Duisburg. Eine Duisburger Hausärztin hat voller Zuversicht damit begonnen, Patienten gegen Corona zu impfen. So wenig Impfstoff erhielt aber ihre Praxis.

„Impfen was das Zeug hält“: Voller Zuversicht ist die Duisburger Hausärztin Ildikó Halmai in der Woche nach Ostern mit den Corona-Impfungen in der Praxis gestartet. Wenige Tage später die Ernüchterung: Der Impfstoff kommt in wechselnden Mengen, die einem Tropfen auf den heißen Stein gleichen.

Früh hatten die Hausärzte gefordert, das Impfen in die Praxen zu verlegen, hatten auf die Erfahrung von 20 Millionen Grippe-Impfungen in der Saison 20/21 hingewiesen, auf ihr Wissen um die Krankheiten ihrer Patienten. Noch als Ildikó Halmai magere 30 Impfdosen für die erste Woche bekam, war ihre Hoffnung groß, bald mehr bestellen und schneller impfen zu können. Doch dann kamen 18 Impfdosen für diese Woche, für nächste Woche sind 30 angekündigt: „Das ist echt frustrierend, ich dachte, es würde von Woche zu Woche besser.“

Die Praxis in Duisburg-Bergheim war auf den Ansturm vorbereitet

Dabei war in der Praxis Langestraße in Bergheim, in die die 42-jährige Ärztin vor einem dreiviertel Jahr eingestiegen ist, alles für den Ansturm vorbereitet. Schon seit Wochen habe das Telefon nicht stillgestanden, sagt Ildikó Halmai, es habe hunderte Anfragen und Mails gegeben. „Der Anrufbeantworter war immer voll.“ Und jeder Patient habe beim Arztbesuch das Thema Impfen angesprochen.

Corona-Alltag- Zwei Duisburger Arzthelferinnen im Stresstest „Wir sind als Hausärzte verpflichtet, unsere Leute zu schützen“: Darin sei sie sich mit ihrem Praxispartner Dr. Johnny Bülthoff einig gewesen, früh wurde das Drumherum organisiert: Zum Beispiel einen Online-Service eingerichtet für Erst- und Zweittermin. „Aber das wäre nur ohne Priorisierung gegangen.“ Immerhin können die Patienten jetzt die Impfunterlagen (Aufklärungsmerkblatt, Anamnese- plus Einwilligungsbogen) schon zu Hause ausdrucken und ausfüllen und so einen Teil der Bürokratie vorab erledigen.

Interne Schulung für die Aufbereitung des Impfstoffs

Eine pharmazeutisch-technische Assistentin hat das Praxisteam geschult für die Zubereitung des Impfstoffs, denn „das ist nicht ohne“. Das Biontech-Vakzin muss mit Kochsalzlösung gestreckt und vorsichtig geschwenkt werden, damit sich der Bodensatz löst. Die Praxiszeiten wurden ausgeweitet, neben der normalen Sprechzeiten wird jetzt auch Mittwoch- und Freitagnachmittag sowie samstags gearbeitet. Auch die viertelstündige Nachbetreuung ist eingeplant. Viel Organisationsarbeit, die vorerst verpufft.

Dei medizinische Fachangestellte Sandra Füten, die den Impfstoff zuvor aufbereitet hat, impft den Patienten Hosef Hylla mit dem Biontech-Vakzin. Hausärztin Ildiko Halmai schaut, ob der Pieks sitzt.
Dei medizinische Fachangestellte Sandra Füten, die den Impfstoff zuvor aufbereitet hat, impft den Patienten Hosef Hylla mit dem Biontech-Vakzin. Hausärztin Ildiko Halmai schaut, ob der Pieks sitzt. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Rund 300 Patienten der großen Hausarztpraxis gehören zu den priorisierten Gruppen aufgrund ihres Alters oder von Vorerkrankungen wie Diabetes, Herz- oder Lungenerkrankungen. Aber wer ist ganz dringend und bekommt schnell einen Termin? Da ist die Patientin, die ein metastasierendes Tumorleiden hat und deren Chemotherapie läuft. „Sie wird in dieser Woche endlich geimpft und freut sich wahnsinnig, dass der Termin nicht weiter aufgeschoben wird“, so Ildikó Halmai.

Bei anderen, die schnell an die Reihe kommen sollten, überwog die Angst vor Astrazeneca. „Bloß nicht Astra!“, habe dann die Hälfte den angebotenen Termin nicht wahrnehmen wollen. „Ich habe dann gesagt: Die ganze Praxis ist mit Astra geimpft, und alle haben es gut überstanden.“ Rückfrage: „Sie auch??? Die Patienten dachten wohl, wir kriegen etwas Besseres“, musste Ildikó Halmai zeitintensive Überzeugungsarbeit leisten. „Viele lassen es sich dann noch mal durch den Kopf gehen, andere wollen warten.“

Telefonieren, Patienten beruhigen, umbuchen

Natürlich war auch schon für diese Woche alles für 30 Impfungen geplant. Dass es jetzt nur 18 werden, bedeutet: Wieder telefonieren, die Patienten beruhigen, neue Termine vereinbaren. Und Zweittermine umbuchen, weil beim Biontech-Impfstoff zunächst die Zweitimpfung nach drei Wochen angesagt worden war, dann wurde auf sechs Wochen erhöht. Stundenlange Organisationsarbeit mit der Folge: „Wir schieben einen Berg von Überstunden vor uns her.“

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Wie viel Stress es in den Praxen auslöst, wenn schwankende Mengen Impfstoff kommen, schildert auch Dr. Katrin Middeke, Hausärztin in Hamborn, die „über 500“ priorisierte Patienten auf der Liste hat. Am Mittwoch, 14. April, wurden ihr 24 Impfdosen von Biontech und 60 von Astrazeneca angekündigt. Ab Donnerstag wurden die Patienten einbestellt, was sich bis ins Wochenende hingezogen hat. Als am Montag die Termine standen, kam nachmittags die Lieferung: 32 statt der angekündigten 84 Dosen.

Bedeutet: Eine Mitarbeiterin ist ganztägig mit der unangenehmen Aufgabe beschäftigt, 52 Termine wieder abzusagen. „Hoch nervig“, findet Katrin Middeke das Durcheinander. „Wenn das jetzt jede Woche so weiter geht, werden wir nicht mehr impfen.“ Es täte ihr für die Patienten leid, zumal die meisten „nett und verständnisvoll“ auf das Hin und Her reagierten. Und Sätze wie „Danke, dass ich auf Sie setzen kann“, tun auch Ildikó Halmai gut.

>>BUND ÄNDERT IMPFSTOFFLIEFERUNGEN ERNEUT

  • Für die Woche vom 26. April bis 2. Mai erhalten die Praxen laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung nun doch keinen Astrazeneca-Impfstoff, wie am 15. April angekündigt.
  • Der Bund stellt für die kommende Woche ausschließlich Biontech-Impfstoff bereit – mit zwei Millionen Dosen deutlich mehr als bisher angekündigt.
  • Ursprünglich sollten in der letzten Aprilwoche bundesweit rund 1,5 Millionen Impfstoffdosen an die Praxen gehen, davon drei Viertel Biontech und ein Viertel Astrazeneca. Bestellen mussten die Praxen bis 20. April, 12 Uhr.