Düsseldorf. “Zweifel“ will doch keiner hören: Die Bezirksregierung Münster schlägt Rektoren vor, positiv über die Schulen in Coronazeiten zu reden.

Ein „Handout“ der Bezirksregierung Münster für Schulleitungen bringt viele Lehrer in Rage. Die Schulaufsicht rät dazu, Journalisten-Anfragen zum Infektionsgeschehen möglichst zurückhaltend zu beantworten und positive Einschätzungen zur Sicherheitslage an Schulen zu verbreiten. Wörtlich heißt es: „Eltern, die in Sorge um ihre Kinder sind, Lokalpolitiker unter Druck und nicht zuletzt Ihre Kollegen wollen nicht hören, das Sie Zweifel haben – sondern, dass Ihre Schule ein sicherer Ort ist!“

Harald Willert, Vorsitzender der Schulleitungsvereinigung NRW , ist erzürnt und spricht gegenüber dieser Redaktion von einem „Maulkorb“, der den Schulen verpasst werden solle. Der Zweck sei durchsichtig: In der Öffentlichkeit solle das verfälschte Bild eines sicheren Präsenzunterrichts entstehen.

Maike Finnern (GEW): "Das wirkt wie Polit-Marketing"

Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft GEW, Maike Finnern sagte: „Das wirkt wie Polit-Marketing, um einen normalen Schulalltag zu vermitteln, den es aber so nicht mehr gibt. Schule kann aktuell nicht normal funktionieren, darüber sollten alle Beteiligten offen sprechen dürfen."

Bezirksregierung verteidigt sich: "Kommunikative Unterstützung"

Ein Sprecher der Bezirksregierung Münster verteidigte das Vorgehen und sprach von einer „kommunikativen Unterstützung“ für Schulleiter, die zum Teil über wenig Erfahrung im Umgang mit Medien verfügten. Von einem Maulkorb könne keine Rede sein. Schulleiter hätten sogar um eine solche Handreichung gebeten. Sie entspreche dem Tenor vieler Handbücher der Kommunikation.

Das NRW-Schulministerium stellte klar, dass es den Bezirksregierungen „keine Anweisung erteilt“ habe, den Schulen Hinweise zur Kommunikation zu geben. Die Bezirksregierungen kommunizierten selbstständig mit den Schulen vor Ort. In den anderen Regierungsbezirken außer Münster wurden Schulleitungen offenbar nicht auf diese Weise „informiert“.

„Corona-Konferenz aus Betroffenensicht“ am Montag, 23. November

Aufgrund der nach wie vor angespannten Lage an vielen Schulen laden Lehrer- und Elternverbände am Montag zu einer digitalen „Corona-Konferenz aus Betroffenensicht“ ein. Der von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) eingeschlagene Weg werde den Bedürfnissen von Schule und Unterricht nicht gerecht, sagen Landeselternkonferenz, Elternschaft der Gymnasien, die Schulleitungsvereinigung NRW und die Gewerkschaft GEW.

In einem offenen Brief an die Ministerin fordern die vier Organisationen zusammen mit sieben weiteren Verbänden einen „Neustart“ und einen „professionellen Schulgipfel“, der Vertrauen schaffen soll. Die Landesregierung lehnt einen solchen Gipfel bisher ab. Vor wenigen Tagen hatten die Landtagsfraktionen von SPD und Grünen zu einem "Schulgipfel" eingeladen , an dem die Landesregierung nicht teilnahm.

Hier der offene Brief an die Landesregierung im Wortlaut:

Neustart - Schulgipfel in NRW! Nicht nur zu Corona.

"Sehr geehrte Frau Ministerin Gebauer,
Sehr geehrter Herr Minister Laumann,
sehr geehrte schulpolitischen Sprecher*innen,

Die Zusammenarbeit und Abstimmung aller an Schule Beteiligter fordern die betroffenen Verbände seit Beginn der Pandemie. Zwar hat es diverse Einladungen des Ministeriums für Schule und Bildung (MSB) gegeben, aber immer fehlten wesentliche Perspektiven bzw. Verantwortungsbereiche.

Weder die Vertreter der Schulträger...noch Vertreter des Ministeriums
für Arbeit und Soziales (Corona‐Regeln und Gesundheitsämter) saßen im MSB mit den Lehrer‐, Eltern‐ und Schülervertretungen am Tisch, so dass die Verantwortlichkeit für Unzulänglichkeiten vor allen Dingen diejenigen traf, die gerade nicht anwesend waren.


Folge ist nunmehr ein Krisenmanagement, das die unweigerlich aus diesem Umgang resultierende Kritik nach unserer Wahrnehmung immer weniger an sich herankommen lässt. Das tut allen nicht gut und der Sache erst recht nicht.

So wünschen sich die Verbändevertreter einen Neustart und endlich und noch einmal ausdrücklich einen Gipfel, der alle Aspekte und Perspektiven der Krise aufarbeitet und mit der Einbeziehung aller
notwendigen Expertise neues Vertrauen schafft, dass man wirklich die besten Lösungen gefunden hat und die Abwägungen nachvollziehbar sind. Alle Maßnahmen müssen erforderlich, geeignet und angemessen sein.

Hierzu bedarf es eines professionell vorbereiteten „Gipfels“, der gerne durch die Einrichtung von
Arbeitsgruppen zu den einzelnen Themenfeldern in die Tiefe gehen kann: Entscheidungen auf Basis valider Fakten und ausgewogener Bewertungen mit Mut zum Klartext. Nur so schafft man eine gemeinsame Vision der Krisenbewältigung.

Antworten auf Fragen wie:
‐ Fehlt uns eine Stufe in der Planung? Kleine Lerngruppen. Ist das wirklich nicht machbar, obwohl andere Länder uns das vormachen?
‐ Gehen wir mit den Risikogruppen richtig um?
‐ Was läuft gut und was läuft schlecht bei der Digitalisierung und was müssen wir verändern?
‐ Welche Strukturen passen nicht mehr, um effizient Resultate zu erzielen?

Und das sollte eine Blaupause für die Erarbeitungen von Verbesserungen der Bildung zur „Weltbesten Bildung“ in NRW in den zahlreichen anderen Problembereichen unserer Bildungsstrukturen werden.
Hoffnungsvoll
Mit freundlichen Grüßen

Klaus Amoneit (Vorsitzender) Progressiver Eltern‐ und Erzieherverband NRW e.V.
Dr. Aysun Aydemir (Vorsitzende) Föderation Türkischer Elternvereine e.V. (FÖTEV NRW)
Erol Çelik (Vorsitzender) Elternnetzwerk NRW Integration miteinander e.V.
Maike Finnern (Landesvorsitzende) Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband Nordrhein‐Westfalen
Bernd Kochanek (Vorsitzender) Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen e.V. (GLGL e.V)
Jutta Löchner (Vorsitzende) Landeselternschaft der Gymnasien in NRW e.V.
Roland Schiefelbein (Vorstand) Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule– Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens e.V. (GGG NRW e.V.)
Tanja Speckenbach (Vorsitzende) Landeselternschaft der Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung e.V.
Anke Staar (Vorsitzende) Landeselternkonferenz NRW (LEK NRW)
Eva Thoms (Vorsitzende) Mittendrin e.V.
Harald Willert (Vorsitzender) Schulleitungsvereinigung NRW"