Duisburg. Die Idee, ein Stück zur Loveparade in Duisburg zu inszenieren, nutzt ein Verein zur Kritik an der Stiftung, die sich um Betroffene kümmert.

Ein Theaterstück sorgt für Kontroversen, noch bevor es geschrieben ist. Der Plan des Duisburger Komma-Theaters, ein Stück zur Loveparade auf die Bühne zu bringen, wird vom Vorsitzenden des Vereins Lopa 2010 e.V. scharf kritisiert: „Es ist unmoralisch, aus dem schlimmsten Tag der Betroffenen und Hinterbliebenen ein Theaterstück zu kreieren, das von den Mitverantwortlichen finanziert wird, ohne das die Möglichkeit einer adäquaten Aufarbeitung gegeben ist“, schreibt Thorolf Schmidt.

Der Verein wolle einen würdevollen zehnten Jahrestag, keinen politischen Wahlkampf, „Theater oder sonstiger Tamtam“ hätten da nichts zu suchen.

In einer Stellungnahme betont die Stadt Duisburg, dass die Kunstfreiheit ein im Grundgesetz verankertes Grundrecht ist, das dem Schutz künstlerischer Ausdrucksfreiheit diene. Eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Loveparade dürfe demnach kein Tabuthema für eine städtische Unterstützung sein. Allerdings gebe es keine städtische Unterstützung für die geplante Inszenierung, wie eine Stadtsprecherin betont, wohl aber für das Komma-Theater und die Theatergruppe.

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Das Komma-Theater seinerseits erklärt: Das Stück werde auf keinen Fall das Unglück vom 24.7.2010 abbilden. „Die Katastrophe ist auf der Bühne nicht darstellbar.“ Man wolle sich vielmehr mit der Frage auseinandersetzen, wie es im Vorfeld dazu kommen konnte und wie im Nachhinein damit umgegangen wird.

Stiftung soll sich an Spendengeldern bereichert haben

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Kernvorwurf von Lopa 2010 in der aktuellen Pressemitteilung ist, dass sich die Evangelische Kirche mit Spendengeldern bereichert habe. Dem Ombudsmann der Stadt und Vorsitzenden der Stiftung Duisburg 24.7.2010, Jürgen Widera, wird ein Interessenskonflikt unterstellt, weil er auch evangelischer Pfarrer ist.

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Widera kennt die Vorwürfe, weil er sie schon oft gehört hat. „Das ist nicht schön, über Jahre immer wieder an den Pranger gestellt zu werden“, erklärt er, zumal in der Stiftung viele ehrenamtlich Zeit investieren, um zu helfen. Aus seiner Sicht können die Vorwürfe leicht entkräftet werden.

Stiftung Duisburg 24.7.2010 betreibt Beratungsstelle

Jürgen Widera ist Vorsitzender der Stiftung 24.7.2010, die sich um Betroffene der Loveparade-Katastrophe kümmert.
Jürgen Widera ist Vorsitzender der Stiftung 24.7.2010, die sich um Betroffene der Loveparade-Katastrophe kümmert. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Die Stiftung organisiert Betroffenen eine Betreuung an allen Prozess-Tagen, zusammen mit den Notfallseelsorgern aus der Region – auf ausdrücklichen Wunsch des Gerichts. Finanziert wird das aus Mitteln der Landesregierung. Seit Prozessbeginn bis Ende 2018 wurden 100.000 Euro für Personalkosten der Notfallseelsorger ausgegeben, deutlich weniger als die ursprünglich veranschlagten 300.000 Euro, sagt Widera. Die Betreuung sei ein Novum in NRW gewesen, betont der Pfarrer, die emotionale Belastung der einzelnen Prozesstage für die Prozessteilnehmer schwer vorhersehbar.

Seit einem Ratsbeschluss stehen der Stiftung aus städtischen Mitteln 50.000 Euro pro Jahr zur Verfügung – damit wird die Pflege der Gedenkstätte, der Jahrestag und die Organisation sowie die Beratungsstelle finanziert. Im Beirat der Stiftung sitzen zwei Eltern von Opfern der Loveparade, eine Verletzte, ein Journalist, außerdem Oberbürgermeister Sören Link und Ex-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, sie alle „bekennen sich zur Verantwortung für die Folgen der Katastrophe“.

Die Stiftung hat nach eigenen Angaben bei Rentenanträgen geholfen, bei der Vermittlung von Therapieplätzen, teils inklusive Kostenübernahme, sowie bei der Organisation der Selbsthilfegruppe. Regelmäßig kommuniziert sie mit rund 150 Betroffenen und Hinterbliebenen. Da jeder unterschiedlich mit Verlust und Leid umgeht, wollten manche keinen Kontakt, erklärt Widera, andere hätten die Katastrophe bereits verarbeitet. Der Verein Lopa 2010 behaupte, 300 Leute zu vertreten, „das ist Unfug“, der Verein stehe eher für Mitglieder im einstelligen Bereich. Über neun Jahre nach der Katastrophe kennt man sich.

Viele Stiftungen und Vereine gibt es nicht mehr

Im ersten Jahr organisierten sich viele engagierte Bürger, Vereine und Stiftungen, inzwischen sind die meisten Initiativen inaktiv: Die Webseite Loveparade-sammelverfahren.de führt zu einem Jimi-Hendrix-Gedenkstein, die Seite Massenpanik-Selbsthilfe.de führt auf ein Webseiten-Verkaufsportal, die Webseite Gedenkwochenende des Bürgerkreises Gedenken ist nicht erreichbar, der Verein Never Forget vergessen.

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Auch der kritikführende Verein Lopa 2010 hat eine Webseite, die aber auf dem Stand von 2015 ist. Auf der Facebook-Seite bezeichnet er sich als „offizieller Ansprechpartner für Betroffene und Hinterbliebene“. Es gibt allerdings nur 94 Abonnenten der Seite, darunter Journalisten, die aus beruflichem Interesse solche Seiten beobachten. Posts der letzten Jahre bekommen kaum mehr als eine Handvoll Likes.

Zu den treibenden Kräften des Vereins gehören zwei Männer, die 2016 im Streit die Stiftung verlassen haben. Gegen einen von ihnen, der Nebenkläger bei der Loveparade ist, läuft ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, weil es Zweifel an seinen Loveparade-Folgeschäden gibt. Eine Anfrage zum aktuellen Stand des Verfahrens blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Aktueller Stand beim Prozess vor dem Landgericht

Seit den Sommerferien stehen sechs Angestellte der Stadt Duisburg als Zeugen vor Gericht. Sie waren im Bauamt in das Genehmigungsverfahren involviert und ursprünglich auch angeklagt. Das Verfahren gegen sie wurde Anfang Februar eingestellt. Jetzt sollen sie im Zeugenstand die Abläufe vor dem schicksalhaften Tag erhellen. Termine für die Stadtmitarbeiter sind bis zum 28. November geplant.

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Von Felix Laurenz, Peter Sieben