Duisburg. Obwohl der Impfstoff noch knapp ist, fällt die Priorisierung und es impfen mehr Ärzte. Warum das einen Duisburger Hausarzt auf die Palme bringt.

Mit der Aufhebung der Priorisierung und dem Einstieg der Betriebsärzte ins Impfgeschehen wächst in den Hausarztpraxen der Unmut über die Politik. Schon die Einbeziehung der Fachärzte sei ein „Riesenfehler“ gewesen, sagt Dr. Jonny Bülthoff von der Hausarztpraxis Langestraße in Duisburg-Rheinhausen.

Obwohl die geringen Liefermengen für den Impfstoff bekannt gewesen seien, habe man das Impfen für sämtliche Fachärzte freigegeben. „Viele bestellen Impfstoff, damit wird die Schnitte pro Arzt kleiner“, macht Bülthoff die schlichte Rechnung auf. Das mache das Impfen in den Praxen unwirtschaftlich. Und es fallen Patienten, die dringend geimpft werden müssten, „durchs Raster“.

Duisburger Hausarzt: Ärger über „politische Entscheidungen“

Dass jetzt auch Hals-, Nasen-, Ohrenärzte oder Orthopäden impfen, ärgert Bülthoff. Handele es sich doch um Fachgruppen, die die Vorerkrankungen der Patienten oft kaum kennen. Diabetes? Krebs? Alzheimer? Psychische Probleme? „Völliger Wahnsinn“, nennt Bülthoff diese politische Entscheidung. „Tausend Fragen“ habe er kürzlich einem Patienten beantworten müssen, der bei einem Orthopäden geimpft worden war und mit einer Schleimbeutelentzündung in der Schulter in die Sprechstunde kam.

Auch interessant

Nach wie vor belaste die knappe Menge an Impfstoff, die obendrein immer wieder von den bestellten Dosen abweiche. So habe seine Praxis in der vergangenen Woche statt der angekündigten zehn Ampullen Astrazeneca zwei bekommen. „Der Hersteller konnte nicht liefern.“ 20 Impftermine mussten abgesagt werden.

Impfstoffmengen werden unzuverlässig geliefert

Für diese Woche sollen eine Ampulle Biontech für sechs Erstimpfungen, sechs Ampullen Johnson & Johnson und 14 Ampullen Astrazeneca geliefert werden. „Das wäre toll“, sagt Bülthoff – kann es aber noch nicht glauben. Zu oft sind Ankündigungen nicht eingelöst worden. Deswegen habe er zwischenzeitlich sogar mit dem Gedanken gespielt, das Impfen einzustellen, sei dann aber von seiner Kollegin gebremst worden.

Bülthoff hat jetzt eine eigene Priorisierung vorgenommen. „Auf der roten Liste stehen zehn Patienten, die noch nicht geimpft wurden, aber sofort geimpft werden müssten.“ Darunter eine 28-jährige Lehrerin, die wieder zum Präsenzunterricht in die Schule muss, aber auch ein 1948 geborener Mann, ein Diabetiker mit schwerer Mittelohrentzündung. Der Eiter habe sich durch die Knochen gefressen und einen Gesichtsnerv geschädigt. „Der Mann kriegt ein Auge nicht mehr zu und die Lippe hängt.“

„Unwahrscheinlich ängstliche Patienten“

Auch Angstpatienten impfe er. „Viele sind unwahrscheinlich ängstlich, das fließen auch schon mal Tränen“ – nach der Impfung vor Glück. Kaum zu tun hat Bülthoff mit Patienten, die Druck machen, endlich geimpft zu werden. Denen erläutere er seine Entscheidung im Gespräch. Und bei seinen Mitarbeiterinnen kann er auf ein „eingespieltes Team“ setzen – obwohl die Situation „sehr anstrengend und belastend ist und viele Stunden Mehrarbeit bedeutet“.

>>> „DAS WINDHUNDRENNEN IST ERÖFFNET“

  • Dass jetzt auch die Impfung für Kinder und Jugendliche frei gegeben worden ist, aber keine zusätzlichen Impfdosen vom Bund bereitgestellt werden, verschärft die Situation weiter.
  • Dazu der Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein, Dr. Frank Bergmann: „Die Politik hat sich hier einmal mehr als beratungsresistent erwiesen. Wir haben mehrfach davor gewarnt, dass es hierdurch zu einem Sturm auf die Praxen kommen wird. Das scheint der Politik egal zu sein. Da hilft es auch nichts zu beteuern, dass nicht jeder sofort einen Impftermin erhalten kann. Das Windhundrennen ist eröffnet – und die Praxen müssen es ausbaden.“