Duisburg. . Beim Loveparade-Prozess in Duisburg sagten Dienstag die Nebenkläger Claas und Marius Tegtmeyer aus. Ihr Vater Uwe ist ihr Rechtsbeistand.
Nach drei Stunden hatte es Claas Tegtmeyer geschafft. Als Nebenkläger sollte der 34-Jährige im Loveparade-Verfahren am Dienstagvormittag vor der VI. Großen Strafkammer des Landgerichts seine Erinnerungen an die Katastrophe im Karl-Lehr-Tunnel schildern, bei der am 24. Juli 2010 insgesamt 21 junge Menschen ums Leben gekommen waren und Hunderte verletzt wurden. „In meinem Alltag habe ich das damals Erlebte irgendwie verdrängen können. Jetzt zur Verhandlung ist aber alles wieder hochgekommen“, verriet der Betroffene, nachdem er als Zeuge entlassen worden war.
An seiner Seite im Gerichtssaal der Messe Düsseldorf saß Uwe Tegtmeyer. Der seit 1975 in Duisburg praktizierende Anwalt ist nicht nur der Rechtsbeistand, sondern auch der Vater der Nebenkläger Claas und Marius Tegtmeyer. Der Zwillingsbruder von Claas ließ seine Ausführungen und Schilderungen zum Katastrophentag gestern Nachmittag folgen.
Die Suche nach den Söhnen
„Für mich war das damals auch ein schlimmer Tag“, blickt Rechtsanwalt Uwe Tegtmeyer zurück.
„Als ich gehört hatte, dass es Tote gegeben haben soll, bin ich sofort los in Richtung Veranstaltungsgelände, um meine Söhne zu suchen. Erst gegen 19 Uhr habe ich sie dann über das Handy erreicht und erfahren, dass sie unverletzt da rausgekommen sind.“
Körperlich sei er in dem tödlichen Gedränge selbst nicht verletzt worden, hatte Claas Tegtmeyer zuvor im Gerichtssaal geschildert. Er habe aber in den ersten drei bis vier Wochen nach der Katastrophe in jeder Nacht Alpträume sowie massive Schlafstörungen gehabt, erzählte er dem Vorsitzenden Richter Mario Plein. Es habe ein Treffen mit einem Psychotherapeuten gegeben. Sich dort dann länger in therapeutische Behandlung zu begeben, wollte Tegtmeyer aber nicht. „Aber noch heute bekomme ich bei allen Massenansammlungen sofort wieder Beklemmungen“, schilderte der Zeuge sein Innenleben.
Innerlich noch immer aufgewühlt
Wie sehr das Erlebte Claas Tegtmeyer noch immer aufwühlt, zeigte sich auch während der gesamten Befragung durch Richter Plein sowie danach durch die Vertreter der Staatsanwaltschaft und die Anwälte der Verteidigung. Fast jede Frage musste der Zeuge innerlich sacken lassen. Es vergingen 30 bis 40 Sekunden, ehe er zu einer Antwort ansetzte. Manchmal wirkte das auf die Prozessbeobachter, als krame Tegtmeyer in seinen Erinnerungen, um möglichst genau die Fragen zu beantworten. Manchmal wirkte es aber auch so, als habe ihn eine Frage emotional völlig überfordert.
Sehr klar und plastisch waren seine Schilderungen aus dem Tunnel: Heiß und stickig sei es gewesen, als sich die Massen darin drängten. Und laut, weil Alkoholisierte anfingen zu grölen. Irgendwann habe man dann dort – die Körper bereits dicht an dicht – in der Menschenmenge festgesteckt und sei durch Wellenbewegungen in der Masse unkontrolliert in Richtung Rampe gedrängt worden. „Ich habe da zu meinem Bruder noch gesagt: Hoffentlich kommen wir hier lebend raus“, so Tegtmeyer.
Als sich dann auch noch ein Polizeiwagen durch das Gedränge seinen Weg bahnte, sei die Stimmung unter den zusammengezwängten Besuchern am Fuße der Rampe gekippt und noch aggressiver geworden. Das habe vor allem am eingeschalteten Martinshorn gelegen. „Wir haben uns alle nur gefragt: Wieso müssen die jetzt hier durch? Und wieso mit eingeschalteter Sirene?“ schilderte Tegtmeyer.
>>> Rechtsanwalt erneuert seine Kritik
- Rechtsanwalt Uwe Tegtmeyer erneuerte gestern noch einmal sein Unverständnis, dass sich unter den Angeklagten kein einziger Polizei-Verantwortlicher befindet. „Man kann schon einmal die Frage aufwerfen: Fehlen da nicht einige entscheidende Leute auf der Anklagebank?“, sagte Tegtmeyer.
- Sein Sohn Marius sagte dann als Zeuge am Nachmittag aus – auch rund drei Stunden lang.