Duisburg. Sie stehen für zusammen 70 Jahre Betriebsratsarbeit bei Thyssenkrupp: Wilhelm Segerath und Günter Back treten zur Wahl im März nicht wieder an.
Feindliche Übernahme durch Krupp, friedliche Fusion mit Krupp, Bedrohung durch Brüsseler CO2-Regelungen, Fusion von Thyssenkrupp mit Tata – im Kampf um Arbeitsplätze hatten Wilhelm Segerath und Günter Back immer Arbeit satt. Nach 35 Jahren im Betriebsrat des Stahlkonzerns – und davon die meiste Zeit in führenden Funktionen – treten die beiden erfahrenen Arbeitnehmervertreter im März nicht noch einmal zur Betriebsratswahl an.
Sozialdemokrat und CDU-Mitglied Seit an Seit
„Wir haben nicht alle Auseinandersetzungen gewonnen, aber wir haben viel erreicht“, sagt Segerath im Rückblick. Nennt den sechswöchigen Stahlstreik Ende der 70er Jahre und damit den Einstieg in die 35-Stunden-Woche. Aus 18 Tagen Urlaub wurden 30, die feindliche Übernahme durch Krupp scheiterte nicht zuletzt am entschlossenen Widerstand der Thyssen-Belegschaft, und aktuell habe man zur Absicherung der Standorte und Arbeitsplätze bei einer Fusion mit Tata einen „Tarifvertrag auf die Beine gestellt, der sich sehen lassen kann.“
Darauf ist auch Back stolz. Standortgarantien in diesem Umfang habe es noch nie gegeben, dazu habe man Investitionen und Ausbildungskapazitäten langfristig festegeschrieben, ebenso die weitere Verantwortlichkeit von Thyssenkrupp für den Stahlbereich.
„Unsere Stärke kommt aus dem hohen Organisationsgrad“
Aber Back betont auch, dass es auch künftig immer wieder Situationen geben wird, wo sich die „Machtfrage“ stellt, wo eine starke kampfbereite und in der IG Metall verankerte Belegschaft zeigen muss, was sie will. Und was nicht. Ihn habe immer tief beeindruckt, wie entschlossen und solidarisch die Kollegen zu Tausenden auf die Straße gegangen sind, wenn’s nötig war. Das habe auch den Betriebsräten den Rücken gestärkt. „Unsere Stärke kommt aus dem hohen Organisationsgrad“, sagt Segerath. In Hamborn sind 75 Prozent der Belegschaft Mitglied in der IG Metall, an anderen Standorten sind’s an die 100 Prozent. Und seit dem Abschluss des Fusions-Tarifvertrages, sagt Back, seien viele Kollegen neu zur IG Metall gekommen.
Segerath ist überzeugter Sozialdemokrat, Back ebenso überzeugter Christdemokrat – wie funktionierte das Gespann über Jahre? „Es gibt gute Gewerkschafter aus CDA-Kreisen“, sagt Segerath anerkennend. Und Back ist stolz auf das Vertrauen, das auch Andersdenkende ihm über all die Jahre entgegengebracht haben: „Die Einheitsgewerkschaft habe ich leben und erleben können.“
Und was geben die erfahrenen Arbeitnehmervertreter ihren Nachfolgern mit auf den Weg? „Sie sollten darauf achten, dass die Mitbestimmung nicht zurückgefahren wird“, sagt Segerath und verweist auf die Bedeutung der industriellen Wertschöpfung. „Man muss diesen Job mögen“, sagt Back im Rückblick auf die lange Betriebsratszeit: „Und die Menschen, die nicht immer gleich sind.“
Tekin Nasikkol könnte Nachfolger werden
Überzeugt sind die beiden scheidenden Betriebsräte, dass die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen in Deutschlands größtem Stahlkonzern auch ab März weiter gewährleistet ist. „Es kommt nicht nur auf zwei Leute an“, sagt Segerath. Wichtig sei das ganze Betriebsrats-Team, und da seien gute und auch erfahrene Leute am Start. Back: „Ich weiß, dass es vernünftig weiter geht.“ Gute Chancen, neuer Betriesratsvorsitzender am wichtigen Standort Hamborn/ Beeckerwerth zu werden, hat Tekin Nasikkol, bislang Backs Stellvertreter. Ihm zur Seite stehen dürfte in der neuen Wahlperiode als Stellvertreter der ebenfalls erfahrene Horst Gawlik, bisher Geschäftsführer des Betriebsrates.
Für Back und Segerath wird es sowieso ein schleichender Ausstieg, weil Gesamtbetriebsrats- und Konzernbetriebsratsmitglieder noch ein paar Monate im Amt bleiben bis zur Neukonstituierung der Gremien.
Und was machen zwei Betriebsräte, die über Jahrzehnte beharrlich für die Interessen ihrer Kollegen gekämpft haben, wenn denn in Rente gehen? „Ich könnte mein Englisch für Lohnempfänger verbessern“, verrät Segerath, der auf jeden Fall mehr Zeit mit seiner Frau verbringen will. Öfter mal wieder Kanu oder Fahrrad fahren, hat sich Back vorgenommen. Und beide zieht’s in ihren Garten.