Duisburg. Ousmane C. wurde 2019 auf dem Fußballplatz krankenhausreif geprügelt. Unter den Folgen leidet der Viktoria Wehofen-Spieler noch heute.

"Prügelei in Duisburg: Kicker aus Guinea auf Intensivstation“! „Verprügelt bei Kreisliga-Spiel: Ich dachte, ich sterbe“! ​Dies sind nur zwei Schlagzeilen, die ein Kreisliga-B-Spiel des Vereins Viktoria Wehofen gegen FC Hagenshof im Herbst 2019 gemacht hat. Ousmane C. wurde nach dem Schlusspfiff von drei Spielern und einem Zuschauer brutal zusammengeschlagen – „mit Ellbogen und Kickbox-Tritten“, so schilderte Trainer Ralf Plincner es der Polizei. Warum? Von rassistischen Anfeindungen seitens einiger Spieler des FC Hagenshof war die Rede. Nach einer Siegesgeste einer der Wehofener Spieler kurz nach dem Schlusspfiff sei die Situation dann völlig eskaliert. „Ein Zuschauer ist 50 Meter über den Platz gerannt und ist ihm voll in den Rücken gesprungen“, so Plincner. „Danach haben die Hagenshofer auf alles geschlagen und getreten, was sich bewegt.“ Auch auf Ousmane C. Der 27-Jährige erlitt einen doppelten Kieferbruch, war stundenlang bewusstlos und musste sich einer monatelangen Behandlung unterziehen. „Noch heute hat er Schmerzen und ist traumatisiert“, sagt Co-Trainer Otto Kapun ein Jahr nach der Tat.

Auf einem guten Weg in die deutsche Gesellschaft

Dabei war Ousmane C. vor einem Jahr auf einem guten Weg in die deutsche Gesellschaft. 2016 ist er aus Guinea nach Deutschland geflohen, hatte dabei auf der Straße geschlafen und, wie er sagt: „Müll gegessen“. In Duisburg angekommen, wurde er im Walsumer Flüchtlingsheim untergebracht. Über das Integrationsprojekt „Am Ball bleiben“ von „Viktoria Wehofen“ fand er zum Fußball – und eine Ersatzfamilie. Denn „Viktoria Wehofen“ steht für mehr als ein Fußball-Kreisligist in Duisburg. Für seine Flüchtlingsarbeit und das Projekt „Am Ball bleiben“ ist der Verein erst im vergangenen Jahr mit dem „Heimat-Preis“ des Landes NRW ausgezeichnet worden. In der Begründung hieß es: SUS Victoria Wehofen 1920 e.V., 1920 von Bergleuten der Walsumer Schachtanlage gegründet, hat sich in den letzten Jahren intensiv um die Integration von Flüchtlingen verdient gemacht. Weit über den Sport hinaus werden Flüchtlinge im Alltag intensiv begleitet und in Duisburg integriert.“

Duisburger Trainer: "Wir sind wie eine Familie"

Ralf Plincner und Otto Kapun sind für die Spieler nicht nur Trainer, sondern längst auch Ansprechpartner für alle Fragen im Alltag. „Wir sind wie eine Familie“, sagt Otto Kapun, der seinen Spielern schon so manchen Behördenbrief erklärt hat oder auch, wie sie sich richtig verhalten, wenn sie sich beispielsweise um einen Praktikumsplatz bewerben.

Denn auch das ist ein Ziel des Vereins: Die „Jungs“ in Arbeit zu bringen, sofern es der jeweilige Status der Flüchtlinge zulässt.

"Viktoria Wehofen ist mein Anfang in Deutschland"

Ousmane C. hatte bereits einen Ausbildungsplatz zum Bodenverleger bei der Firma Nietiedt in Rumeln-Kaldenhausen ergattert und war mit Eifer dabei, als er auf dem Platz niedergeschlagen wurde. Durch die vielen Krankentage hatte er aber zu viel verpasst, muss nun das erste Lehrjahr wiederholen. Das ist bitter für den mittlerweile 28-Jährigen, der sagt: „Viktoria Wehofen ist mein Anfang in Deutschland. Sie haben alles für mich gemacht. Hier habe ich Deutsch gelernt.“ Worte, die den Verein stolz machen. Aber auch Worte, hinter denen viel ehrenamtliche Arbeit steckt.

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„Wir haben mittlerweile ein großes Netzwerk“, sagt Otto Kapun. Zu diesem zählt auch Reiner Siebert, Leiter des IvAF-Beratungsbüros zur beruflichen Integration von Asylsuchenden und Flüchtlingen im DGB-Haus.

"Ich sehe, dass wir ziemlich viel geschafft haben.“

Zu den Bemühungen gehört auch, Spieler wie Ousmane C., der seine Ausbildung durchziehen will, dabei zu helfen, in eigene vier Wände zu ziehen. „Viele leben über Jahre in einer Flüchtlingsunterkunft. Doch hier Ruhe zu finden, um zu lernen ist schwer“, sagt Reiner Siebert.

5 Jahre ist es her, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren berühmten Satz gesagt hat: „Wir schaffen das“. Auf die Frage, ob wir „das“ geschafft haben, antwortet Otto Kapun überzeugt: „Ich sehe, dass wir ziemlich viel geschafft haben.“ Wir, damit meint er in erster Linie den Verein. Die „Jungs“ haben deutsch gelernt, Vertrauen gefasst, kommen mit ihrer Post zu den Trainern und „rufen auch abends einfach mal an.“ Aber - auch das sagt Otto Kapun: „Es geht viel Zeit drauf.“

„Wichtig ist, dass man Respekt vor dem anderen hat"

Das Vereinsteam findet auch mal deutliche Worte, wenn einer der Spieler etwas macht, was nicht richtig ist. Aber in einem vernünftigen Ton. „Wichtig ist, dass man Respekt vor dem anderen hat, man muss vernünftig und sachlich miteinander umgehen“, erzählt Peter Bours, 2. Geschäftsführer des Vereins. Und das habe man geschafft.

Ousmane C. trainiert mittlerweile wieder auf dem Platz – sofern es in der Corona-Zeit möglich ist. „Es tut ihm gut, die Kollegen zu treffen.“ Nicht zu verstehen ist für den Verein, dass die Spieler, die Ousmane C. zusammen geschlagen haben, nicht bestraft wurden, sondern nur ihr Verein insgesamt. Aber man blickt nach vorne. Viktoria Wehofen war nur froh, dass das Rückspiel gegen den FC Hagenshof coronabedingt im Frühjahr ausfiel.

Und auch wenn die Corona-Pandemie die Flüchtlingsarbeit des Vereins erschwert, weil viele persönliche Begegnungen und Gespräche durch die Lockdowns nicht möglich sind, sagt Otto Kapun dennoch voller Zuversicht: „Wir werden es schaffen, dass wir alle in Lohn, Brot und eine eigene Wohnung kriegen.“