Duisburg-Rheinhausen. Das Kom’ma-Theater hat einen Audiowalk zur Krupp-Geschichte entwickelt: „Rheinhausen ist überall. Auf den Spuren des Stahlarbeiterkampfes“.
Sie kommen! In der Ferne tanzen die Lichter der Fackeln. Petroleumgeruch weht herüber, Gesänge werden lauter: „Völker hört die Signale.“ Das Kampflied der sozialistischen Arbeiterbewegung schwirrt vielstimmig durch die Luft, als Tausende über die Friedrich-Alfred-Straße zum Hüttengelände von Krupp ziehen. Es ist der 18. Dezember. Der Abend, an dem sich mehr als 20.000 Menschen zum „Brot und Rosen Gottesdienst“ im Walzwerk versammeln. Auf dem Höhepunkt des berühmtesten Arbeitskampfes der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Krupp-Geschichte zum Mitnehmen
Wir stehen am Tor 1 und haben das Knistern der Feuertonnen im Ohr, an denen sich die streikenden Stahlarbeiter im Winter 1987 gewärmt haben. Hier, am Werkseingang, war die größte Mahnwache des Arbeitskampfes. Rund um die Uhr besetzt, 160 Tage lang, auch Weihnachten. Posaunen erklingen und lassen diesen Duisburger Dezember lebendig werden. Ein Gänsehaut-Moment! Einer von vielen berührenden Augenblicken, die uns auf der anderthalbstündigen Reise durch Rheinhausens Kruppgeschichte begleiten.
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Den legendären Arbeitskampf gibt es jetzt als Geschichtspaket zum Mitnehmen. Das Rheinhauser Kinder- und Jugendtheater „Kom’ma“ hat einen Kultur-Spaziergang entwickelt, der die Vergangenheit hör- und fühlbar macht: „Rheinhausen ist überall. Auf den Spuren des Stahlarbeiterkampfes“ heißt der Audio-Walk. Zum ersten Mal hat sich das Kom’ma-Team an ein Format gewagt, das das Potenzial zum Pandemie-Liebling hat. Bietet er doch die Möglichkeit, das Publikum ohne große Zusammenkünfte von Menschen in eine andere Welt zu entführen.
Der Anfang vom Ende der stählernen Blütezeit
Das neue Stück Heimatkultur kann von der Homepage des Kom’ma-Theaters aufs Smartphone geladen werden. Mit Kopfhörern im Ohr geht es dann ganz individuell vom Krupp-Platz an der Margarethenstraße los. Hier, mitten in dem Viertel, wo einst das Herz des Stahlstandortes Rheinhausen schlug, nehmen uns die Theatermacher Leon Frisch und Julia Pöppich mit ihren Stimmen an die Hand. Auf dem Rasen vor dem Denkmal von Friedrich Alfred Krupp, dem Gründer des Werkes in Rheinhausen, tauchen wir ein in die Vergangenheit und spüren dem Anfang vom Ende der stählernen Blütezeit nach.
Leon Frisch und Julia Pöppich sind beide Anfang 30. Zu jung, um Deutschlands größten Arbeitskampf erlebt zu haben. Aber der Stoff hat beide so fasziniert, dass sie sich den ganzen Sommer über in das Thema hineingekniet haben. Leon Frisch ist mit der dramatischen Geschichte des Stadtteils groß geworden. Der Schauspieler und Dramaturg hat als Kind das Arbeitskampf-Stück „Die versunkene Stadt“ gesehen, das seine Mutter Renate Frisch, die Mitbegründerin des Kom’ma-Theaters, vor 20 Jahren auf die Bühne gebracht hat.
Gunter Gabriel singt für Rheinhausen
Die beiden haben großartige Arbeit geleistet! Der Audio-Walk ist eine beeindruckende Mischung aus Information, Erlebnis und Atmosphäre. Bewegt ist man während des Spaziergangs nicht nur deshalb, weil man einen Fuß vor den anderen setzt. Immer wieder sorgen die historischen Originalaufnahmen, Interviews mit Zeitzeugen und eingespielten Lieder für intensive Erlebnisse. Auch, wer musikalisch kein Freund von Gunter Gabriel ist, spürt fast schon schmerzhaft den Zeitgeist von damals, wenn er mit Gabriels Lied „Rheinhausen, du darfst nicht untergehen“ im Ohr durch die Straßen läuft.
Margarethensiedlung, ehemalige Krupp-Verwaltung, Tor 1, Logport, Brücke der Solidarität. Die Klassiker der Kruppgeschichte werden angesteuert. Das Timing ist perfekt. Frisch und Pöppich lotsen uns mit haargenauen Wegbeschreibungen durch das Stadtviertel. Während man von einer Station zur nächsten geht, ist Zeit für Geschichte und Geschichten. Und die könnte kaum jemand besser erzählen als Theo Stegmann und Ingrid Lenders. Wer schon mal mit Krupp und Rheinhausen in Berührung gekommen ist, der kennt den engagierten Gewerkschafter und die Kämpferin der Fraueninitiative.
Sie erzählen unter anderem davon, wie der steinerne Friedrich Alfred am Krupp-Platz mit Auto, Abschleppseil und Vollgas vom Sockel gerissen wurde, wie sich die Frauen zu Hunderten zum Protest formierten, wie bei der Betriebsversammlung mit Krupp-Chef Cromme die Eier flogen und die Stahlkocher die Rheinhauser Rheinquerung besetzten, die später zur Brücke der Solidarität ernannt wurde.
Belegte Brötchen von Schwietz
Viel kürzer als die tatsächlichen anderthalb Stunden kommt einem der Hörspaziergang vor. Ein Rundweg, der einen wieder verlässlich zum Ausgangspunkt zurück geleitet. Proviant kann zwischendurch übrigens bei der Bäckerei Schwietz an der Hochfelder Straße besorgt werden. Hier gibt es Gebäck mit Geschichte: Schwietz hat die streikenden Stahlarbeiter damals mit belegten Brötchen versorgt.
>>> HIER GIBT ES DEN AUDIOWALK:
Der Audio-Walk „Rheinhausen ist überall. Auf den Spuren des Stahlarbeiterkampfes“ kann auf der Homepage des Kom’ma-Theaters heruntergeladen werden: www.kommatheater.de/audiowalk-rheinhausen-ist-ueberall. Nutzbar ist die Datei auf einem Smartphone oder anderen Abspielgerät für das Format MP3.
Der Beitrag für das Hörerlebnis beträgt fünf Euro. Bezahlt wird auf Vertrauensbasis – das Geld wird nicht online abgerechnet, sondern sollte auf das Konto des Kom’ma-Theaters überwiesen werden. Alle Infos dazu stehen auf der Homepage.