Duisburg. Die Panik bei der Loveparade-Katastrophe bestimmt auch sieben Jahre später Antonias Leben. Fiktionaler Film macht die Traumatisierung greifbar.
- WDR-Film „Das Leben danach“ läuft am 27. September um 20.15 Uhr im Ersten
- Sieben Jahre nach der Katastrophe: Antonia leidet an Albträumen, Flahsbacks, Aggressionsschüben
- Mitarbeiter wurden während der Dreharbeiten von Trauma-Spezialisten begleitet
Wie eine Dampfwalze fällt sie gleich in der Eingangsszene über die Gedenkstätte her, zertrümmert Schilder, Vasen, Kerzen, erst der eintreffende Streifenwagen lässt sie innehalten. Antonia (Jella Haase) ist die Hauptfigur des WDR-Films „Das Leben danach“, der beispielhaft zeigt, was die Loveparade-Tragödie sieben Jahre später mit Menschen, ganzen Familien angerichtet hat. Wie sie um Normalität ringen, um Liebe, Frieden, einen Job – und immer wieder scheitern.
Ein rosafarbener Schal segelt sanft zu Boden. In Antonias Kopf löst er einen Alptraum aus, der nicht aufhört: Plötzlich ist sie wieder mittendrin im Tunnel, um Luft ringend, um ihr Leben kämpfend. Mit Mathematik-Aufgaben kann sie ihre inneren Dämonen, ihre Flashbacks halbwegs bezwingen, beißt aber jeden weg, der in ihre Nähe kommt. Brutal verläuft denn auch die Beziehung, die sich zwischen ihr und dem Taxifahrer Sascha Reinhardt (Carlo Ljubek) entwickelt.
Die Geschichte des Films ist fiktional
Die Geschichte ist fiktional, basiert aber auf der Katastrophe, die 21 Menschen nicht überlebten, gründet auf den Erfahrungsberichten von Hinterbliebenen, Verletzten, Opfern der Loveparade, mit denen das WDR-Team gesprochen hat. Drehbuchautoren, Regie, Schauspieler: Sie alle wurden während der Dreharbeiten von einer Traumaspezialistin begleitet. Insbesondere die Szenen, die in Rückblicken die qualvolle Enge im Tunnel zeigen, seien für das Team eine Belastungsprobe gewesen.
Durch die Rückblenden, teils mit Original-Handymaterial, bekommt der Film einen dokumentarischen Anstrich, er ist aber zugleich Krimi, Liebesdrama, Psychogramm. Eindrucksvoll spielt Jella Haase die tobende, irrlichternde Antonia, der man als Zuschauer nur schwer Verständnis entgegenbringen kann.
Sie provoziert Gefühle, die irritieren, teils nicht gesellschaftsfähig sind. Darf man eifersüchtig sein auf Verstorbene? „Die, die überlebt haben, sind die Arschlöcher, die nichts auf die Reihe kriegen“, sagt Antonia hasserfüllt über sich selbst. Der Film geht einen Schritt weiter, macht mit Taxifahrer Sascha einen Mitschuldigen an der Katastrophe zum Sympathieträger. Ist Verzeihen überhaupt denkbar angesichts der Tragödie?
Kritik kam bereits im Vorfeld
Für Duisburger ist der Film eine Belastungsprobe, weil das Fiktionale sehr mit der Realität verwoben ist. Er zeigt die schmerzende Wunde der jüngeren Geschichte, aber auch die Schönheit dieser Stadt, die Rheinorange, den Karl-Lehr-Tunnel in nächtlicher Verlassenheit. Die Figur der Antonia steht symbolisch für eine von hunderten Traumatisierten.
Bereits während der Dreharbeiten wurde kritisiert, dass die Loveparade kein Stoff für einen Spielfilm sei. Traumatherapeutin Sybille Jatzko sieht aber einen Mehrwert: Zuschauer könnten besser verstehen, wie sich eine posttraumatische Belastungsstörung auswirken könne. Und dieses bessere Verständnis könne auch den Opfern helfen. Der Film „Das Leben danach“ ist keine leichte Kost, manche Bilder sind erschütternd. Am 27. September soll er um 20.15 Uhr im Ersten gezeigt werden.