Zwei IG-Metaller erzählen, warum für sie die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft so wichtig ist. Verbesserung der Lebensqualität

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BEDEUTUNG DER GEWERKSCHAFT HEUTE Duisburg: 100 000 Menschen in der Stadt sollen arm sein. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Hartz IV wächst und gedeiht und droht immer mehr Menschen. Aber wo sind diese Menschen? Warum gehen sie nicht auf die Barrikaden, um gegen das zu kämpfen, was Annegret Finke die "soziale Ungerechtigkeit" nennt? Finke ist Betriebsrätin und IG-Metall-Vertauenskörperleitern bei Thyssen-Krupp Steel. Sie vertritt 10 500 stahlharte Typen.

Und damit wäre man beim Thema. Bei Thyssen-Krupp Steel ist die Welt nämlich noch in Ordnung. 80 Prozent der ca. 12 000 Mitarbeiter sind organisiert, die Alten wie die Jungen. Doch an die Menschen, die schon durchs Raster gefallen sind, die keinen Job mehr haben, kommt die Gewerkschaft nicht ran. "Dabei machen wir uns viele Gedanken, wie man ihnen helfen könnte", sagt Finke. Doch die meisten betrachteten Arbeitslosigkeit als persönliches Schicksal, nicht als strukturelles Problem. Finke: "Es müssten sich viel mehr Menschen zusammenschließen."

Wie wichtig die starke Gewerkschaft im Nacken ist, das war Franz-Werner Kruschek (58) vor Jahren genauso klar, wie Özlem Bala (25). Beide erzählen, wie sie zur Gewerkschaft kamen, wie sie sie sahen und sehen und warum sie es für so wichtig halten, organisiert zu sein.

"Meine Familie war sozialdemokratisch geprägt, da war man eh für die Gewerkschaft zugänglich", sagt Kruschek. Der gelernte Maler und Lackierer fing 1970 auf der Hütte an. "Mit einer 42-Stunden-Woche", sagt er. In der Gewerkschaft war er schon allein, um seine Lebenssituation zu verbessern. "Die 35-Stunden-Woche und auch Lohnerhöhungen sind nicht von alleine gekommen", erklärt er. Habe er früher für die Verbesserungen eingestanden, kämpfe er heute dafür, "dass uns nichts weggenommen wird".

Özlem Bala hatte 2003 ihre Ausbildung zur Bürokauffrau begonnen. Gewerkschaft war für sie kein Fremdwort. In der Schule hatte man darüber gesprochen. "Aber erst als ich 2004 zur Jugendvertreterin gewählt wurde, habe ich erfahren, was Gewerkschaftsarbeit bedeutet", sagt Bala. Die Jungen und die Alten kämpften zum Beispiel gemeinsam dafür, dass nun 1 000 Auszubildende bis zum Jahr 2013 feste Arbeitsplätze erhalten. "Uns fehlt eine ganze Generation von jungen Leuten, die alle nicht übernommen wurden", verdeutlicht Kruschek.

Warum läuft es bei Thyssen-Krupp so gut mit der IG Metall? "Vielleicht", überlegt Annegret Finke, "hat es teilweise mit der Geschichte zu tun." Dann erinnert sie an das Jahr 1997, als da vor den Toren alles schwarz war von Menschen. 13 000 demonstrierten damals gegen die feindliche Übernahme durch Krupp. "Das wäre ein Riesencrash geworden", sagt Finke mit Blick auf die Arbeitsplätze. Die feindliche konnte in eine freundliche Fusion abgewandelt werden. So ist das, wenn Menschen sich zusammenschließen.

Doch auch bei Thyssen-Krupp wird der Druck stärker, weiß die Gewerkschafterin. Es ist der Wind der Globalisierung, der den Menschen hier wie überall hart ins Gesicht weht. "Alles ist zu einer Ware geworden, ich bin eine, meine Arbeitskraft ist eine und die will man so billig wie möglich haben", stellt Finke nüchtern fest. Manager hätten wenig Skrupel, Druck auszuüben. Wenn sie hier nicht produzieren könnten, dann eben woanders.

Doch die Gewerkschaften haben reagiert und sind auf den Globalisierungszug aufgesprungen. Wimpel von Gewerkschaften in Russland, Tschechien oder Polen hängen in Annegret Finkes Zimmer. "Es gibt einen Europäischen Gewerkschaftsbund", sagt sie. Und ja, zu den brasilianischen Gewerkschaften hat man Kontakt aufgenommen, weil doch Thyssen-Krupp jetzt ein großes Werk dort baue. Auch mit den Kollegen in den USA steht man in Kontakt. Ein Teil der Brammen, das sind riesige Stahlklötze, die in Brasilien produziert werden sollen, werden in dem Kaltwalzwerk in den USA zu Blechen weiterverarbeitet, ein Teil in Walzwerken in Duisburg. "Wir wollten auch davon profitieren", sagt Finke über die Produktionsstätte in Brasilien. So geht Globalisierung also auch.