Duisburg. Der Christopher Street Day in Duisburg war wegen Corona abgespeckt. Dennoch demonstrieren 800 meist junge Teilnehmer. Was ihre Forderungen sind.

Beim diesjährigen Christopher Street Day (CSD) ging es gewohnt bunt, fröhlich und friedlich zu. Rund 800 Duisburgerinnen und Duisburger, darunter auffällig viele junge Menschen, zeigten am Samstagmittag durch ihre Teilnahme nicht nur symbolisch Flagge für Toleranz und Menschenrechte, sondern präsentierten auch stolz die Regenbogenfahne, die für diese Werte in vielfältiger Weise steht.

Beim großen Demonstrationszug durch die Innenstadt, der im vergangenen Jahr noch wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde, beherrschte jetzt erwartungsgemäß zwar die Regenbogenfarben das Bild, doch auch andere Symbole der LSBTIQ-Bewegung waren nicht zu übersehen, darunter die Trans-Flagge und die Intersex-Flagge. Da wegen Corona auf das sonst übliche Bühnenprogramm verzichtet werden musste, kam dem Marsch durch die City für die Teilnehmer eine noch größere Bedeutung als in den Vorjahren zu.

Dabei hatten auch die Corona-Hygieneregeln einen hohen Stellenwert, wie der wiederholte – und weitgehend beachtete – Aufruf der Organisatoren deutlich machte, Abstandsregeln einzuhalten und die Maskenpflicht zu beachten.

Verein „DU Gay“ fordert ein queeres Zentrum in Duisburg

Bevor sich die farbenfrohe Demonstration jedoch vom Rathaus aus, über Neudorf, auf den Weg zur Abschlusskundgebung am Stadttheater machte, hisste Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link zunächst die bunte Flagge in unmittelbarer Nähe seines Arbeitsplatzes. Er freute sich sichtlich, den Burgplatz voller friedlich demonstrierender Menschen zu sehen: „Hier bildet sich die ganze Offenheit der Stadt ab.“ Es müsse selbstverständlich werden, ließ er die LSBTIQ-Bewegung wissen, dass zu „einem bunten Leben“ auch „verschiedene Facetten von Liebe“ gehören. Link versprach den Duisburgern, „solange hier zu stehen, bis es gleiche Rechte für alle gibt“.

Das wird nach Ansicht der Organisatoren, des Vereins „DU Gay e.V.“, jedoch noch eine lange Zeit sein, erläuterte Vorstandsmitglied Christian Karus, der auf vielen Feldern noch Handlungsbedarf sah. So lautete denn auch das aktuelle CSD-Motto: „Queeres Leben braucht Platz – vor Ort und im Grundgesetz“.

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So sei in Duisburg ein queeres Zentrum mit einer Beratungsstelle und der Möglichkeit, dort Veranstaltungen durchzuführen, mehr als wünschenswert. Die anwesenden Politiker wie die Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas, die Landtagsmitglieder Sarah Philipp und Frank Börner (alle SPD) sowie die Ratsmitglieder und Bezirkspolitiker unter den Demonstranten werden die Botschaft vernommen haben.

Ohnehin sei das Vorhaben eines queeren Zentrums in anderen Ruhrgebietsstädten, so Christian Karus weiter, schon längst verwirklicht. Zwar sei man hier im Gespräch mit der Stadtverwaltung, aber „das sollte langsam mal konkreter und intensiver geführt werden“.

Enttäuschung über geringe Unterstützung durch Duisburger Handel

Dass nicht nur vorm Rathaus, sondern auch an den städtischen Masten an der Königstraße die Regenbogenfahnen im Wind wehten, freute die CSD-Organisatoren, jedoch enttäuschte sie, dass ihr Aufruf an den örtlichen Innenstadthandel, doch auch die Ladenlokale entsprechend mit bunten Fahnen auszustatten, nur auf wenig Resonanz traf. Immerhin leuchteten am Samstagabend die „Five Boats“ am Innenhafen und der Stadtwerketurm in den Regenbogenfarben.

Solche Solidaritätsbekundungen sind zwar begrüßenswert, doch die hunderten Teilnehmer des Christopher Street Days setzten sich auch für eine rechtliche Gleichstellung ein. So forderte Organisator Karus, dass auch der Artikel 3 des Grundgesetzes auf die sich mittlerweile etablierten Lebensweisen angepasst werden muss. Der Artikel, der vor Diskriminierung schützt, müsse daraufhin abgeändert werden, dass er künftig auch die sexuelle Orientierung einbezieht.

„Pervers, dekadent, Kinderschänder“ – queere Duisburger beklagen Beleidigungen und Attacken

Doch die Mitglieder der Szene erleben in Duisburg und andernorts nicht nur regelmäßig Diskriminierung, sondern werden auch bedroht und beleidigt. Beispiele dafür, etwa aus den sogenannten sozialen Medien, die gegen ihn und seine Mitstreiter gerichtet sind, machte Christian Karus öffentlich, als die Fahne am Rathaus gehisst wurde. Er zeigte sich tief entsetzt über Äußerungen im Netz, die die LSBTIQ-Szene als „pervers“, „dekadent“ und als „eine Horde von Kinderschändern“ bezeichnen. Andere Redner berichteten sogar, dass es bei Toleranz-Veranstaltungen wie dem CSD oftmals zu tätlichen Angriffen komme – wie zuletzt in Berlin. Dieser Menschenfeindlichkeit müsse man entschieden entgegentreten, rief Karus unter großem Beifall aus.

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Dies griff der Lokalpolitiker Stefan Dellwo auf und betonte, dass solche Attacken und Diskriminierungen nicht nur in Polen oder Ungarn geschehen, sondern auch in Deutschland. „Wir sind normal, und das demonstrieren wir heute“, sagte Dellwo und spielte damit auf einen Wahlslogan der AfD an, der sich auch gegen die Lebensweise von Homosexuellen und Transsexuellen richtet.

Demonstration endet genauso farbenfroh, wie sie begonnen hat

So bunt wie der Christopher Street Day in Duisburg begann, so bunt endete seine Demo auch. Die hunderten Teilnehmer ließen zum Abschluss hunderte farbenfrohe Luftballons aufsteigen, die sich, vom Wind getrieben, langsam Richtung Nordosten bewegten. Ein schöner Schlusspunkt einer friedlichen Veranstaltung für Toleranz und Menschenrechte.

>> GEDENKTAG GEGEN DISKRIMINIERUNG UND AUSGRENZUNG

● LSBTIQ ist eine Abkürzung, die zugleich lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen meint.

● Der Christopher Street Day (CSD) ist ein Gedenk- und Demonstrationstag der LSBTIQ-Bewegung. An diesem Tag wird für die Rechte dieser Gruppe sowie gegen Diskriminierung und Ausgrenzung demonstriert. Die größten CSD-Umzüge in Deutschland finden in Köln und Berlin statt.