Duisburg. Das Jugendamt registriert in Duisburg mehr sexuelle Gewalt an Kindern. Viele Täter kommen aus der Familie. Man geht von hoher Dunkelziffer aus.

Das Jugendamt Duisburg hat bei Kindeswohlgefährdungen vermehrt Fälle mit sexueller Gewalt registriert, wie die zuständige Dezernentin Astrid Neese sagt. Im Jugendhilfeausschuss hat sie zuletzt erklärt: „Von 22 statistisch erfassten Neufällen im Jahr 2018 stieg die Zahl in 2019 um 38 auf 60 neue Fälle.“

Hohe Dunkelziffer bei sexuellem Missbrauch an Kindern

Die Beigeordnete Astrid Neese leitet das Dezernat für Familie, Bildung und Kultur, Arbeit und Soziales.
Die Beigeordnete Astrid Neese leitet das Dezernat für Familie, Bildung und Kultur, Arbeit und Soziales. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Die höheren statistischen Zahlen bedeuten nicht zwingend einen tatsächlichen Anstieg der Fallzahlen, erklärt die Dezernentin. Vielmehr führe die gestiegene Aufmerksamkeit in der Gesellschaft nach Fällen wie in Lügde,Bergisch Gladbach oder Münster zu mehr Anzeigen, bringe also mehr Licht ins Dunkelfeld unbekannter Fälle.

Nur eine Tat von 15 bis 20 Fällen werde entdeckt, zitiert Neese Experten. Die Täter seien meist im näheren Umfeld oder in der eigenen Familie zu finden und meist Männer.

Auf Nachfrage liefert das Jugendamt einen Trend für das Jahr 2020: Bis Anfang Dezember 2020 summierte es sich auf 36 Neufälle von Kindeswohlgefährdung, bei denen auch Anzeichen sexueller Gewalt erfasst wurden.

Das Jugendamt hat binnen elf Monaten 214 Kinder in Obhut genommen

2019 wurden fast 300 Kinder in Obhut genommen, bis Anfang Dezember 2020 waren es 214, davon sind 67 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

„Die geringere Zahl der Inobhutnahmen im Jahr 2020 lässt sich mit einem geringeren Meldeverhalten erklären“, heißt es aus dem Jugendamt. Bei der Stadt Duisburg seien vom 1. Januar bis zum 30. November 2020 insgesamt 1469 Gefährdungsmeldungen eingegangen. Im ganzen Jahr 2019 waren es 1966 Meldungen, 2018 noch 2176 Meldungen.

Die Frage, ob die Corona-PandemieAuswirkungen hat, ob durch den Lockdown im Frühjahr etwa mehr Kinder und Jugendliche (sexueller) Gewalt ausgesetzt waren, kann die Stadtverwaltung nicht beantworten. „Die Ursachen von Kindeswohlgefährdungen sind vielfältig und lassen sich nicht eindeutig auf die coronabedingten Einschränkungen zurückführen“, teilt das Jugendamt mit. Neue Problemlagen durch die Corona-Pandemie seien in den Familien nicht beobachtet worden, in Einzelfällen hätten sich Konflikte innerhalb der Familien jedoch deutlicher gezeigt.

Personalmangel beim ASD – Überprüfung läuft ein Jahr lang

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Es besteht ein Personalmangel beim Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD). Die gesetzlich und fachlich erforderlichen Hausbesuche würden aber durchgeführt, „insbesondere im Bereich der Überprüfung im Kinderschutz“, betont Stadtsprecher Peter Hilbrands. Dafür würden den Fachkräften Schutzausrüstungen wie etwa FFP2-Masken zur Verfügung gestellt. Aufgaben von Mitarbeitern, die zur Risikogruppe gehören, würden von Vertretungskräften übernommen.

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Parallel läuft nach Angaben der Stadt eine Überprüfung des Personalbedarfs im Allgemeinen Sozialen Dienst, die voraussichtlich im Spätsommer 2021 abgeschlossen sei. Trotz sechs Neueinstellungen zum 1. November sind laut Monitoring neun Stellen weiterhin unbesetzt.

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Präventivmaßnahmen in Kitas und Schulen sollen Kinder schützen

Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke betont, dass es in Duisburg viele Präventivmaßnahmen gibt, etwa die Frühen Hilfen, das Schutzkonzept „Kein Raum für Missbrauch“ in den städtischen Kitas, Gewaltpräventionsprojekte und manches mehr. Um fachkundig Missbrauch diagnostizieren zu können, finanziert die Stadt Duisburg vier halbe Stellen. Die Fachkräfte sind beim Kinderschutzbund, bei Wildwasser, bei der Caritas und der Evangelischen Beratungsstelle angesiedelt.

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  • Bundesweit wurden 2019 knapp 16.000 Fälle von sexueller Gewalt an Kindern gezählt – 1300 mehr als im Vorjahr.
  • In NRW stieg die Zahl der bekannt gewordenen Fälle von Kinderpornografie 2019 um 67 Prozent auf 2359 Fälle.

>> HINWEISE BEI VERDACHT AUF KINDESWOHLGEFÄHRDUNG

■ Bei Hinweisen auf eine Kindeswohlgefährdung bzw. bei dem Verdacht, dass es Kindern oder Jugendlichen in der Familie nicht gut geht oder diese nicht angemessen betreut oder erzogen werden, ist der Allgemeine Soziale Dienst des Jugendamtes vor Ort der Ansprechpartner.

■ Informationen zur Erreichbarkeit und Zuständigkeiten erhält man im Internet unter www.duisburg.de Suchwort „Allgemeiner Sozialer Dienst“ (https://www.duisburg.de/vv/produkte/pro_du/dez_iii/51/allgmeiner-sozialer-dienst.php) oder in der Zeit von 8 bis 16 Uhr unter der Rufnummer 0203 283-3484.