Duisburg. Die Stadt fährt Schüler mit Bussen ins Impfzentrum statt in den Schulen zu impfen. Das sei kein vertraulicher Rahmen, findet das Ministerium.

Seit Montag bringen Shuttle-Busse in Duisburg Schülerinnen und Schüler ab zwölf Jahren zum Impfzentrum im Theater am Marientor (TaM), damit diese sich dort eine Spritze gegen Covid-19 abholen können. Schulamt, Feuerwehr und DVG organisieren wie berichtet für 55 weiterführende Schulen jeweils mehrere Hin- und Rückfahrten, nachdem die Landesregierung das Impfangebot für 12- bis 17-Jährige ausgeweitet hatte. Da die Stadt jedoch nicht „aufsuchend“ in den Schulen impft, will das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium nicht die Kosten für den Pendelverkehr von Schulen zum Impfzentrum übernehmen.

Das hatte vorigen Freitag Abteilungsleiter Gerhard Hermann aus dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) Vertretern der Kommunen bei einer Konferenz des Städte- und Gemeindebundes NRW gesagt.

Schulimpfungen: Land NRW erstattet „konzertierte“ Fahrangebote nicht

Das ärgert Duisburgs Stadtdirektor, Kämmerer und Krisenstabsleiter Martin Murrack: „Wir liefern, und das Land lässt uns im Regen stehen. Das Geld müssen wir später mühsam abstottern.“ Für den Pendelverkehr erhalte die DVG von der Stadt etwa 27.000 Euro – es sei vor dem Hintergrund der immensen Ausgaben in der Pandemie „geradezu lächerlich, dass das Land das nicht zahlt“.

Ein MAGS-Sprecher bestätigt auf Anfrage unserer Redaktion: Das Land werde Kosten für die Busfahrten nicht übernehmen. Finanzielle Gründe führt er nicht an. Das Ministerium argumentiert stattdessen, durch die Busfahrten könnten Schüler unter Druck geraten:

„Die Entscheidung für eine Impfung ist eine sehr persönliche und beruht auf Freiwilligkeit. Den hierfür erforderlichen vertraulichen Rahmen sehen wir durch den Einsatz von Shuttle-Bussen nicht gewährleistet. Diese Situation könnte, vor allem angesichts des Alters, Druck auf die Kinder und Jugendlichen ausüben, den es zu vermeiden gilt. Aus diesem Grund hat das MAGS entschieden, dass konzertierte Fahrangebote durch das Land nicht erstattet werden.“

Im Umkehrschluss bedeutet dies: Nach Auffassung des MAGS ist die Freiwilligkeit weniger gefährdet – der befürchtete Druck geringer –, wenn die Jugendlichen in den Schulen geimpft werden. Zur Erinnerung: Nachdem die Ständige Impfkommission (Stiko) Mitte August auch die Impfung aller Zwölf- bis 16-Jährigen empfohlen hatte, bestimmten MAGS und Schulministerium für NRW: Städte und Kreise sollen die Impfangebote über die Impfzentren organisieren. „Dabei können – analog zum Vorgehen bei den Berufskollegs – in Abstimmung mit den jeweiligen Schulträgern und der Schulleitung auch sogenannte aufsuchende, also mobile, Impfangebote an oder in den Schulen geschaffen werden“, erklärte das MAGS damals.

Murrack betrachtet hohe Auslastung der Busse als Bestätigung

Den Duisburger Shuttle-Service stuft Martin Murrack als geradezu alternativlos ein. Mit der Stiko-Empfehlung sei die Zahl der potenziell zu impfenden Schüler in Duisburg auf rund 52.000 gestiegen. Darum habe die Stadt auch den anfänglichen Plan verworfen, mobile Impfteams in die Berufskollegs zu entsenden: „Ein so gigantisch aufwendiges Prozedere an 55 Schulen konnten wir organisatorisch nicht bis Ende September umsetzen.“

Die ersten beiden Tage hätten zudem belegt, dass die Schüler das Angebot und die Busse bereitwillig nutzten: „Die Busse sind voll.“ Am Dienstag zählte das Impfzentrum demnach bis 14.30 Uhr bereits 430 junge Impflinge. „Über 90 Prozent“, sagt Murrack, „sind auch in den Shuttle-Bussen zum TaM gekommen“, die anderen mit Bus, Bahn oder Auto.

„Dass das Land die Freiwilligkeit der Impfung in Frage stellt, ist ehrlich gesagt ein Beleg dafür, dass man sich dort weit von der Realität vor Ort entfernt hat“, kommentiert Stadtsprecherin Anja Kopka die Antwort des Ministeriums. Das Infektionsgeschehen an den Schulen sei „so turbulent wie zu keiner Phase der Pandemie – hier gibt es eindeutig den Bedarf für praktikable Impfangebote“. Auch in Duisburg sei schließlich die Zustimmung der Eltern erforderlich, gebe es eine Impfberatung durch Kinderärzte. „Viele Eltern haben einfach nicht die Zeit oder die Möglichkeit, ihre Kinder zum Impfen zu bringen, und die Städte schaffen es logistisch nicht, allen Schulen ein Impfangebot vor Ort zu machen“, sagt Kopka. Und versichert: „Wir zwingen keinen dazu, in den Bus zu steigen und sich impfen zu lassen.“

So machen es andere Städte

Die Großstädte gehen bei ihren Schulimpfungen unterschiedlich vor, einige impfen erst Teenager ab 16 Jahren beziehungsweise nur Oberstufen- und Berufsschüler. Diese Kommunen reduzieren so auch die Gesamtzahl der Schüler, die sie bis Ende September impfen. Dann schließt bekanntlich das Land alle Impfzentren in NRW. Drei Beispiele ohne Shuttle-Busse:

• Die Stadt Essen impft nur ältere Schüler – Berufsschüler und Oberstufenschüler, also Gymnasiasten und Gesamtschüler ab der zehnten Klasse. Mobile Impfteams suchen dazu die Schulen auf, auch die Berufskollegs.

• Das Angebot der Stadt Gelsenkirchen richtet sich erst an Schüler ab 16 Jahren. Der Impfbus steuert dazu die Schulen an. Für Berufsschüler gibt’s einen Extra-Termin im Impfzentrum.

• Zu den Impfungen der Stadt Düsseldorf dürfen sich dagegen wie in Duisburg alle Schüler ab 12 Jahren anmelden. Die Impfungen werden an zehn im Stadtgebiet verteilten Schulen von 11 bis 18 Uhr durchgeführt. So haben Eltern und Schüler die Wahl: Sie können sich dort während des Unterrichts oder danach impfen lassen, Jüngere nachmittags so auch in Begleitung ihrer Eltern. Für die Immunisierungen an den zehn „Impfschulen“ bekommen alle anderen Schulen für ihre Impfwilligen feste Zeitfenster zugewiesen. Den Transport organisieren die Schulen dann jeweils selbst, mitunter ist es nur ein Spaziergang. Förderschulen und Berufskollegs steuert ein Impfmobil direkt an.

Bochum ist hingegen eines der Bus-Beispiele: Die Stadt setzt Shuttle-Busse für die Hin- und Rückfahrt von Berufsschülern ein. Wie Duisburg will übrigens auch Berlin alle impfwilligen Schüler ab 12 Jahren mit Shuttle-Bussen zu Impfzentren transportieren. In der Bundeshauptstadt äußerten Schüler- und Schulverbände darum ebenfalls bereits die Sorge, dass durch den Shuttle-Service Druck auf all jene Jugendlichen ausgeübt werde, die sich (noch) nicht impfen lassen wollen.