Duisburg. Der Leiter einer Grundschule in Duisburg-Walsum fordert individuelle Lösungen für Schulen. Sein Plan zum Schichtbetrieb wurde verboten.

Als Leiter einer Grundschule kämpft er für „seine“ Kinder: Peter Steuwer, Rektor der Vennbruchschule in Duisburg-Walsum, wollte zum Schutz vor Corona einen Schichtbetrieb einführen. Sein ausgeklügelter Plan für den Erhalt von Präsenzunterricht wurde jedoch verboten. Am Freitag kam auch die Absage auf seinen Widerspruch bei der Bezirksregierung – parallel zur Verkündung der Schulpläne in NRW.

Es ist das letzte Schuljahr für den 64-Jährigen. Im kommenden Juni, wenn die Schule ihr 100-jähriges Bestehen feiert, ist er seit 40 Jahren hier tätig, im 25. Jahr als ihr Leiter. Er gehört zur Risikogruppe, könnte die Schule aus dem sicheren Homeoffice führen. Stattdessen hat er noch einen draufgesetzt: „Ich bin jeden Morgen ab halb sieben da, damit ich für die Eltern erreichbar bin.“

Grundschulleiter nennt den Schulbetrieb in Corona-Zeiten ein „großes Risiko“

In den vergangenen Wochen galt für ihn die Devise Vorsicht. Was etwa tun, wenn die Kita wegen eines Corona-Falls geschlossen ist und das Geschwister-Kind ein B-Kontakt ist? „Im Zweifel sollen die Kinder lieber ein paar Tage zu Hause bleiben“, betont Steuwer. Den Eltern gebe er so Handlungssicherheit. Sie seien überwiegend achtsam, Corona-Leugner habe er nicht ausmachen können. An seiner Schule waren bislang fünf Kinder positiv, ein Lehrer – aber eben auch 15 Elternteile.

In seinem Büro hat Peter Steuwer, Rektor der Grundschule Vennbruchstraße in Duisburg, eine Bilderwand mit Kindern der Schule. Das maßstabsgetreue Modell einer Schulklasse hat ihm einst der Großvater eines Schülers geschenkt.
In seinem Büro hat Peter Steuwer, Rektor der Grundschule Vennbruchstraße in Duisburg, eine Bilderwand mit Kindern der Schule. Das maßstabsgetreue Modell einer Schulklasse hat ihm einst der Großvater eines Schülers geschenkt. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Schulbetrieb in Corona-Zeiten nennt er ein „großes Risiko für Kinder und Erwachsene. Ich habe nie darauf vertraut, dass sich Kinder schon nicht anstecken.“ Sein Büro gleicht einer Festung: Selbstgezimmerte Wände aus Plexiglas und Holz stehen auf seinem Schreibtisch, sie sollen ihn schützen. Alle Fenster stehen auf Kipp, laut schallt das Kindergetobe vom Schulhof herein.

Strikte Trennung der Jahrgänge

Steuwer plädiert für Präsenzunterricht. Dafür machte er, was geht: Versetzte Anfangszeiten seit den Sommerferien, strikte Trennung nach Jahrgängen auch im Nachmittagsbereich, auch auf dem Schulhof, obwohl das Ministerium eine Durchmischung erlaubt hatte. Der Preis der letzten Wochen war, dass alle Lehrer in der Betreuung gebraucht werden, kaum ein Austausch im Lehrerzimmer möglich ist, Absprachen nur noch per Mail funktionieren. „Die sind wie angetackert an ihre Schüler“, beschreibt Steuwer.

Sein Plan, den er mit der ganzen Schulgemeinschaft durchgesprochen hatte, sah einen Schichtbetrieb mit halben Klassen vor, Betreuungsmöglichkeiten inklusive: Die einen kommen morgens, die anderen mittags. Jedes Kind hat 150 Zeitminuten Schule, was drei Unterrichtsstunden entspricht. Es gibt keine Hofpause und Zeitfresser wie das Händewaschen werden dadurch auch reduziert. Bislang mussten in jeder Klasse 26 Kinder jeweils 20 Sekunden an einem Waschbecken ihre Hände waschen – vor dem Frühstück, nach der Pause, vor dem zweiten Frühstück, nach der zweiten Pause...

Was ihm die Bezirksregierung am Freitag verboten hat, wird er voraussichtlich am Montag durch die neuen Regelungen trotzdem haben: Kleine Klassen mit jenen Kindern, die Betreuungsbedarf haben -- mit dem Nachteil, dass die anderen keinen Präsenzunterricht bekommen.

Viel Unterricht möglich in kürzeren Einheiten und kleineren Klassen

Steuwer hofft, dass sein Plan dennoch Gehör findet. Denn auch das Frieren in gelüfteten Klassen sei in kürzeren Einheiten besser zu ertragen, erst recht, wenn es reinschneit, sagt Steuwer mit Blick auf den Schulstart im Januar. Mit 13 Kindern sei in drei Stunden oft mehr zu erreichen als mit 26 in fünf Stunden. Er spricht aus Erfahrung, in seiner Schulzeit Mitte der 60er Jahre gab es wegen des Lehrermangels Kurzschuljahre – „und trotzdem ist aus mir was geworden, ich setze auf die inneren Kräfte der Kinder, vieles lässt sich aufholen“.

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Für den Walsumer Schulleiter ist sein Plan eine individuelle Lösung für seine Schule in diesem Stadtteil mit hohen Inzidenzzahlen: Der Bezirk lag in den letzten Wochen deutlich über der gesamtstädtischen Neuinfektionsrate. Kaum 50 qm große Klassen für 26 Kinder und inklusionsbedingt mitunter drei Erwachsene – „das wäre bei keinem Bäcker erlaubt, mir macht das Bauchschmerzen“. Und da er als Schulleiter auch für den Gesundheitsschutz verantwortlich ist, lehnte er sich gegen seinen Dienstherrn auf – erstmals in seiner Laufbahn. Vergebens – der Beamte muss sich an die Weisungen halten.

Kein normaler Schulbetrieb unter Corona-Bedingungen

Schwarz-Weiß-Lösungen wie die schon länger geforderte Schulschließung von Wissenschaftlern der Leopoldina gehen ihm gegen den Strich. Individuallösungen will aber das Ministerium nicht tolerieren. „Dabei gäbe unser Plan viel Sicherheit, Mindestabstände würden gewahrt, drei Stunden mit Maske schaffen auch die kleineren Jahrgänge“, beschreibt Steuwer.

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Was ihn an diesem Schuljahr richtig nervte: „Es wird suggeriert, dass wir normalen Schulbetrieb haben. Das stimmt nicht.“ Frontalunterricht sei ein pädagogischer Rückschritt. Und allen Bemühungen zum Trotz werde es je nach familiärem Rückhalt Verlierer und Gewinner geben. Viel aufzuholen also, wenn Schule endlich wieder wie gewohnt läuft.

Unglückliche Kommunikationsstrategie des Ministeriums

Das Pandemie-Jahr sei herausfordernd gewesen, sagt Peter Steuwer. Neue Regelungen habe er wie heute auch früher durch die Medien erfahren als durch offizielle Nachrichten des Ministeriums, die Freitagnachmittags eintrudeln und ihn über das Wochenende beschäftigen. „Unglücklich“ nennt er das, auch wenn er zugesteht, dass die Situation für alle neu sei.

Die Schulaufsicht sei wohlwollend, habe aber nur begrenzte Möglichkeiten. Der Schulträger gebe sein Bestmögliches, sei manchmal aber weit weg von der Realität vor Ort. Fieberthermometer habe er etwa selbst angeschafft, die gelieferten 200 FFP2-Masken seien längst aufgebraucht, neue müssten beantragt werden. Ihm hätte ein Sicherheitsbudget, mit dem er alles Nötige veranlassen oder finanzieren kann, mehr geholfen.

Duisburger Corona-Chronik- Fälle an Schulen und in Kitas

Die Bezirksregierung hat Erlasse im Umgang mit Medien herausgegeben, von „Maulkörben“ ist immer wieder die Rede. Auf Anfrage dieser Redaktion wollte sich kaum ein Grundschulleiter öffentlich äußern. „Es herrscht ein Klima der Unsicherheit, was man sagen darf“, hat Steuwer in der Schulleiterschaft beobachtet. Dabei habe er seinen Beruf einst ergriffen, um zu gestalten. „Das war meine Motivation, jetzt bin ich damit beschäftigt, Schaden abzuwehren.“