Duisburg. Erneute Absage an die Redaktion: Stadtteilscharfe Corona-Fallzahlen will die Stadt Duisburg nicht veröffentlichen – anders als diese Städte.

Der Duisburger Corona-Krisenstab lässt durch das Amt für Kommunikation seit Dezember 2020 auch innerstädtisch aufgeschlüsselte Corona-Fallzahlen veröffentlichen: Neuinfektionen der jeweils vorangegangenen sieben Tage, sortiert nach den sieben Stadtbezirken. Wie sich die Corona-Fälle bislang genauer auf die 46 Stadtteile verteilt haben, will der Krisenstab dagegen weiterhin nicht bekanntgeben.

Einige Tage bevor Oberbürgermeister Sören Link die Veröffentlichung der Bezirksinzidenzen am 30. November ankündigte, hatte unsere Lokalredaktion darüber berichtet, dass die Verwaltung ihr keine Stadtteil-Daten übermittelt, auch keine nach Postleitzahlbezirken sortierten Fallzahlen. Die Redaktion hatte zuvor mehrmals vergeblich versucht, solche Daten über das Presseamt zu erhalten.

Corona: Gesundheitsämter erfassen Adressen Infizierter

Warum? Wir möchten über Corona möglichst vollständig, transparent und erklärend informieren. Das ist schwierig, weil das Infektionsgeschehen durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst wird. Mehrfach hatten uns zudem Leser in Sorge um ihre Gesundheit nach dem Ansteckungsrisiko in den Vierteln gefragt.

[Übersicht: Corona in Duisburgs sieben Bezirken – alle Zahlen, alle Artikel]

Die Zuordnung von Infektionen nach Stadtteilen oder PLZ-Bezirken ist möglich, da auf dem „Meldeformular“ für meldepflichtige Krankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz auch die Adressen der Betroffenen angegeben werden müssen. Der Wohnort ist im Zusammenhang mit Gesundheitsfragen auch für Medizinsoziologen und Epidemiologen interessant, weil er oft mit sozio-ökonomischen Merkmalen der Bewohner zusammenhängt.

So haben wir mehrfach berichtet, dass die bekannten Fallzahlen aus den sieben Bezirken – bislang – zu ersten Studienergebnissen passen. Danach ist das Ansteckungsrisiko für Bewohner ärmerer Nachbarschaften mit hoher Einwohnerdichte tendenziell höher. Zumindest in westlichen Großstädten erhöhen Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen und niedrigeres Bildungsniveau die Infektionsraten.

Solche sozi-ökonomischen Nachteile gehen etwa häufiger einher mit den Zwängen, Bus und Bahn fahren und trotz des Teil-Lockdowns am Arbeitsplatz präsent sein zu müssen, statt von zuhause arbeiten zu können. In Duisburg ist beim Infektionsgeschehen ein deutliches Nord-Süd-Gefälle zu erkennen.

Keine Stadtteil-Fallzahlen – so argumentiert der Krisenstab

Nachdem die Stadtverwaltung im benachbarten Düsseldorf der Rheinischen Post die Stadtteil-Fallzahlen der Landeshauptstadt zur Verfügung gestellt hatte, haben wir Duisburgs Stadtsprecherin Anja Kopka Mitte Februar erneut um die hiesigen Stadtteil-Fallzahlen gebeten. Kopka, als Amtsleiterin auch „Beauftragte für Bevölkerungsinformation und Medienarbeit“, übermittelte erneut eine Absage des Stabs, der zurzeit von Andree Haack geleitet wird:

„Der Krisenstab ist weiter der Meinung, dass eine Veröffentlichung der Zahlen nach Bezirken aufgeschlüsselt eine sinnvolle Informationsquelle ist. Die Inzidenzen (der Stadtteile, d. Red) sind bei den sehr kleinen Bezugsgruppen extrem volatil und schwanken daher in erheblichem Umfang. Nach Auffassung des Krisenstabs können daraus keine relevanten Informationen abgeleitet werden. Ausbrüche in Altenheimen, bei großen Arbeitgebern usw. verzerren die Zahlen zusätzlich, ebenso wie kleine Postleitzahlengebiete (minimaler Wert in Duisburg: zehn Einwohner). Bei der Darstellung nach Stadtbezirken haben wir eine höhere Grundgesamtheit, was den Einfluss von singulären Ereignissen auf die Inzidenzen reduziert.“

Sieben-Tage-Inzidenzwerte für Stadtteile – Momentaufnahmen also – hatte unsere Redaktion allerdings wegen dieser möglichen Schwankungen erneut gar nicht angefragt, stattdessen die seit dem 29. Februar 2020 gemeldeten Infektionen. Bis zum 1. März waren dies immerhin 19.214. In Duisburg arbeitende, aber andernorts wohnende Infizierte zählen übrigens nicht dazu. Und die kleinste „Grundgesamtheit“ an Einwohnern hat von den Duisburger Stadtteilen Bissingheim mit knapp unter 3000 Bewohnern.

Kleinräumige Corona-Fallzahlen: Diese Daten veröffentlichen Kreise und andere Städte

Wie eine Online-Stichprobe zeigt, veröffentlichen andere Städte dagegen stadtteilscharfe Fallzahlen. Die meisten im Ruhrgebiet gleichwohl nicht, Essen und Dortmund beispielsweise stattdessen ebenfalls nach Stadtbezirken aufgeschlüsselte Daten. Die Verwaltungen in Gelsenkirchen und Bochum dagegen haben den WAZ-Lokalredaktionen vor Ort kumulierte, nach den differenzierteren Postleitzahlbezirken sortierte Fallzahlen übermittelt.

Kreise und Landkreise dürften gar keine Fallzahlen für ihre Gemeinden veröffentlichten, gälten einige der Argumente aus Duisburg für sie. Die Kreise geben fortlaufend an, wie sich die Zahlen in ihren Gemeinden entwickeln. Der Kreis Wesellistet so online für alle Gemeinden von Alpen bis Xanten die Gesamtzahl der Infektionen, neue Fälle und Verstorbene auf. Sonsbeck etwa hat nicht mal 10.000 Einwohner – anders als über die Hälfte der Duisburger Stadtteile.

Seine Bürger informiert der Ennepe-Ruhr-Kreis nicht nur mit Gemeinde-Fallzahlen, sondern auf seiner Webseite auch darüber, in welchen Gemeinschaftseinrichtungen es (Verdachts-)Fälle gibt. Positive Befunde weist auch die Stadt Düsseldorf auf ihrer Webseite tagesaktuell für Kitas, Schulen und Seniorenheime aus. Dresden hat sogar ein Extra-Dashboard mit Stadtkarte zum Infektionsgeschehen in Gemeinschaftseinrichtungen (Kitas, Schulen, Heime, Asylunterkünfte).

Auf der Internetseite der Stadt Köln können Interessierte auf einer Stadtkarte Straßen eingeben und sich anzeigen lassen, wie viele Fälle in Summe und prozentual im jeweiligen PLZ-Bezirk (Köln hat 45) gemeldet wurden. Die Hansestadt Bremen gibt die stadtteilscharfen Fallzahlen pro 1000 Einwohner seit Beginn der Pandemie an – außer in drei Vierteln mit sehr wenigen Einwohnern. Lübeck veröffentlicht jeweils zum Ende des Monats die Fallzahlen der zum Stichtag aktiv Erkrankten nach Stadtteilen. Unter den knapp 6000 Einwohnern „Schlutups“ etwa gab es am 28. Februar sieben Corona-Fälle.

Was gutes Datenmanagement möglich macht, zeigt die Stadt Osnabrück auf geo.osnabrueck.de/coronadashboard. Der Krisenstab lässt dort tagesaktuell – unter anderem – anzeigen, wie viele Menschen in den 23 Stadtteilen aktuell infiziert sind und seit Ausbruch der Pandemie waren.

>> STATIONÄR UND INTENSIVMEDIZINISCH BEHANDELTE COVID-PATIENTEN

– Einige Städte und Kreise veröffentlichen tagesaktuell, wie viele Covid-Patienten in ihrer Stadt in Krankenhäusern behandelt werden.

– Die Auslastung der Intensivbetten in Städten und Kreisen – ein wichtiger Indikator zum Infektionsgeschehen – veröffentlichen Robert Koch-Institut und Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) im DIVI-Intensivregister(wir berichteten) tagesaktuell auf intensivregister.de.

– In Duisburg waren demnach am 1. März 158 von 182 verfügbaren Intensivbetten belegt, 18 von Covid-Patienten (9,89 %). Mitte Dezember waren auf Duisburgs Intensivstationen zeitweise bis zu 42 Infizierte gleichzeitig behandelt worden.