Duisburg. Eine Duisburgerin hat sechs Monate nach einem schweren Corona-Verlauf viele Antikörper. Soll sie sich nun impfen lassen? Das rät ein Virologe.

Eine Duisburgerin infiziert sich mit der britischen Corona-Variante und hat – so berichtet sie der Redaktion – einen relativ heftigen Krankheitsverlauf. Über sechs Monate sei dies nun her. Die Frau gilt offiziell nicht mehr als genesen. Für Restaurant-Besuche etwa müsste sie sich nun vorher testen lassen. Schnelltests, sogenannte Bürgertests, sind aber nur noch bis 11. Oktober kostenfrei; PCR-Tests, wie sie etwa für Clubs benötigt werden, sind schon jetzt zu bezahlen. Sollte die Frau sich also impfen lassen? Nun hat die Duisburgerin, wie sie sagt, nachweislich immer noch einen hohen Antikörperwert. Sie sei deshalb unsicher – und ihr Hausarzt ratlos.

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Mit ihren Ängsten ist die Frau nicht allein, berichtet Prof. Ulf Dittmer, Leiter der Virologie am Uniklinikum Essen. „Ich kenne viele solcher Fälle. Es ist in der Tat ein Dilemma, denn eigentlich ist es nicht sinnvoll, sich bei hohen Antikörpertitern impfen zu lassen“, sagt Dittmer. „Wir haben gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen unser Partner-Uni in Wuhan Menschen untersucht, die als erste weltweit die Infektion durchgemacht haben. Und mit Ausnahme von Älteren wissen wir mittlerweile, dass bei vielen die Immunantwort bis zu neun Monate stabil ist und dann erst deutlich abnimmt.“

Dittmer zu Israel-Studie: Genesene stecken sich bis zu neun Monate nach Infektion fast nie ein zweites Mal an

Eine weitere Studie aus Israel besagt laut Dittmer zudem, „dass sich Genesene bis zu neun Monate nach der Infektion fast nie ein zweites Mal anstecken und mindestens so gut geschützt wie Geimpfte sind“.

Es gebe allerdings keine Hinweise darauf, dass Booster-Impfungen an sich für Genesene mit hohen Antikörperwerten gesundheitsschädlich sind. „So etwas hat es sicher schon millionenfach gegeben, ohne dass Menschen wussten, dass sie noch sehr viele Antikörper haben. Solche Tests macht ja nicht jeder“, gibt der Top-Virologe zu bedenken.

Mögliches Problem bei Booster-Impfungen für Genesene mit hohem Antikörperwert

Problematisch könnten Booster-Impfungen hier aber aus dem Grund sein, dass sie schlicht zum falschen Zeitpunkt kommen, sagt Dittmer.

Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass sie in diesen Fällen nicht für den gewünschten Effekt eines längeren Schutzes vor einer Corona-Infektion sorgen. Der Virologe sieht hier die Gefahr, dass sich die Zahl der Antikörper durch eine Impfung nicht erhöht, sondern womöglich stagniert.

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Dies betrifft auch jene Menschen, die erst durch einen Antikörper-Test überhaupt erfahren haben, dass sie sich in der Vergangenheit mit Corona infiziert haben. Weil diese aber logischerweise keinen positiven PCR-Test vorweisen können, gelten sie nach den aktuell gültigen Bestimmungen trotzdem nicht als Genesene. Dies soll nach den jüngsten Ankündigungen des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn zwar auch so bleiben. Die Betroffenen sollen sich laut Spahn aber in diesen Fällen künftig nicht mehr zweimal – wie bisher –, sondern ebenfalls nur noch einmal impfen lassen müssen, um als vollständig immunisiert anerkannt zu werden.

Zwar gibt es laut Dittmer ebenfalls keine Hinweise darauf, dass zwei Impfdosen selbst bei hohen Antikörperwerten gesundheitsschädlich sind. Der Virologe betont aber noch einmal: „Diese Leute bräuchten erst einmal gar keine Impfung und wenn, dann eben nur eine.“

Virologe plädiert für mehr Antikörper-Tests vor Impfungen

In anderen Ländern, fast überall in Asien, so Dittmer, gelte der Nachweis von Antikörpern gleichzeitig als Genesenen-Nachweis. „Das ist fachlich richtig. Wir müssen zumindest viel mehr als bisher Antikörper-Tests vor Impfungen machen, uns diesbezüglich deutlich breiter aufstellen“, so der Virologe.

Die Gefahr sei sonst groß, „dass wir aufgrund von starren Regeln zum falschen Zeitpunkt impfen“, sagt der Virologe. „Womöglich sind Booster-Impfungen für Genesene eben nicht schon nach sechs, sondern erst nach neun Monaten sinnvoll.“

Gesellschaft für Virologie will sich positionieren

Die Gesellschaft für Virologie – Dittmer ist dort Vize-Präsident – werde sich in Kürze dazu positionieren. Ein entsprechendes Papier sei in Vorbereitung, das auch der Politik als Diskussionsgrundlage dienen soll. Er wisse zudem, dass sich die Ständige Impfkommission (Stiko) ebenfalls mit dem Thema befasse.

Bei anderen (Auffrischungs-) Impfungen, wie zum Beispiel bei Hepatitis B, sei es völlig üblich, vorher auf Antikörper zu testen, sagt Dittmer. „Bei Corona gibt es allerdings das Problem, dass wir nicht genau wissen, ab welchem Wert ein Schutz noch vorhanden ist. Dies liegt auch an den immer wieder neuen Varianten, die auftauchen. Klar ist, dass die meisten Menschen nach einer Zweitimpfung einen sehr hohen Antikörperwert haben und zum Beispiel vor Delta sehr gut geschützt sind. Da reden wir über Werte von über 2000 internationalen Units und noch mehr.“

Es gebe aber eben auch den „Graubereich“, wo eine Aussage über den Schutz unmöglich wird. Dieser liege bei einem Antikörper-Wert um 100. „Da wird es dann schwierig“, so Dittmer. „In solchen Fällen ist womöglich eine rasche Booster-Impfung ratsam.“

>> BOOSTER-IMPFUNGEN: DITTMER ÜBER DIE BESTEN IMMUNANTWORTEN

  • Die besten Immunantworten – verbunden mit dem besten Schutz vor Corona – sind laut Dittmer bei Genesenen nach einer Booster-Impfung mit einem mRNA-Vakzin (Biontech oder Moderna) festgestellt worden.
  • Direkt danach kommen nach Angaben des Virologen Menschen, die nach einer Vollimmunisierung mit einem Vektor-Impfstoff (Astrazeneca oder Johnson & Johnson) eine Auffrischungsimpfung mit Biontech oder Moderna erhalten haben.
  • Hier sei der Zeitpunkt aber besonders wichtig. Im Gegensatz zu Astrazeneca empfiehlt der Virologe eine solche Booster-Impfung bei dem Einmal-Vakzin von Johnson & Johnson nicht erst nach sechs, sondern bereits nach drei Monaten. Der Grund: „Einige wenige vollständig Geimpfte, die nach Impfdurchbrüchen und einem schweren Krankheitsverlauf auf Intensivstationen liegen, wurden mit Johnson & Johnson geimpft“, so Dittmer.
  • Nach einer Vollimmunisierung mit einem mRNA-Impfstoff rät Dittmer dazu, auch die Auffrischungsimpfung entsprechend mit Biontech oder Moderna vorzunehmen. Hier gebe es ebenfalls sehr gute Immunantworten.