Duisburg. Beklatscht – und mittlerweile oft von Kunden beschimpft: Eine Kassiererin aus Duisburg redet schonungslos über ein Jahr Corona im Supermarkt.

Supermarkt-Mitarbeiter waren zu Beginn der Corona-Pandemie die Helden im Alltag. Doch der Beifall ist ein Jahr später verstummt, die Realität am Kassenband eine andere: Oft werden Kassiererinnen und Kassierer von entnervten Kunden angepöbelt.

„Wir sind die, die greifbar sind. Die, die man beschimpfen kann“, sagt Kassiererin Nina Frentzen. In Wirklichkeit heißt sie anders, doch die Mitarbeiterin eines Duisburger Supermarktes möchte aus Sorge vor Konsequenzen anonym bleiben.

Ein Jahr Corona im Supermarkt: Kassiererin redet Klartext

Ob sie bei Real, Edeka, Rewe oder Kaufland an der Kasse sitzt, bleibt deshalb ihr Geheimnis. Ihr Arbeitgeber ist der Redaktion bekannt, ebenso ihr richtiger Name. Schonungslos möchte sie über ihren Job sprechen, der auch ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie an die Substanz geht.

Eines vorweg: Nina Frentzen ist dankbar, dass sie einen Beruf hat, der in dieser schwierigen Zeit krisensicher ist. „Ich muss mir keine Sorgen um meine Existenz machen, oder wie es finanziell weiter geht“, sagt sie. „Ich mache meinen Job wirklich gerne“, erklärt sie auch im Gespräch. „Aber was ich in den vergangenen Monaten alles erlebt habe, lässt mich echt an der Menschheit zweifeln.“

An der Kasse: „Diskussionen hören nicht auf“

Ein Jahr im Supermarkt in Zeiten von Corona liegt hinter ihr, seit mehr als einem Jahrzehnt arbeitet sie im Handel. Sie kennt also andere Umstände. Der Supermarkt, so erzählt die Duisburgerin, habe sich für einige zu einem Tummelplatz latenter Aggression entwickelt. Zwischen den Regalen und an der Kasse seien die Corona-Regeln immer wieder Anstoß für Wortgefechte. „Die Diskussionen hören nicht auf.“

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Maskenpflicht, Sicherheitsabstand, begrenzte Kundenzahl und ein Kunde pro Einkaufswagen: Die Sorgfalt der Kundschaft, penibel auf die Einhaltung der Regeln zu achten, habe im Laufe der Zeit nachgelassen. „Man merkt, die Menschen werden müde.“ Es seien auch wieder deutlich mehr Familien mit mehreren Kindern unterwegs.

Im Supermarkt vom Helden zum Fußabtreter für Frustrierte der Corona-Maßnahmen

Es vergehe kein Arbeitstag, an dem nicht auf falsch getragene Mund-Nase-Bedeckungen hingewiesen werden müsste, sagt Nina Frentzen. Und die Anmerkung des Personals wird oft mit Augenverdrehen quittiert. „Manche Kunden sagen, wir denken uns die Regeln aus“. Aufgrund der Dispute kam es auch zu wenigen Polizeieinsätzen.

Gerade zu Beginn der Pandemie war eine Verunsicherung bei Kunden zu spüren, sagt die Duisburgerin. Weil niemand wusste, wo die Reise hingeht, seien die Menschen „völlig ausgeflippt“. Nudeln, Hefe, Konservendosen – auf jedem Einkaufszettel standen diese Produkte oben. In der (nie) drohenden Knappheit wurde gehortet, was die Regale hergaben.

Respektlosigkeit geht nicht spurlos an der Kassiererin vorbei

Das begehrteste Gut der Hamsternden: Toilettenpapier. Angesichts des Ansturms auf das ein- bis fünflagige weiße Gold beschlossen Supermarktketten und Discounter, die Klopapier-Verkäufe, sowie andere Produkte, zu rationieren. Ein Paket pro Kunde, nicht jeder wollte diese Regel akzeptieren.

Im Unmut sollen Waren deshalb auch in Richtung Mitarbeiter geflogen sein. Ein Beispiel für Respektlosigkeiten, die nicht immer spurlos an der Kassiererin vorbeigegangen sind: „Ich habe an der Kasse geweint.“

Großer Zusammenhalt unter Kollegen

Dabei möchte die Duisburgerin gar nicht alle Kunden in ein negatives Licht rücken, doch jene Erlebnisse bleiben im Rückblick in Erinnerung. „Man nimmt aktuell mehr mit nach Hause“, sagt sie über das sich drehende Gedankenkarussell.

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Dazu gehören aber auch die positiven Momente. Im Team sei die Stimmung immer super gewesen. „Es gab viel Zuspruch, wir haben uns unterstützt.“ Seit Ausbruch der Pandemie hat kein Mitarbeiter eine Corona-Infektion durchleben müssen, sagt die Duisburgerin. Angst vor einer Ansteckung war gerade in der Anfangszeit groß.

In Erinnerung bleibt auch die Schokolade, die von einem Kunden zusätzlich auf das Kassenband gelegt wurde. „Die ist für Sie. Sie brauchen Nervennahrung.“ Oder all die Männer, Frauen und Kinder, die mit einem Lächeln im Gesicht einfach ein „Bleiben Sie gesund“ wünschen. Denn im Umgang mit Kunden hofft die Duisburgerin nur auf eines: „Mehr Menschlichkeit und Respekt.“

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