Duisburg-Duissern. Letztes Fensterkonzert am Ottilienplatz mit Stücken vom Steigerlied bis „Final Countdown“. Verpasst? Im Dezember kommt die Musik zurück.
„Bleiben Sie zuversichtlich“, zitierte Doris Stegemann den Tagesschau-Sprecher Ingo Zamperoni, kurz bevor sie mit ihren Mitmusikern das letzte Stück der letzten Corona-Musik am Duisburger Ottilienplatz in Duissern anstimmte. Über knappe zwei Monate hinweg spielten sie und vier andere Musiker jeden Sonntag aus den Fenstern ihrer Wohnungen, um den Menschen ein wenig Entspannung in der schwierigen Coronazeit zu spenden. Mit großem Erfolg, zum letzten Konzert am vergangenen Sonntag kamen weit über 200 Menschen, um dem Ensemble aus dem Dunstkreis der Musikschule der Stadt Duisburg (MKS) zu lauschen. Trompeter Rüdiger Testrut, Gitarrist Reinhard Kaisers und Flötistin Marie-Therese Schmitz sind oder waren Dozenten an der Musikschule, Klarinettistin Stegemann lernt ihr Instrument an der MKS.
Duisburger Corona-Musik ist ein Plädoyer für die Kraft der Musik
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Schon bevor es um 18 Uhr losgeht, tummeln sich auf dem Ottilienplatz Musikfans der Altersklassen Kinderwagen bis Altenheim und bringen sich mit Bierchen und Zigaretten in Konzertstimmung. Als das Steigerlied das gut einstündige Konzert eröffnet, lassen sogar die Basketballer auf dem angrenzenden Sportplatz den Ball ruhen und lauschen aufmerksam, was da aus den Fenstern tönt.
Gitarre und Bläser stehen in einem Haus an vier Fenstern, Pianist Marius Furche schickt seinen Klaviersound über zwei Boxen von der Bechemstraße auf den Ottilienplatz. Ein besonderer Clou: Die Telefone der Musiker dienen, dank Freisprechanlage, als Monitorboxen, das Zusammenspiel funktioniert also auch über mehrere Häuser hinweg. So wird das Publikum Zeuge einer entspannten, ungezwungenen, sogar magischen Darbietung, die das Virus nicht vergessen macht – aber ganz sicher zeigt, dass die Kunst als Bindeglied der Gesellschaft jeder Pandemie trotzt.
Duisburger hören Hits quer durch die Genre
Während sich Passanten und Autofahrer verwirrt durch das Publikum schlängeln, stehen die Zuhörer abwesend-verzaubert rund um das pinkfarbene Fahrrad auf dem Ottilienplatz und lauschen dem Standard „Summertime“, „Amazing Grace“ oder einem Abba-Medley – mit den Vögeln als Begleitorchester.
Mit Cohens „Halleluja“ und Beethovens Götterfunken haben sich während der Pandemie zwei echte Corona-Hits hervorgetan, als die beiden Stücke am Sonntag gespielt werden, summt oder singt das ganze Publikum. Zum Klaviermedley mit „Final Countdown“ und Van Halens „Jump“ wird dann mitgeklatscht, der „Pink Panther“ wird mit Fingerschnipsen zum Mitmachstück. Die große Begeisterung der Zuhörer schlägt sich auch in einer spontan organisierten Spendenaktion nieder, aber „wir wollen das Geld nicht haben“ sagt Doris Stegemann, und verkündet, die Summe stattdessen an „Gemeinsam gegen Kälte“ zu spenden.
Keine Probleme mit Ordnungsamt oder Polizei
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Nach dem Finale, Bonhoeffers „Von guten Mächten“, stehen die Musiker zusammen, lassen sich ein Pils schmecken – und denken zurück an die Erfolgsgeschichte „Corona-Musik“. „Am Anfang mussten wir schon länger spielen, bis mal ein paar Leute gekommen sind, aber zuletzt war das Konzert ein Selbstläufer“, freut sich MKS-Trompetendozent Rüdiger Testrut. Probleme mit dem Ordnungsamt habe es nicht gegeben, im Gegenteil, die ganze Nachbarschaft sei von dem Konzept begeistert gewesen, erzählt Pianist Marius Furche. „Eine Nachbarin hat mir anonym geschrieben, dass sie gar nicht wisse, wie es ohne die Corona-Musik weitergehen soll, eine andere hat sich bedankt, dass wir sie aus einem depressiven Loch geholt haben.“
Mehr Musik von den „Corona-Musikern“
Wer die Corona-Musik auf dem Ottilienplatz verpasst hat, kann sich einen Zusammenschnitt auf Marius Furches YouTube-Kanal anhören und -sehen, auf der Videoplattform unter dem Namen des Pianisten zu finden.
Mehr Infos, Kontaktdaten und Hörproben des freischaffenden Pianisten gibt es auf seiner Homepage auf:
marius-furche.de
Mehr von Trompeter Rüdiger Testrut gibt es im Dezember nicht nur beim „kleinsten Weihnachtsmarkt Duisburgs“ zu hören, sondern auch von seiner MKS Big Band, die in der Gebläsehalle zum zweiten Mal ihr Weihnachtskonzert spielt.
Bis es am Ottilienplatz wieder Musik zu hören gibt, dauert es noch bis Dezember. Dann, am Nikolaustag, steigt rund um das pinke Fahrrad wieder der „kleinste Weihnachtsmarkt Duisburgs“, wie schon im vergangenen Jahr. Der Duisserner Künstlerkiez hat 2020 also noch nicht Feierabend, denn, so fasst es Marius Furche treffend zusammen: „Wir wollen einfach spielen.“