Duisburg. Bei der Wahl in Duisburg sind viel weniger Briefwahlscheine als in anderen Städten in die Auszählung eingegangen. Das wirft weitere Fragen auf.

Das weiterhin unaufgeklärte Briefwahl-Chaos bei den Duisburger Kommunalwahlen hatte offenbar erheblichen Einfluss auf die Wahlbeteiligung. Duisburg hatte NRW-weit mit 39,1 % die niedrigste – und hier sind anteilig deutlich weniger der für die Briefwahl angeforderten Wahlscheine in die Auszählung eingeflossen als in anderen Großstädten.

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Etwa 68.000 Duisburger hatten für die Kommunalwahl Briefwahl beantragt – so viele wie nie zuvor bei einer Wahl in Duisburg. Das Foto zeigt Briefwahlunterlagen im städtischen Briefwahl-Zentrum.
Von Philipp Wahl und Martin Schroers

Coronabedingt hatten so viele Duisburger wie nie Briefwahlunterlagen angefordert: 68.080 Anträge gingen nach Angaben des Wahlteams ein. Es habe 55.308 dieser Wahlscheine bei der Auszählung registriert, zudem seien 419 weitere in Stimmzettel für die Urnenwahl umgewandelt worden. Und laut – noch immer: vorläufiger – Amtsstatistik erklärten 1108 Briefwähler am Wahltag eidesstattlich, die Stimmzettel nicht erhalten zu haben, um als Briefwähler im Wahllokal wählen zu dürfen (wir berichteten).

Briefwahl in Duisburg: Nur 83,5 % Rücklaufquote

Das wären also insgesamt 56.835 Stimmen aus 68.080 Briefwahl-Anträgen, was einer Rücklaufquote von 83,5 % entspricht. Bei der Duisburger Kommunalwahl 2014 kamen noch 89,4 % der verschickten Briefwahlscheine zurück.

In Düsseldorf, wo es jüngst ebenfalls Probleme bei der Zustellung der Briefwahlunterlagen gab, lag die Rücklaufquote bei 90,8 % (124.756 Anträge/113.315 Stimmen). In Wuppertal bei 91,2 % (47.929/43.969).

Auch andere Revier-Städte meldeten deutlich höhere Rücklaufquoten als Duisburg: etwa

• Gelsenkirchen 91,3 % (31.011 Anträge/28.324 Stimmen),

• Essen 91,8 (93.202/ 85.526),

• Bochum 91,4 (72.600/66.433) und

• Mülheim 91,6 %.

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Die auffällige Differenz ist ein weiteres Indiz dafür, dass tausende Wahlscheine von solchen Duisburgern auf der Strecke geblieben sind, die wählen wollten. Post und Wahlamt, die sich am Montag noch gegenseitig beschuldigt hatten, sagen nur, man sei dazu „im Austausch“ und „auf Ursachensuche“.

Am Montag noch hatte die Stadt der Post via Pressemitteilung vorgeworfen, dass vor der Wahl in einem Verteilzentrum außerhalb von Duisburg 1500 Wahlbriefe aufgetaucht und verspätet zugestellt worden seien. Ein Post-Sprecher dementierte. Kurz darauf musste Wahlleiter Murrack einräumen, möglicherweise habe die Stadt der Post 37.000 statt nur 4500 Wahlbriefe mit falsch formatierter Adresse geliefert. All das habe angeblich jedoch nur geringfügige Verzögerungen verursacht und erkläre nicht, warum viele Duisburger gar keine Wahlbriefe erhielten.

Das sagt das Kommunalwahlgesetz

Mehrere Betroffene, die nicht – wie erlaubt – in ein Wahllokal gehen konnten, hatten gegenüber unserer Redaktion angekündigt, die Wahl beim zuständigen Duisburger Wahlleiter anzufechten. Einspruch kann jeder Wahlberechtigte binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Ergebnisse erheben. Bis Freitagmittag lagen der Wahlleitung laut Presseamt keine Einsprüche vor.

Deren Erfolgschancen hinge davon ab, ob Versäumnisse, Fehler oder Betrugsversuche nachweisbar Einfluss auf einzelne Wahlergebnisse hatten und mandatsrelevant waren, erläutert ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. Er verweist auf § 40, (1) b) des Kommunalwahlgesetzes:

„Wird festgestellt, daß bei der Vorbereitung der Wahl oder bei der Wahlhandlung Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, die im jeweils vorliegenden Einzelfall auf das Wahlergebnis im Wahlbezirk oder auf die Zuteilung der Sitze aus der Reserveliste von entscheidendem Einfluß gewesen sein können, so ist die Wahl in dem aus § 42 Abs. 1 ersichtlichen Umfang für ungültig zu erklären und dementsprechend eine Wiederholungswahl anzuordnen (§ 42).“

Einzelne Stimmen hatten mehr Gewicht

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Es wäre also zu prüfen, welchen Einfluss die bekannten – und offenbar: weitere – „Unregelmäßigkeiten“ beim Briefwahlversand auf einzelne Ergebnisse hatten. Dasselbe gilt für die mutmaßlichen Wahlbetrugsversuche, deretwegen gegen BIG-Dergah- und WGD-Kandidaten ermittelt wird. Wahlleiter Martin Murrack berichtet am 22. September dem Wahlausschuss. Ein Termin für den Wahlprüfungsausschuss wurde noch nicht veröffentlicht.

Fest steht: Wegen der geringen Rücklaufquote, der besonders niedrigen Wahlbeteiligung und der Rekordzahl von 30 Überhang- und Ausgleichsmandaten hatten einzelne Stimmen bei dieser Ratswahl mehr Gewicht. Dem Bündnis „Solidarität für Duisburg“ (SfD) reichten für den Einzug in den Rat 958 Stimmen (0,69 %) – 634 weniger als 2014 den Bürgerlich-Liberalen (1592; 1,09 %).

Zum Vergleich: Hätte Duisburg ebenfalls zumindest eine Rücklaufquote von 90 % bei den Briefwählern erreicht, wären etwa 4400 Stimmen mehr berücksichtigt worden.