Duisburg-Rheinhausen. Nach jahrzehntelangem Verfall wird das alte Krupp-Haus in Rheinhausen abgerissen. Hier entsteht für 70 Millionen das neue „Quartier am Tor 1“.

Seit fast 40 Jahren wird darüber diskutiert, was mit Rheinhausens letztem großen Überbleibsel der Stahlarbeiter-Ära geschieht – dem ehemaligen Verwaltungsgebäude von „Krupp Industrie und Stahlbau“ an der Franz-Schubert-Straße. An dem maroden Haus, das früher noch wohlwollend „Glaskasten“ oder „Aquarium“ genannt wurde, ist nach jahrzehntelangem Vandalismus kaum noch eine Fensterscheibe heil geblieben. Jetzt steht fest, dass das Schrotthaus aus dem Stadtbild des Duisburger Westens verschwinden wird. Der niederländische Investor Wim Schreuder wird den Glaskasten abreißen lassen. Vor vier Jahren hat er das Haus aus den 50ern samt der angrenzenden älteren Gebäude, in denen einst die Krupp’sche Chefetage residierte, gekauft.

„Ich kann mit Gewissheit sagen, dass das keine Luftnummer wird.“

Wenig war seitdem von seinen Plänen durchgesickert. Während der Glaskasten, der damals zu Deutschlands modernsten Bürogebäuden gehörte, immer weiter verfiel, wurde derweil im Hintergrund allerdings sehr konkret an der Entwicklung des Areals zwischen Friedrich-Alfred-Straße und Franz-Schubert-Straße gearbeitet. „Ich kann sagen, dass wir hier auf einem richtig, richtig guten Weg sind“, sagt der Duisburger Architekt Dieter Düster. Mit seinem Büro „dd Planquadrat Architekten“ hat er ein Konzept erarbeitet, das jetzt reif für die Öffentlichkeit ist: „Ich kann mit Gewissheit sagen, dass das keine Luftnummer ist. Das wird was!“

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Präsentiert wird die Zukunft der Krupp-Brache per Beamer in einem der alten Gebäude, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts gleich um die Ecke vom Tor 1 gebaut wurden. Diese Häuser sollen erhalten bleiben; die Sanierung läuft teilweise schon. In einem von ihnen hat kürzlich eine Hausarztpraxis eröffnet. Der frisch renovierte Raum, in dem wir sitzen, hat noch eine historische Verbindung zum Nachbarbüro: Es ist eine wuchtige Sicherheitstür, so dick wie die eines Tresors. Welche Schätze der Stahlkonzern hier wohl früher gelagert hat?

Die Architekten Dieter Düster (rechts) und Jörg Cramer präsentieren die Pläne für das neue „Quartier am Tor 1“ in Duisburg-Rheinhausen.
Die Architekten Dieter Düster (rechts) und Jörg Cramer präsentieren die Pläne für das neue „Quartier am Tor 1“ in Duisburg-Rheinhausen. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

An romantisch verklärten Rückblicken hat Dieter Düster an diesem Vormittag kein Interesse. Er weist lieber schwungvoll mit dem Laserpointer in die Zukunft. „Quartiersentwicklung am Tor 1“ heißt das Projekt, an dem der Architekt mit seinem Team seit drei Jahren getüftelt hat. Hier geht es nicht um ein einzelnes Grundstück, sondern um insgesamt 22.000 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche, die nach dem Abriss des fünfstöckigen Klotzes auf dem Gelände bis zur Friedrich-Alfred-Straße entstehen sollen. Düster spricht von einer Investition von 70 Millionen Euro.

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Grüne Dächer, Energiesparhäuser und viel Platz für Fahrräder

Die anwesenden Rheinhauser Politiker nicken zufrieden, als die Ideen für den Standort präsentiert werden. Das neue „Quartier“ soll sich durch Vielfalt auszeichnen. Das zieht sich vom Mix der Wohnungen (klein, groß, günstig, teurer) über das Zusammenleben von Generationen (Tagespflege und Kita vis-à-vis) und gelebte Integration (Reha für Suchtkranke, Demenzwohngruppe) bis zum „Gesundheitsschwerpunkt“, der sich bei der Vermarktung der Räumlichkeiten eher zufällig ergeben hat. Das Deutsche Rote Kreuz steigt als Partner für die sozialen Komponenten des neuen Gebietes mit ein. Und dass in Zeiten des Klimawandels bei einem solchen Projekt in der Großstadt grüne Dächer, Energiesparhäuser und ausreichend Platz für Fahrräder eingeplant werden, versteht sich für den Architekten von selbst.

So könnte das Gelände an der Franz-Schubert-Straße in Duisburg-Rheinhausen nach dem Abriss des Krupp-Glaskastens aussehen.    
So könnte das Gelände an der Franz-Schubert-Straße in Duisburg-Rheinhausen nach dem Abriss des Krupp-Glaskastens aussehen.   © dd Planquadrat Architekten

Dieter Düster lobt auch die gute Anbindung an die City durch den Bahnhof Rheinhausen-Ost, dessen Sanierung ebenfalls bevorsteht. Der Projektentwickler ist überzeugt vom Erfolg des Vorhabens, das neben der Sanierung der Altbauten in drei weiteren Bauabschnitten umgesetzt werden soll. Die Bauvoranfragen für die Wohneinheiten und den Bereich mit Kita, Café und Wohngruppen sind gestellt. Sobald es dafür grünes Licht gibt, kann losgelegt werden. Der Abriss des Glaskastens könnte in den ersten Monaten des Jahres 2022 über die Bühne gehen. Und wenn alles nach Plan verläuft, wäre das Quartier 2026 komplett erneuert.

Dazu gehört in einem dritten Bauabschnitt auch noch die ehemalige Menage von Krupp, in der momentan die Aleviten ihr Gemeindezentrum haben. Sie suchen schon länger eine größere Bleibe und werden nun voraussichtlich auf einem Grundstück in der Nähe neu bauen. Das mittlerweile sehr marode Haus, in dem einst die Krupp-Frauen ihren Beitrag zum Arbeitskampf organisiert haben, würde dann ebenfalls abgerissen und durch einen Bau ersetzt, der die Architektur des Bunkers am ehemaligen Tor 1 widerspiegelt und das neue Quartier harmonisch in die Umgebung einfügt.