Duisburg. Schon weit vor der Wintersaison landen Kinder mit RS-Virus-Infektionen in der Kinderklinik in Duisburg. Manche mit Doppelinfektion: Corona.

In der Kinderklinik in Duisburg-Hamborn sind jetzt erste Fälle von Doppelinfektionen aufgetaucht: Kleinkinder, die zugleich coronapositiv sind und an der eigentlich im Winter typischen RS-Virus-Infektion erkrankt sind und an einem schweren Verlauf der Erkältungskrankheit leiden.

Dr. Peter Seiffert ist überrascht vom extrem frühen Beginn der Saison mit den Erkältungsviren, gegen die kein Kraut gewachsen ist. Der Leiter der Kinderklinik im Helios-Krankenhaus St. Johannes in Duisburg-Hamborn sagt, dass Kinder mit RS-Infekt normalerweise frühestens ab November kommen, „die Saison startet außergewöhnlich früh“.

„Gruselige Röntgenbilder“ bei Kindern mit Doppelinfektion

Die Röntgenbilder der betroffenen Kinder nennt der Experte „gruselig“, sie zeigen „eine dicke Lungenentzündung“, auch das Rippenfell ist betroffen. Die kleinen Patienten seien von Fieber und Husten, Appetitlosigkeit und Atemnot geplagt.

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Vorsorglich werde bei den Kindern die Blutgerinnung gedämpft, um Durchblutungsstörungen zu vermeiden. Bei RS und der durch das Coronavirus erzeugten Lungenkrankheit Covid-19 könne man nur die Symptome behandeln und zusätzlich etwa mit Inhalation, Atemphysiotherapie sowie der Gabe von warmer, angefeuchteter Luft das Atmen erleichtern.

Chefarzt Dr. Peter Seiffert kann die Zahl der kleinen Patienten in der Kinderklinik in Duisburg-Hamborn bislang noch bewältigen.
Chefarzt Dr. Peter Seiffert kann die Zahl der kleinen Patienten in der Kinderklinik in Duisburg-Hamborn bislang noch bewältigen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Doppelinfektion mit RS und Corona belastet Kinder

Durch die Doppelinfektion sind die Kinder auf mehreren Ebenen belastet: Während der RS-Infekt vor allem die Bronchien verstopft, geht die Coronainfektion eher auf die Gefäße und verursacht Thrombosen, erklärt Seiffert. Derart angeschlagen seien die Patienten anfälliger für bakterielle Infekte, die eine Superinfektion auslösen könnten.

„Wir merken in jeder Hinsicht, dass die Kitas und Schulen wieder auf haben“, sagt Seiffert. Wöchentlich kommen seit August zwischen drei und fünf coronapositive Kinder mit starken Symptomen in seine Klinik. Viele Mütter und Säuglinge seien betroffen, viele von ihnen mit Schul- oder Kita-Kindern in der Familie. „Die Infektionszahlen gehen seit Ende der Ferien im Zusammenhang mit der Delta-Variante wieder eindeutig nach oben.“

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Von Annette Kalscheur und Martin Schroers

„Jeder kriegt das“, sagt Dr. Peter Seiffert

Dass Kinder im letzten Winter nicht so stark betroffen waren, ist in seinen Augen ganz logisch: „Es ging um eine andere, nicht so ansteckende Variante, und es galt der Lockdown“. Jetzt stoße die Delta-Variante, die so ansteckend wie die Grippe sei, auf eine „völlig ungeschützte Population“. Auch das RS-Virus habe im letzten Winter pausiert und eine Generation ausgelassen, „jetzt wird es nachgeholt, jeder kriegt das“, betont Seiffert.

Die gute Nachricht sei, dass die meisten leichte Verläufe haben und die Kinderklinik den Zulauf bislang gut bewältigen kann.

Kinder mit PIMS behandelt

In der letzten Welle hat Seiffert vier Kinder behandelt, die von PIMS betroffen waren, de „Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome“. Das Syndrom tritt selten auf, betrifft Patienten, die eine Covid-Infektion hatten und deren Körper zeitverzögert reagiert, dann aber mit einem Amok laufenden Immunsystem.

Die vier kleinen Patienten in Hamborn waren lange auf der Intensivstation, überlebten. Eines wird mit den Folgen aber sein Leben lang konfrontiert sein. Der kleine Junge litt an thrombotischen Verschlüssen an den Beinen. „Er ist ein fröhliches Kind“, sagt Seiffert, „aber er trägt Stützstrümpfe wie ein alter Mann“.

Kinderarzt plädiert für die Impfung ab 12 Jahren

„Aus meiner Sicht sind die Erwachsenen in der Verantwortung, Impfen ist das Wichtigste“, betont Seiffert, auch Schwangeren ab dem vierten Monat oder Stillenden empfiehlt er den Schutz. Das erhöhe den Nestschutz für das Kind.

Seiffert plädiert dafür, Kinder ab 12 Jahren zu impfen, das sei guten Gewissens möglich, und in wenigen Monaten könnten Kinder ab 5 oder 6 Jahren folgen.

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Bis aber auch die Kleinsten geimpft werden können, sei nun die ältere Generation gefragt. „Die Jungen haben ihren Beitrag bereits geleistet“, betont der Kinderarzt. Für sie müssten die Präsenzangebote nun aber unbedingt aufrecht erhalten werden. Für die vielen Entwicklungsschritte, die ein Dreijähriger in einem Jahr durchläuft, sei es wichtig, Sozialkontakte zu pflegen, „das ist bei einem 60-Jährigen anders“. Der lange Lockdown sei ein massiver Einschnitt gewesen.

Was sagt er Impfverweigerern? „Ich würde ihnen Ignoranz vorwerfen, das ist eine Art von Schmarotzertum“, findet Seiffert deutliche Worte. In der Kinderklinik seien die Ärzte und Schwestern zu 100 Prozent geimpft, Ausnahmen gebe es nur vereinzelt in den kinderfernen Bereichen und habe weltanschauliche Gründe. „Ein paar Ignoranten kann man verkraften.“

>>DAS RS-VIRUS

  • Laut Robert-Koch-Institut ist das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) weltweit verbreitet. Es tritt zyklisch auf, in Mitteleuropa meist von November bis April.
  • Eine Impfung für die breite Masse ist bislang nicht möglich. Frühchen und Kleinstkinder mit Herzfehler werden im ersten Lebensjahr regelmäßig mit Immunglobulinen geschützt.