert und dabei dessen Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart Chinas beleuchtet. Diesmal hat Buergel „das Thema ins Haus getragen“, so Klaus Maas. Zehn Räume wurden dafür „auf den Kopf gestellt“, zum Teil mit schwarzer Baufolie abgedunkelt.
Mit „schwarzen Schiffen“ begann die erzwungene Öffnung
Anlass für die Ausstellung ist das 160-jährige Jubiläum deutsch-japanischer diplomatischer Beziehungen, die mit dem Freundschaftsvertrag zwischen Japan und Preußen von 1861 eingeläutet wurden. Wenige Jahre zuvor war eine Flotille „schwarzer Schiffe“ in die Bucht von Edo, heute Tokio, eingelaufen: So bezeichneten die Japaner die Dampfschiffe der US-amerikanischen Marine, die einen Brief des Präsidenten überbrachten, in dem er Japan aufforderte, Handelsbeziehungen mit dem Westen aufzunehmen.
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Japan habe damals die „Provokation des Westens“ angenommen und erkannt, dass es ein gleichwertiger Handelspartner werden musste. Damit habe die radikale Modernisierung des Landes eingesetzt. Buergel wusste um die einzigartige Kimono-Sammlung der Textilhistorikerin Yoshiko Inui, die die traditionellen Kleidungsstücke nicht unter dem Aspekt der kunstvollen Gestaltung zusammen getragen hat, sondern als Spiegel dieser tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen Japans.
Eine Umwälzung in allen Lebensbereichen Japans
„Das Drama der Modernisierung bildet sich ab auf dem Rücken von Kimonos“, so Buergel. „Die Kimonos waren wie Wochenschauen, sie zeigen die Anstrengung der Umwälzungen“ in allen Lebensbereichen, von der Industrialisierung über die Moral bis hin zum Militär. Und er blickt in die Gegenwart, wenn er sagt, Europa sei sich seiner Bedeutung in der Geschichte wenig bewusst. „Die Moderne war immer ein weltweites Projekt.“
Für Buergel ist das Museum DKM „ein Knotenpunkt“ im Ruhrgebiet, in dem Besuchern ein „poetischer Freiraum“ für eigene Gedanken geöffnet wird. Und es lehne – wie Yoshiko Inui – die Trennung zwischen Kunst und Mode ab. Gemeinsam mit den Kuratorinnen Mariko Mikami und Miwa Negoro hat Buergel die Ausstellung „Omoshirogara“ – das bedeutet „Bizarre Muster“ – um zeitgenössische Kunst aus Japan erweitert.
Durch Kunst der Gegenwart zu den historischen Kimonos
So führt der Weg zu den Kimonos durch fünf Museumsräume mit zeitgenössischer Kunst als Einführung in die japanische Geschichte von 1868 bis 1945, die die Künstler in ihren Werken reflektieren. Erika Kobayashi etwa setzt sich in ihrer literarisch-installativen Arbeit „Sie hat gewartet“ mit Olympischen Spielen seit 1936 auseinander. Jong Ok Ri zeichnet eine koreanische Frau am Steuer eine Kamikaze-Bombers. Oder Yu Araki blickt in seiner Videoinstallation „The last Ball“ auf ein Wiener Walzer tanzendes Paar, das Selfies von sich macht und dabei gefilmt wird.
In einem abgedunkelten großen Raum gelangt man zu den 24 Kimonos, die auf Bambusstangen hängen und von den krassen Spannungen zwischen Tradition und Moderne erzählen. Zu den älteren „bizarren Mustern “, die oft auch verborgen getragen wurden, zählen das ältere Motiv eines gefräßigen Soldaten oder die kaiserliche japanische Flagge im japanisch-chinesischen Krieg.
Traditionell gekleidete Japaner wurden in Europa verhöhnt
Der Einzug der westlichen Moderne spiegelt sich in Motiven wie Panzern und Mickey Mouse, Flugzeugen und Militärmützen, Kriegsschiffen, Eisenbahnen oder Zeitungsberichten. „Über jeden Kimono könnte man ein Seminar veranstalten“, sagt Buergel. Als Beispiel dafür, wie groß die Arroganz von Europäern und die Verletzungen bei den Japanern gewesen sein müssen, erzählt er von Begegnungen bei der ersten Weltausstellung 1951 in London: Die Japaner seien als „Eingeborene“ verhöhnt worden, weil sie ihre traditionellen Kimonos trugen.
Und bis heute gibt es ja Grenzen des Verständnisses etwa darüber, wie die hierarchischen Strukturen in Japan funktionieren oder wie verschieden der menschliche Umgang und die Kommunikation miteinander sind. Da lauern viele kulturelle Fettnäpfchen. Auch die Ausstellung, die auf weitgehend unbekanntes Terrain führt, ist mit ihren vielfachen Spiegelungen nicht leicht zu erfassen. Sie vermittelt eine positive Verunsicherung, sich eigener kultureller Positionen nicht allzu sicher zu sein.
>> UMFANGREICHES BEGLEITPROGRAMM ANGEKÜNDIGT
- Zur Ausstellung (bis 27. Februar), die von der Japan Foundation und dem Auswärtigen Amt gefördert wird, gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm im Museum DKM an der Güntherstraße 13-15. Themen und Termine werden noch veröffentlicht.
- Es ist geplant, dass Roger M. Buergel, der seit 2012 das Johann Jacobs Museum in Zürich leitet, in den kommenden Jahren weitere Ausstellung im Museum DKM kuratiert, die globale Verflechtungen zwischen Asien, Afrika und Europa zum Gegenstand haben.