Duisburg-Kaßlerfeld. Kaßlerfeld ist besser als sein Ruf. Nicht nur, weil hier Duisburgs beliebtestes Fotomotiv steht. Einiges hat sich verändert. Der Stadtteil-Check.

Nah am Wasser, eine Viertelstunde zu Fuß zur Innenstadt: In Hamburg wäre das eine Eins-A-Lage und für die meisten unbezahlbar. In Kaßlerfeld – gelegen an Rhein und Ruhr und über die Schwanentorbücke an die City angebunden – gibt’s preisgünstigen Wohnraum. Denn Kaßlerfeld zählt nicht zu den attraktiven Stadtteilen in Duisburg. Zu Unrecht, wie Sascha Westerhoven meint.

Klar, es gibt Industrie- und Gewerbegebiete hier. Und ebenso den Großmarkt – wobei der mittlerweile als Pluspunkt im Stadtteil bewertet wird, seitdem der Anlieferverkehr aus den Wohngebieten rausgezogen wurde: Wohl nirgendwo in Duisburg bekommt man frischeren Fisch. Denn bei Wilken und auch noch bei einigen anderen Großhändlern dürfen auch Privatleute einkaufen.

Der Innenhafen gehört zum Teil zu Kaßlerfeld - das gastronomische Angebot ist also top

Außerdem steht eins der beliebtesten Duisburger Fotomotive auf Kaßlerfelder Boden: Rheinorange, die Skulptur am Zusammenfluss von Rhein und Ruhr, so eine Art Deutsches Eck von Duisburg. Die prägnante Landmarke fehlt in keinem Reiseführer, zumal auch der Ruhrtalradweg hier endet.

Und außerdem gehört die Hälfte des Innenhafens zu Kaßlerfeld. „Allerdings nehmen viele Leute den Innenhafen nicht als Kaßlerfeld wahr“, weiß Sascha Westerhoven. Was erklärt, warum die 63 Kaßlerfelder, die am Stadtteilcheck dieser Zeitung teilgenommen haben, das gastronomische Angebot nur mit ausreichend, bewerten. Die meisten der Befragten haben wohl vor allem im Blick, dass von den ehemals 13 Kneipen im Stadtteilzentrum gerade mal zwei übrig geblieben sind.

Rheinorange. Die Skulptur am Zusammenfluss von Rhein und Ruhr ist ein echter Hingucker. Sie steht auf Kaßlerfelder Boden.
Rheinorange. Die Skulptur am Zusammenfluss von Rhein und Ruhr ist ein echter Hingucker. Sie steht auf Kaßlerfelder Boden. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Kaßlerfeld ist viel besser als sein Ruf. Das ist schon lange das Credo von Westerhoven, Ur-Einwohner in dritter Generation: „Ich möchte nirgendwo anders wohnen. Der Stadtteil hat viel zu bieten“. Von seiner Wohnung geht er abends noch mal schnell zum Rhein oder auf ein Bier im Innenhafen oder in der Altstadt, „alles ohne Auto erreichbar“.

Junge Familien suchen hier nach Häusern

Zwar leidet der Stadtteil gerade massiv unter den Großbaustellen. „Aber grundsätzlich hat sich in den letzten Jahren vieles positiv entwickelt“, weiß Westerhoven, Vorsitzender des Bürgervereins Kaßlerfeld-Neuenkamp. Er nennt Verkehrsberuhigung, Einkaufsmöglichkeiten und Grünflächen. Auch in Sachen Wohnen hat sich einiges getan. Das sanierte Wohngebiet Grüne Mitte ist gefragt, ebenso die Einfamilienhäuser in der Stupperich- oder Wrangelstraße.

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Junge Familien suchen nach ähnlichen Projekten im Stadtteil. „Ich werde immer wieder darauf angesprochen. Aber Neubaugebiete sind erst mal nicht geplant“, so Westerhoven. Es bleibt also vorläufig bei knapp 4000 Kaßlerfeldern, eine Mischung aus Alteingesessenen, Migranten aus verschiedenen Ländern und den Bewohnern des großen Studentenwohnheims an der Ruhrorter Straße.

In einer Viertelstunde ist man bei den Fachärzten in der Duisburger Innenstadt

Die medizinische Versorgung wurde von den Befragten als schlecht bewertet, sie gaben nur die Note 3,8, also ausreichend. Zu Unrecht, meint Westerhoven: „Klar, im Stadtteil gibt es nur eine Hausärztin und kein Krankenhaus. Aber in einer Viertelstunde sind Sie in der Stadtmitte, und da hat man alle Fachärzte, die man braucht“. Der große Vorteil Kaßlerfelds sei schließlich die zentrale Lage.

Über die Schwanentorbrücke ist Kaßlerfeld mit Duisburg-Mitte verbunden. Die zentrale Lage des Stadtteils ist einer der großen Pluspunkte.
Über die Schwanentorbrücke ist Kaßlerfeld mit Duisburg-Mitte verbunden. Die zentrale Lage des Stadtteils ist einer der großen Pluspunkte. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Das gilt seiner Meinung nach für alle Bereiche des täglichen Lebens. Zum Beispiel auch beim Einkaufen (2,1). „In den Supermärkten im Gewerbegebiet kriegt man alles, was man braucht“. Wer mit dem Auto fahre, finde zuverlässig einen Parkplatz dort und auch von den Wohngebieten seien die Geschäfte gut zu erreichen. Und wer sein Fleisch beim Metzger kaufen will, versorge sich eben in der Innenstadt.

Nach der Schließung des DRK-Senioren-Treffs vermissen Ältere einen Treffpunkt

Die Note für den Nahverkehr liegt mit 2,2 deutlich über dem Durchschnitt (3,1). „Da gibt’s nicht zu meckern. Es fahren Bus und Straßenbahn. Und bis zum Hauptbahnhof sind es drei Haltestellen, von da kommt man überall hin. Die Radwege an den Hauptverkehrsstraßen bewertet Westerhoven auch als gut. Nur am Knotenpunkt Kaßlerfelder Kreisel sei es wegen der Baustelle derzeit gefährlich für Radfahrer.

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Ein Problem sind in seinen Augen fehlenden Angebote für Kinder und Jugendliche und für Senioren. Es gibt weder ein Jugendheim und neuerdings, nach der Schließung des DRK-Senioren-Treffs, auch keinen Treffpunkt für ältere Menschen mehr. Verständlich, dass die Benotung der Angebote für Senioren (3,3) und Kinder (3,2) schlecht ausfällt. „Da fehlt ganz klar was“, so Westerhoven.

Kaum Vereine und keine Kirchengemeinde: Angebote für Kinder und Jugendliche fehlen

Kinder und Jugendliche seien auf sich allein gestellt. Die Streetworker wurden abgezogen. Außer Tischtennis gibt’s kaum Sportmöglichkeiten. Der Fußballverein KBC ist dabei, sich aufzulösen, nachdem die Fusion mit den Neuenkampern gescheitert ist. Und die Kirchengemeinden haben auch nichts zu bieten. Sowohl die evangelische und als auch die katholische Kirche wurden abgerissen.

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Einige Jugendliche treffen sich auf dem Bolzplatz an der Wrangelstraße. Öfter beschweren sich Anwohner, weil’s zu laut wird. Ansonsten ist das Double Touch, Auf der Höhe, ein Treffpunkt. Hier kann man Billard, Air-Hockey, Snooker und anderes spielen, allerdings gegen Bezahlung. Wenigstens gibt es Kita und Grundschule im Stadtteil.

Für die meisten ist Kaßlerfeld ein weißer Fleck auf dem Weg zwischen Ruhrort und Stadtmitte

Thema Sicherheit, die überdurchschnittlich schlecht, mit Note 3,1 bewertet wurde: „Ich habe nie ein schlechtes Gefühl, wenn ich abends durch Kasslerfeld gehe“, sagt Westerhoven. Er glaubt, dass sich niemand ernsthaft Sorgen machen muss: „Dunkle Ecken, etwa wenn man quer über den Gablenzplatz läuft, kann man ja meiden. Die Straßenseite ist beleuchtet.“

Was muss besser werden? Sascha Westerhoven meint: „Die Straßen. Die sind zum Teil in schlechtem Zustand.“ Außerdem nehme die Verkehrsbelastung immer mehr zu.

Fazit: Kaßlerfeld ist in den Augen von Westerhoven ein attraktiver Stadtteil. Warum haben das viele in Duisburg noch nicht mitgekriegt? „Kaßlerfeld wird meist nur als Durchgangs-Stadtteil zwischen City und Ruhrort wahrgenommen. Die meisten wissen gar nicht nicht, wie schön es sich links und rechts der Ruhrorter Straße leben lässt“, weshalb der Vorsitzende des Bürgervereins dazu ermuntert, einfach mal in Kaßlerfeld auszusteigen und sich umzuschauen.

>> DEN GROSSMARKT GIBT ES SEIT 1927

• Ursprünglich war Kaßlerfeld Weidegebiet. Die ersten Häuser wurden im 18. Jahrhundert dort gebaut. Die meisten Bewohner lebten damals von der Landwirtschaft und Schifffahrt.

• Später entstanden auf dem Gebiet Ziegeleien und Werften, 1824 eröffnete Friedrich Wilhelm Curtius an der Ruhrmündung eine Schwefelsäurefabrik. 1927 entstand in Kaßlerfeld der Duisburger Großmarkt.

• Der Stadtteil-Check ist eine Umfrage aus dem Jahr 2020, die vor der Corona-Pandemie durchgeführt wurde. Die Ergebnisse wertet die Redaktion seither mit Einwohnern, nach und nach, für alle 46 Duisburger Stadtteile aus.