Duisburg-Neudorf. Die Kult-Diskothek „Oberbayern“ in Duisburg-Neudorf ist abgerissen worden. Eine weitere Feier-Adresse verloren. So erinnern sich die Fans.

Die legendäre DiskothekOberbayern“ an der Koloniestraße in Duisburg-Neudorf ist Geschichte. Viele Jahre wurden hier freitags, samstags und vor Feiertagen die Nächte durchgetanzt. Nun sind das Oberbayern und das daneben liegende Burger-Restaurant „Meat Love“, in dem sich früher auch mal die Gaststätten „Bütefür“, „Linde“ und „Jedermann“ befanden, abgerissen worden. Die Nachtruhe wird künftig garantiert eingehalten: Es werden dort über 100 Servicewohnungen für Senioren gebaut, und eine Tagespflege entsteht.

Der Sohn des Gaststättengründers Bütefür hat das Gelände jüngst verkauft, der Mietvertrag für das Tanzlokal hätte verlängert werden müssen. Was viele Nachtschwärmer vielleicht nicht ahnen: Zu dem Areal gehörten nicht nur die 800 Quadratmeter fassende Disco und die benachbarte Gaststätte, sondern ein riesiger Garagenhof, der bis zur Grabenstraße reichte.

Duisburger Disco „Oberbayern“ hatte den Ruf des „Abschleppschuppens“

Mit dem Abriss geht dem ohnehin nicht reich gesegneten Duisburger Nachtleben eine weitere Feier-Adresse verloren – unabhängig von den Auswirkungen der Corona-Pandemie. „Antons Oberbayern“, wie die Location komplett hieß, war eine beliebte Anlaufstelle: Die Drinks waren günstig, großartig aufbrezeln musste man sich nicht, ein gepflegtes Outfit genügte. Das Publikum war gemischt, 18-Jährige kamen genauso gerne zum Tanzen vorbei wie die Ü-40-Fraktion.

Hoch die Hände, Wochenende: Im Oberbayern konnten alle ihren Spaß haben, „wir waren eine Disco für Normalos.“
Hoch die Hände, Wochenende: Im Oberbayern konnten alle ihren Spaß haben, „wir waren eine Disco für Normalos.“ © FFS | Foto: Simon Pake

In früheren Jahren hatte die Disco den Ruf eines „Abschleppschuppens“, den sie auch nie so richtig los wurde. Chef Rico – „alle kennen mich unter Rico, mein Nachname tut nichts zur Sache“, der den Laden seit 2001 erst mit einem Partner und später dann alleine betrieb, hatte eine gute Zeit. „Ich hätte auch noch fünf Jahre verlängert. Im Schnitt waren unsere Besucher über 30. Zu uns sind Normalos gekommen, Ärzte und Müllwerker.“ Das mit dem „Abschleppschuppen“ will er trotzdem nicht so stehen lassen. „Frauen und Männer machen sich hübsch, lernen sich kennen, flirten, das gehört dazu. Die Frauen entscheiden, wie weit es geht“, sagt er und lächelt.

Ehemaliger Besucher vergleicht das Oberbayern mit der Sendung „Tutti frutti“

Stefan „Knorke“ Schmidt war am Wochenende öfter im Oberbayern. Er mochte die Atmosphäre, die zivilen Getränkepreise und auch die Leute, die er hier traf. „Oberbayern ist ja ein bisschen wie Tutti-Frutti. Keiner war drin, aber alle wissen, wie es war.“ Ihn hat das nicht gestört.

Der „Oberbayern“-Betreiber hat das Nachtleben in Duisburg geprägt und würde immer noch die eine oder andere Nacht durchmachen, wenn er denn gerade dürfte. „Ich schließe immer auf und ab.“ Rico hat das „Pier 1“ eröffnet und den „Ultraschall“-Partys ein Zuhause geboten. Er war Macher des Club „Plastique“. In den 1990er Jahren legte hier DJ Akki auf, dazu gab’s Freibier. Der Laden brummte.

Wenn andere Diskotheken nachts ihre Türen schlossen, gab’s im Oberbayern garantiert noch einen Absacker. Gespielt wurden nicht nur Ballermannhits, sondern sämtliche tanzbaren Titel, passend zu Discofox und Freestyle-Zappeln. Wer in der Innenstadt wohnte, konnte zur Not nach Hause laufen – zum Hauptbahnhof waren es zu Fuß, je nach Zustand, auch nur 20 Minuten. Genügend Taxen warteten aber auch vor der Tür.

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Mittlerweile ist es nicht nur wegen Corona in der Duisburger Szene ruhig geworden. Das Gebäude des alten Europa-Kinos, in dem sich früher der High 5 Club befand, soll für einen Neubau an der Düsseldorfer Straße weichen. Das Djäzz ist aus dem Keller ausgezogen und wartet darauf, nach der Pandemie an einem neuen Standort wieder eröffnen zu können. Für das Grammatikoff wird ein Nachfolger gesucht, der den Spagat zwischen kommerziell erfolgreicher Gastronomie, Partys und anspruchsvollerem Kultur-Programm für die freie Szene meistert.

Old Daddy-Chef Peter Jurjahn: Im Duisburger Nachtleben ist nicht mehr viel los

Auch Peter Jurjahn, der das „Old Daddy“ an der Steinschen Gasse betreibt, weiß: „In Duisburg ist nicht mehr viel los. In den 1980er und 1990er Jahren war die Hochzeit in Duisburg. Da konnte man nach dem Daddy auf dem Weg zum Bahnhof noch in den einen oder anderen Pub.“ Geschichte. Das Oberbayern hat er nicht als direkte Konkurrenz empfunden – im Gegenteil. „Die Leute wollen das Gefühl haben, dass sie in einer Stadt ausgehen können und eine Auswahl haben.“

Während das „Pulp“ immer beliebter bei Jüngeren wurde, tauchen bei Jurjahn im Keller immer wieder auch ältere Feierfreunde auf. „Die haben vielleicht die erste Ehe hinter sich, die Kinder sind schon größer, die wollen auch mal wieder raus“, weiß er. Deshalb glaubt er auch, dass viele nach der Pandemie wieder kommen und froh sind, dass sie mal wieder auf ein Konzert kommen können.

Der ehemalige Oberbayern-Chef Rico geht zwar mittlerweile auf die 60 zu, hat aber noch Pläne. „Vielleicht findet sich noch mal was in Duisburg“, sagt er. Im Oberbayern wurden Ehen gestiftet und danach das eine oder andere Baby geboren. Einmal ist es ihm sogar passiert, dass die zweite Generation bei ihm vorbeischaute: Jung gebliebene Mama und ihre Teenager-Tochter feierten gemeinsam. „Ich bekomme immer noch Mails, wie schade es die Leute finden, dass das Oberbayern weg ist.“

>> BAUSTART FÜR DIE SENIORENWOHNANLAGE IM SOMMER

Mit dem Bau der Seniorenwohnanlage soll voraussichtlich im zweiten Quartal begonnen werden. 109 Wohnungen und 25 Tagespflegeplätze, eine Sozialstation und ein Café sollen entstehen.

Die Wohnungen sollen durchschnittlich 60 Quadratmeter groß sein. 79 Pkw-Stellplätze wird es geben, davon 53 in einer Tiefgarage. Das Café im Erdgeschoss soll nicht nur den Bewohnern offenstehen, sondern allen.