Duisburg. Freischaffende Musiker fürchten trotz Soforthilfe um ihre Existenz. Sängerin Anja Lerch beklagt eine “Katastrophe“! Fünf Beispiele aus Duisburg.

Die Corona-Krise trifft viele Menschen hart. Existenzbedrohend ist sie für freischaffende Künstler, die bislang von ihrem Beruf gelebt haben. Zu Wort melden sich jetzt die bekannte Duisburger Sängerin Anja Lerch und der Duisburger Arzt Dr. Donald Becker, der als Stimm-Therapeut viele Kontakte zu Musikern hat.

Musiker haben wegen der Corona-Pandemie einen Hagel von Absagen erlebt. "Bis Ende Oktober sind alle Auftritte abgesagt", sagt Anja Lerch. "Eine Katastrophe!" Unterstützung ist nicht in Sicht. Zwar gab es zu Beginn der Krise vom Land eine Soforthilfe von 2000 Euro, doch die dafür zur Verfügung gestellten fünf Millionen Euro waren schon bis zum 9. April vergeben, mehr als 13.000 Künstler gingen leer aus.

Künstler dürfen Soforthilfe nicht für Lebensunterhalt verwenden

Die Soforthilfe für Solo-Selbständige von einmalig 9000 Euro, die zunächst ohne Vorgaben gewährt werden sollte, wurde dann auf Betriebskosten eingeschränkt. Die sind bei Musikern zumeist überschaubar. "Wir bekommen keinerlei Unterstützung", sagt Anja Lerch, die als Alleinerziehende besonders gebeutelt ist, aber auch aus Gesprächen mit Kollegen um deren Nöte weiß und betont, sie spreche nicht nur für sich. "Der Zustand erschüttert mich", sagt die Sängerin nicht nur mit Blick auf die finanzielle Situation und den Weg in Hartz IV. "Ein Künstler, der nicht spielen darf, ist kein Künstler."

Keine neuen Aufträge: Ungewissheit plagt auch Jupp Götz

Die Ungewissheit plagt auch den Duisburger Musiker Jupp Götz, der mit der Absage des Sommerkinos im Landschaftspark einen weiteren Schlag verkraften muss. "Damit sind neun wichtige Sommerjobs weg." Bis in den September reichen bei ihm die Absagen. "Und das Schlimmste ist, es kommen keine Aufträge für Sommer und Herbst rein, weil keiner mehr etwas plant."

Die nächsten "zwei bis drei Monate" könne er vom Gesparten leben, das er als Freiberufler etwa für den Fall einer Krankheit stets auf der hohen Kante habe, sagt Götz. Grundsicherung will er nicht beantragen. "Ich hau mich selbst durch soweit es geht."

Duisburger Arzt nennt die Situation für Musiker "Berufsverbot"

Der Duisburger Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Donald Becker, der auch auf die Behandlung von Stimmstörungen von Erwachsenen spezialisiert ist und viele Sänger zu seinen Patienten und Freunden zählt, kennt deren prekäre Situation. Er nennt die aktuelle Situation "Berufsverbot" und ist empört, dass jede Unterstützung ausbleibt.

Becker nennt etwa den Lehramtsstudenten Martin Madeja (26), der von den Einnahmen seines Schlagertrios "Zeitflug" und einem Job in der Gastronomie gelebt hat. Ihm ist beides weggebrochen, er hat seine Riester-Rente gekündigt, die er als 18-Jähriger als Altersvorsorge abgeschlossen hatte. "Miete, Rechnungen, Essen - wenn ich sparsam lebe, reicht es noch zwei Monate", sagt Madeja.

Gitarrist hat zurzeit Einnahmen von 350 Euro im Monat

"Ich lebe von Tag zu Tag, von Woche zu Woche", sagt Ralf Franke. Der 62-jährige Gitarrist lebt von seinen Auftritten und hat mit seiner Party-Band "The Poor Boys" auch schon beim Duisburger Weihnachtsmarkt gespielt. Er musste den größten Teil der 9000 Euro Soforthilfe zurückzahlen, konnte davon lediglich Kosten für einen Transporter sowie für Boxen und Probenraummiete finanzieren. Auch er fragt sich, wie es ab Juni weiter gehen soll. Einnahmen hat er zurzeit nur aus einem Dozentenjob: 350 Euro pro Monat.

Befürchtungen gelten auch der "Zeit danach"

Rob Fransson von der der Hardcore-Punk-Band "Born from Pain" lebt aktuell von seinem Nebenjob als IT-Trainer und hat jüngst bei einem Imbiss für den Lieferdienst angeheuert. "Ich stehe extrem auf dem Schlauch", sagt der 48-Jährige, der bis zum 31. August keinen Auftritt mehr hat. Er hat Grundsicherung beantragt, aber das Verfahren dauert. Und er fürchtet, dass nach der Corona-Krise viele Einnahmequellen versiegt sind - wenn auch viele Clubs und Musikkneipen pleite gehen.

>> GRÜNE FORDERN MEHR UNTERSTÜTZUNG

- Die Duisburger Grünen fordern im nächsten Kulturausschuss am 15. Mai Nachsteuerungen bei der Unterstützung für Kulturschaffende.

- Mit anderen Kommunen soll sich Duisburg beim Land dafür einsetzen, dass Künstler die Corona-Soforthilfe auch für ihre Lebenshaltungskosten verwenden dürfen.

- Zudem soll von der Bundesregierung ein Kurzarbeitergeld für Künstler eingerichtet und der temporäre Kulturnothilfefonds zur Sicherung der kulturellen Infrastruktur eingesetzt werden.