Duisburg. In Duisburg wurde im letzten Jahr fast 2000 mal dem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung nachgegangen. 299 Kinder wurden in Obhut genommen.

Von der groben Vernachlässigung bis zum schweren Missbrauch – die Bandbreite dessen, was als Kindeswohlgefährdung bezeichnet wird, ist groß. In Duisburg liefen im vergangenen Jahr 1930 Verfahren, in denen eingeschätzt wurde, ob ein Kind akut oder latent oder gar nicht gefährdet ist.

Einer aktuellen Statistik des Landesbetriebs IT.NRW zufolge waren 161 Kinder akut gefährdet, bei 423 Kindern ergab sich eine latente Gefährdung und bei 590 Kindern war ein Hilfebedarf erkennbar. Falscher Alarm wurde in 756 Fällen gezählt.

Duisburg: Zahl der Inobhutnahmen fast verdoppelt

Hinrich Köpcke, Leiter des Jugendamtes der Stadt Duisburg, war selbst Sozialarbeiter, musste Kinder in Obhut nehmen. Er weiß aus eigener Anschauung, wie herausfordernd der Job für seine 125 Mitarbeiter ist.

Statistisch hat sich deren Belastung zumindest ein bisschen reduziert. Nach auffälligen Häufungen 2017 und 2018 ist die Zahl jetzt wieder gesunken. Gestiegen ist indes die Zahl der Kinder, die in Obhut genommen werden mussten: Von 180 auf 299 in 2019.

Inobhutnahmen sind immer der schwerwiegendste Eingriff in die elterliche Autonomie. „Das ist eine reine Gefahrenabwehr“, betont Köpcke, sie werde nur eingesetzt, wenn es keine Alternative gibt.

Vielfältige Prävention zum Schutz der Kinder

Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke setzt auf vielfältige Prävention, um Kinder zu schützen.
Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke setzt auf vielfältige Prävention, um Kinder zu schützen. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Köpcke betont, dass die Stadt verstärkt auf Prävention setzt. So gebe es vielfältige Projekte in Kitas, außerdem Familien-Hebammen, den Baby-Besuchsdienst, das niederschwellige Angebot der Frühen Hilfen auf der Königstraße. „Wir wollen Kindeswohlgefährdung schon im frühen Stadium vermeiden“, sagt Köpcke.

Auch die Familienhilfe sofort vor Ort und die Schulsozialarbeit nennt er als wichtige Einrichtungen. Die Stadt sei mit ihren Konzepten „stark aufgestellt, aber ich würde nie sagen, dass es nicht noch Bedarf gibt“.

Wichtig sei bei dieser „hoch anspruchsvollen Aufgabe“, dass man sich immer wieder selbst prüfe, sie verlange den Fachkräften viel ab. „Wir haben für jeden Einzelfall eine kollegiale Beratung, es gibt Fall-Supervisionen“, zählt Köpcke auf. Und schließlich lerne man auch aus jedem neuen Fall.

Polizei setzt auf enge Zusammenarbeit mit dem Jugendamt

Caroline Dlutko, Sprecherin der Polizei Duisburg, erklärt, dass die Polizei eng mit dem Jugendamt zusammenarbeite. So werde es sofort informiert, wenn bei Verdachtsfällen im Bereich der Kinderpornografie Kinder mit im Haushalt leben. Auch bei Betäubungsmittel-Delikten werde das Jugendamt oft ins Boot geholt. Stehen Durchsuchungen an, würden Jugendamtsmitarbeiter auch direkt mitgenommen.

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„Zuletzt ist bei einer Verkehrskontrolle aufgefallen, dass eine Mutter ohne Führerschein unterwegs war, Drogen konsumiert hatte und zwei Kinder nicht angeschnallt auf der Rückbank saßen“, schildert Dlutko einen Fall, der ans Jugendamt weitergegeben wurde. Eine Kindeswohlgefährdung sei eben mehr als Missbrauch, es gehe auch um die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflichten.

Auffällig sei, dass sich das Anzeigeverhalten verändert habe, die Menschen seien durch die Fälle in Lügde oder Bergisch-Gladbach sensibler geworden. In der polizeilichen Statistik gab es 2018 13 Fälle von Kindesmisshandlung, 2019 waren es 22 Fälle. Kindeswohlgefährdung wird bei der Polizei nicht gesondert erhoben, sagt Dlutko. Nach der Statistik des Landesbetriebs IT.NRW kamen im vergangenen Jahr 360 Meldungen aus Kreisen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und den Gerichten.

Was tun, wenn man im Umfeld Kindeswohlgefährdung fürchtet?

Das Jugendamt bietet über den Allgemeinen Sozialen Dienst in den Bezirken eine anonymisierte Beratung an. Hier kann man seine Sorgen äußern und schildern, was man beobachtet hat, sagt Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke. Je nach Einschätzung der Lage würden die Mitarbeiter dann aktiv werden. Der ASD ist unter Tel. 0203/94000 zu erreichen, die Nummern der Bezirke sind auf der Internetseite der Stadt Duisburg abrufbar: https://www.duisburg.de/vv/produkte/pro_du/dez_iii/51/allgmeiner-sozialer-dienst.php