Duisburg. Ende August verlässt Dr. Herbert Eichelkraut die HKM. So blickt der Duisburger Stahlmanager zurück auf eine Karriere, die von Krisen geprägt war.

Seinen Abschied zu feiern, das werde für Dr. Herbert Eichelkraut schwer, scherzte unlängst einer, der ihn gut kennt. „Es gibt doch kaum einen Saal, in dem alle Platz finden würden, die er kennt.“ Der wohl erfahrenste Manager in der Duisburger Stahlindustrie scheidet Ende August nach Erreichen der Altersgrenze als technischer Geschäftsführer der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann aus.

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Seine Zeit auf der Hütte im Duisburger Süden gemütlich ausklingen lassen, das ist nicht die Sache des 65-Jährigen. Nur ein paar Tage Urlaub, ansonsten bleiben die Termin bis zur Übergabe an seinen Nachfolger Dennis Grimm eng getaktet. Eine knappe Stunde bleibt, um auf eine lange Karriere zwischen Brammen und Blechen zu blicken, deshalb hat er die Schlagzeile schonmal ausgedacht: „Von Krise zu Krise“. Durchaus passend – aber dazu später mehr.

Entscheidung für die Stahlindustrie durch eine Schlüsselerlebnis in der Jugend

Stuttgart ist seine Geburtsstadt, doch bald siedelte die Familie nach Brüggen an den Niederrhein um. Mitgebracht hat er aus dem Schwabenland die familiäre Vorbelastung: „Die ganze Familie war im Autobau tätig, ich bin der einzige Zulieferer.“ Die Entscheidung, an der TU Clausthal und der RWTH Aachen Metallkunde und Metallphysik zu studieren, reifte bei einem Schlüsselerlebnis. Mit seinem Vater besuchte er die Hüttenwerke Krupp-Mannesmann und deren Siemens-Martin-Werk. „Ich war fasziniert“, erinnert er. 1972 war das, 35 Jahre später sollte er als Geschäftsführer an die Ehinger Straße zurückkehren.

Nach der Promotion in Aachen begann seine Karriere bei Thyssenkrupp im Bereich Feinblech und Beschichtung in Beeckerwerth, 2008 folgte dann der erste Wechsel zur HKM, wo er die Nachfolge von Dr. Wolf Lanzer antrat. Es ließ sich gut, erinnert Eickelkraut. „Wir waren auf Rekordkurs. Dann kam die Finanzkrise.“ Plötzlich waren die Auftragsbücher leer, die Geschäftsführer als Krisenmanager gefragt. Sie verhandelten mit den Gesellschaftern eine vorgezogene Neuzustellung des Hochofens A, mit den Betriebsräten eine Verkürzung der Arbeitszeit während der Produktionsdrosselung. Als der Ofen wieder angeblasen wurde, war das Gröbste überstanden.

Gefragter Ansprechpartner für die Politik: Dr. Herbert Eichelkraut mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die im Mai die Hüttenwerke Krupp-Mannesmann besuchte.
Gefragter Ansprechpartner für die Politik: Dr. Herbert Eichelkraut mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die im Mai die Hüttenwerke Krupp-Mannesmann besuchte. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Aufgabe als Krisenmanager in Brasilien war eine einmalige Chance

Herbert Eichelkraut muss Eindruck hinterlassen haben bei HKM-Hauptgesellschafter Thyssenkrupp. Denn als es 2010 galt, das kriselnde Brasilien-Projekt zu retten, tauschte er in einer Blitzaktion den Rhein gegen Rio. „Ziemlich plötzlich“ sei das damals gegangen, aber nicht gegen seinen Willen, wie er betont. „So ein Werk in Betrieb zu nehmen, das ist eine spannende Sache. So eine Gelegenheit bekommst du im Leben nur einmal.“

Er blieb zwei Jahre, bis der Betrieb lief, rückte 2012 als Vorstand Technik bei der Thyssenkrupp Steel Europe auf. Gut vier Jahre später folgte die Rückkehr zur HKM, als sein Nachfolger Dr. Rolf Höffken dort in den Ruhestand ging. „Die Wege sind hier kürzer. Das spielt eine Rolle in der Zusammenarbeit“, sagt er über die Unterschiede zwischen beiden Aufgaben.

Nähe, Zusammenhalt und kurze Wege bei der HKM

Nähe und Zusammenhalt hat Herbert Eichelkraut bei der HKM stets geschätzt und gefördert, seine Autorität beruht auf Kompetenz, benötigt keine Distanz. Das half, besonders wenn es in Krisen unangenehme Entscheidungen durchzusetzen galt. Das gelang, wie zuletzt bei der Kurzarbeit in der Corona-Krise, immer im Schulterschluss mit dem Betriebsrat: Unterschiedliche Rollen, ein gemeinsames Interesse: das Beste für die Hütte und die Beschäftigten zu erreichen.

Sein gutes Verhältnis zu den Arbeitnehmervertretern sollte gerade in der speziellen Konstellation der HKM förderlich sein – auch in den Verhandlungen um Investitionen mit den Gesellschaftern hatten beide oft gleiche Ziele. Die hohe Identifikation der Belegschaft sei von hohem Wert für die HKM, betont er. „Ein Unternehmen lebt von Wissen, Talent und Erfahrung der Mitarbeiter. Wenn die Einsatzbereitschaft nicht vorhanden ist, gibt es keinen Erfolg.“ Die Herausforderungen in der Pandemie seien auch deshalb wesentlich komplexer gewesen als die Finanzkrise: „Hier wird immer viel zusammen gemacht. Plötzlich war Abstand aber Fürsorge.“

Die Nachfolge von Dr. Herbert Eichelkraut tritt am 1. September Dennis Grimm an. Er kam 2019 als Leiter der Kokerei zur HKM, beide kannten sich da bereits aus der gemeinsamen Zeit in Brasilien.
Die Nachfolge von Dr. Herbert Eichelkraut tritt am 1. September Dennis Grimm an. Er kam 2019 als Leiter der Kokerei zur HKM, beide kannten sich da bereits aus der gemeinsamen Zeit in Brasilien. © Kerstin Bögeholz / FFS

Abschied am Beginn einer neuen Ära in der Stahlindustrie

Auf die Erfahrung von Mitarbeiter Eichelkraut kann die Hütte nun nicht mehr zählen. Die Corona-Krise ist bewältigt, die Stahlkonjunktur brummt wieder, früher und stärker als er das erwartet hat. Der Boom hilft auf dem Weg in den Transformationsprozess zur grünen Stahlproduktion. Das Wasserstoff-Forschungszentrum, das nun auf der Hütte entsteht, hat er mit auf den Weg gebracht. Die weitere Entwicklung nicht mehr verantwortlich begleiten zu dürfen, bedaure er nicht, sagt Eichelkraut. „Die Erfahrung wächst, nicht die Belastungsfähigkeit. Neue Fragen sind nicht immer mit alten Ansätzen zu lösen.“

>>PLÄNE FÜR DIE ZEIT DANACH: ERSTMAL URLAUB MACHEN

  • Zweifel sind angebracht, dass Dr. Herbert Eichelkraut künftig die Stahlindustrie nur noch aus dem heimischen Garten beobachten wird. „Erstmal Urlaub“, antwortet er auf die Frage, was er ab dem 1. September macht.
  • Dass der Mann des Stahls sich nach der letzten Schicht bei der Hüttenwerken Krupp-Mannesmann noch nicht der Rosenzucht zuwenden wird, hält mancher der ihn kennt, für sehr wahrscheinlich.