Duisburg. Händler und Werbegemeinschaften sprechen sich dafür aus, dass die Fußgängerzonen in Duisburg autofrei bleiben. Onlinehandel ist die große Konkurrenz.

  • Duisburg hat acht Fußgängerzonen. Das City-Flaggschiff und sieben in den Stadtteilen
  • Die Kaufleute vor Ort sieht keine Notwendigkeit, jetzt wieder Autos durch die Meilen fahren zu lassen
  • Weil der Handel aber unter Druck steht, muss die Aufenthaltsqualität stimmen

Sorgen ja, Krise nein: Acht fußläufige Einkaufsmeilen zählt Duisburg, sieben in den Stadtteilen und dazu das Flaggschiff in der City. Autofrei sind sie, und autofrei sollen sie bleiben, so eine Umfrage der Redaktion bei Händlern und Werbegemeinschaften von Neudorfer Oststraße bis Meidericher Basarmeile. Also weiter Bummeln ohne Abgase.

In etlichen kleineren Revierstädten stecken die Fußgängerzonen in der Krise - leere Läden oder gleich Leerstände. Kunden sollen wieder mit dem Auto vorfahren können, diskutiert man mancherorts. Nicht so in Duisburg. „Es gibt keine Wünsche und Hinweise aus der Kaufmannschaft, die Fußgängerzonen aufzulösen“, bilanziert Wilhelm Bommann vom Einzelhandelsverband. Für ihn wäre das ohnehin „viel zu schnell und zu kurz gesprungen“.

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Sauberkeit und Sicherheit müssen stimmen

„Unsere Fußgängerzone ist ein Kommunikationszentrum“, heißt es aus der Meidericher Von-der-Mark-Straße. Hermann Eimer von der Homberger Werbegemeinschaft will die Augustastraße autofrei halten, alles andere sei „Schwachsinn“. Die Neumühler rühmen ihre Holtener Straße als „Nahversorgungsoase“ und die Hamborner erfreuen sich an der oft gut belebten Jägerstraße, auf der es praktisch keine Leestände gibt. Lediglich Karsten Vüllings aus Rheinhausen hält die Idee zumindest für „überlegenswert“.

Die Stadt erinnert daran, dass die Von-der-Mark-Straße (2007) und die Jägerstraße (2004) durch neues Pflaster und Möblierung neugestaltet und aufgewertet wurden. Und die Rückkehr der Autos ist kein Garant auf Erfolg: 2008 wurde nach langen Debatten die Fußgängerzone Beekstraße in der City zwischen Universitätsstraße bis zur Müllersgasse aufgehoben und in einen verkehrsberuhigten Bereich umgewandelt. „Die erhoffte Verbesserung für den Einzelhandel hat sich dadurch nicht eingestellt“, so Stadtsprecher Peter Hilbrands. Deshalb hält Bommann auch nichts davon, die Münzstraße, in der Tat problematischer Wurmfortsatz der Königstraße, als Fußgängerzone aufzugeben.

Klar ist aber zugleich: Vor allem der Online-Handel belastet das „analoge“ Geschäft im Laden. Teils über 20 Prozent Umsatzvolumen bei Textil, Büchern oder Unterhaltungselektronik sind abgewandert, weiß Bommann. Das verschärft den Leerstandsdruck, vor allem in den Randbereichen. Aber nicht Autos sollen rein in die Fußgängerzonen, sondern mehr Leben. „Aufenthaltsqualität“ auf den Flaniermeilen ist das Zauberwort. „Dafür müssen aber auch Sauberkeit und Sicherheit stimmen“, so Bommann.

Kunden stört der Autoverkehr

Der IHK-Geschäftsführer Michael Rüscher stellt klar: „Fußgängerzonen für den Autoverkehr wieder freizugeben und so blühende Handelslandschaften zu schaffen, wird nicht funktionieren.“ Vielen Kunden stört der Autoverkehr und die Atmosphäre „leidet spürbar, wenn neben einem direkt die Autos langfahren“. Rüscher erwartet allerdings, dass die Anzahl der Geschäfte weiter sinkt: „Stadtentwickler stehen dann vor der großen Herausforderung, die Randbereiche mit anderen Funktionen zu füllen, damit sie nicht verlottern.“ Auch der Handel selbst muss dabei etwas tun, um Leben in die Bummelmeilen zu bringen. Die Neuauflage des „Heimatshoppens“ zur Stärkung des Stadtteilhandels führt Rüscher als Beispiel an.

Öffnung der Friedrich-Alfred-Straße in Rheinhausen wäre teuer 

Zum ersten Geburtstag der neuen Einkaufs-City Rheinhausen konnten die Gäste 100 Flaschen Sekt gewinnen. Das war am 8. November 1980. „Bis auf ein bisschen Kosmetik hat sich am Erscheinungsbild von damals so gut wie nichts verändert“, beklagt Karsten Vüllings, Vorsitzender des Werberings Rheinhausen. Zwar stünden auf dem gesamten Stück lediglich fünf Ladenlokale leer, es gebe aber dennoch Probleme, die Friedrich-Alfred-Straße zu beleben. Zwar hätten Karsten Vüllings und auch Volker Seemann, Chef des Bauvereins Rheinhausen, längst festgestellt, dass Cafés in der Fußgängerzone sehr beliebt seien, die Krux: „Zieht in das leere Ladenlokal wieder ein Einzelhändler ein, ist das unkritisch. Wer aber dort Gastronomie anbieten will, muss viele behördliche Hürden nehmen, was Zeit und nicht zuletzt Geld kostet“, erklärt Vüllings. Zudem würden viele private Vermieter zu hohe Mieten verlangen, Lokale, auch in bester Lage, stünden so quasi zwangsweise leer.

Der Fußgängerbereich der Friedrich-Alfred-Straße wurde 1979 eingeweiht.
Der Fußgängerbereich der Friedrich-Alfred-Straße wurde 1979 eingeweiht. © Tanja Pickartz /Funke Foto Services

Vüllings hält, um die Straße zu beleben, eine Öffnung der Fußgängerzone für Kraftfahrzeuge für durchaus überlegenswert. So es sich denn um einen verkehrsberuhigten Bereich handelt nach Vorbild der sogenannten „Shared Space“-Flächen. „So etwas ist allerdings extrem teuer, da erst sämtliche Versorgungsleitungen tiefer gelegt werden müssten, damit dort Autos fahren dürfen...“

Homberger Augustastraße soll autofrei bleiben 

Das Hauptproblem der rund 300 Meter langen Fußgängerzone an der Augustastraße in Alt-Homberg, so sagt es Werbering-Vorsitzender Hermann Eimer, sei das ehemalige Supermarkt-Ladenlokal in bester Lage. Seit Kaiser’s dort vor zweieinhalb Jahren auszog, steht es leer, Vermarktung ungewiss.

Die Augustastraße besteht seit dem Jahr 1996 und ist etwa 300 Meter lang.
Die Augustastraße besteht seit dem Jahr 1996 und ist etwa 300 Meter lang. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services

Für einen klassischen Einzelhändler, so es denn Interessenten gebe, sei das Ladenlokal offenbar zu groß, für einen Supermarkt zu klein. Der weitaus größte Teil der Ladenlokale sei vermietet, sagt Eimer, die von der Stadt jüngst genannte Zahl von 15 Leerständen würden sich eben nicht nur auf die Fußgängerzone, sondern auch auf die benachbarte Moerser Straße beziehen. Eimer (66), der sein gesamtes Leben an der Augustastraße wohnt, hält eine mögliche Öffnung der Straße für den Kraftverkehr – übrigens im Gegensatz zum ein oder anderen Händler vor Ort – für, Original-Ton „Schwachsinn“.

„Es kann nicht sein, dass wir nur noch für das Auto leben.“ Einkaufszentren mit großen Parkplätzen gebe es in der Stadt genug, die Augustastraße müsse autofrei bleiben. Hermann Eimer: „Es geht mir nicht nur um die Ruhe für die Anwohner, die durch den Autolärm doch arg gestört sei. Vor allem die Außengastronomie, die das Leben hier ausmacht, würde darunter extrem leiden. Ich würde fast sagen, sie würde durch den Autoverkehr wohl komplett verdrängt werden.“

Autos kommen auf der Von-der-Mark-Straße nicht in Frage 

Die Öffnung der Meidericher Basarstraße, wie die Einkaufsmeile Von-der-Mark-Straße auch genannt wird, kommt gar nicht in die Tüte. „Das Herz von Meiderich würde zerstört“, sagt Heike Wihe, Vorsitzende des Meidericher City-Managements, und damit Sprecherin der Kaufmannschaft.

Rund 110 Geschäftslokale gibt es an der Einkaufsstraße, wenn man den Bereich zwischen Busbahnhof (wo noch geparkt werden darf) und Auf dem Damm zugrunde legt. Rund 750 Meter lang ist die Meile. Dort kann der tägliche Bedarf gedeckt werden. Elf Leerstände gibt es. Sowohl Heike Wiehe als auch Tim Eickmanns, Chef der stärksten Fraktion in der Bezirksvertretung (SPD), sind sich einig: Im Grunde gebe es also „keine Leerstände“. Eher, so Wiehe: „Normale Fluktuation“.

Ist gut besucht und sauber: Die Von-der-Mark-Straße.
Ist gut besucht und sauber: Die Von-der-Mark-Straße. © Lars Fröhlich / FUNKE Foto Services

Nicht ein einziger Gedanke sei bislang daran verschwendet worden, die Straße für den Autoverkehr zu öffnen. Ganz im Gegenteil. Man versucht seit Jahren, allerdings ohne Erfolg, die illegalen Radler auch noch zu verbannen. Denn die verursachen bekanntlich wegen rüpelhaften Verhaltens genug Probleme.

„Unsere Fußgängerzone ist ein Kommunikationszentrum“, sagt Wiehe. Deshalb finden dort auch Stadtfeste statt. Insbesondere mit Blick auf Familien und Ältere, die sich auf der Fläche sicher bewegen sollen, sagt Tim Eickmann zum Thema Autos: „Kommt nicht in Frage!“

Praktisch keine Leerstände an der Jägerstraße 

Rund 60 Geschäfte befinden sich an der Alt-Hamborner Jägerstraße, der Fußgängerzone, die am Altmarkt beginnt und bis zur Reichenberger Straße reicht. Knapp 300 Meter lang ist sie und bietet fast alles für den täglichen Bedarf. Was es dort nicht gibt, erhält man am Altmarkt, der zwar keine Fußgängerzone ist, aber irgendwie immer schon zum Einkaufsbereich zählte – samt der Verlängerung zum Rathaus hin.

Die schmale Jägerstraße ist ein Treffpunkt: Dort gibt es mehrere Café-Betreiber, die ihre Gäste im Freien bedienen und Sitzgelegenheiten bieten.
Die schmale Jägerstraße ist ein Treffpunkt: Dort gibt es mehrere Café-Betreiber, die ihre Gäste im Freien bedienen und Sitzgelegenheiten bieten. © Udo Milbret / FUNKE Foto Services

Gerade mal fünf Leerstände sind zu verzeichnen. Und so gibt es auch keinerlei Überlegungen, diese Straße, die in Teilen nur gut zehn Meter breit ist, für den Autoverkehr zu öffnen. „Derzeit ist nichts dergleichen geplant, es ist auch noch keiner mit einem solchen Wunsch an uns herangetreten“, so die Stadt Duisburg. In der Tat wäre die Idee abwegig. Denn: Die Fußgängerzone ist gut besucht, es gibt dort keine Geschäfte, die man regelmäßig mit Tüten und Taschen verlässt, die so schwer sind, dass man sie nicht tragen könnte.

Zudem befinden sich dort Cafés mit Außenservice – spricht, die Gäste sitzen im „Fahrbahnbereich“. „Momentan ist eine Öffnung für Autos kein Thema“, sagt Bezirksbürgermeister Uwe Heider. Das war vor mehr als zehn Jahren anders, als Leerstände zunahmen. Aber: „Die Situation hat sich wieder geändert“, freut sich der Sozialdemokrat.

Mix auf der Holtener Straße in Neumühl funktioniert problemlos 

Die Neumühler haben einen Mix aus echter und falscher Fußgängerzone: Die Holtener Straße ist zwischen Fiskusstraße und Hohenzollernplatz im Schritttempo befahrbar, zudem gibt es dort Parkbuchten. Der restliche Teil der kleinsten Fußgängerzone im Duisburger Norden ist wirklich denjenigen überlassen, die ungestört bummeln oder ein Pläuschchen halten wollen. 30 Ladenlokale gibt es im Einkaufsbereich Holtener Straße. Dort gibt es alles für den täglichen Bedarf – von A wie Apotheke bis Z wie Zeitungen.

Blick vom Ende der Holtener Straße, Nähe Lehrerstraße, in die kurze Fußgängerzone im Ortsteil Neumühl.
Blick vom Ende der Holtener Straße, Nähe Lehrerstraße, in die kurze Fußgängerzone im Ortsteil Neumühl. © Udo Milbret / FUNKE Foto Services

Reiner Terhorst, Sprecher der Aktionsgemeinschaft Neumühler Kaufleute, spricht von der „Nahversorgungsoase“. Rund um den Markt, der bereits seit 110 Jahren besteht, haben sich die Geschäfte nach und nach angesiedelt.

Die Neumühler haben sich mit der zweigeteilten Basarstraße arrangiert. „Das läuft ganz problemlos“, sagt Terhorst. Und meint: In dem Abschnitt, wo noch Autos fahren dürfen, gebe es keine Reibereien zwischen Fußgängern und Pkw-Chauffeuren. Das war vor einigen Jahren anders: Deshalb wurden Poller gesetzt, die die Durchfahrt an der Sparkasse beendeten. Den fußläufigen, rund 100 Meter kurzen Bereich auch für Autos zu öffnen – dazu gibt es keinen Anlass.

Wanheimerorter sind mit Fischerstraße zufrieden 

„Ich fände es besser, wenn nur Fußgänger auf der Fischerstraße sind. Man kann ja auf dem Michaelplatz direkt parken und hier rüber laufen“, sagt Heidi Reich, Inhaberin von „Ullas Lädchen“. Momentan wollen sich die Kaufleute auf der Basarstraße nicht beklagen. „Natürlich war es früher besser“, erklärt Heidi Reich. Aber Leerstand gibt es momentan kaum. In den „Lemmi Markt“ zieht im November wieder ein neues Geschäft ein. Vor allem an den Markttagen, dienstags und donnerstags, sei viel Laufkundschaft unterwegs.

Die Wanheimerorter Händler sind mit ihrer Basarstraße zufrieden. Gerade an den Markttagen ist viel Laufkundschaft unterwegs.
Die Wanheimerorter Händler sind mit ihrer Basarstraße zufrieden. Gerade an den Markttagen ist viel Laufkundschaft unterwegs. © Udo Milbret / FUNKE Foto Services

„Es kommen nicht nur Kunden aus Wanheimerort, sondern auch aus anderen Stadtteilen“, weiß Marion Hendrichsen von der Stadtteiloffensive Wanheimerort, in der sich die Händler organisieren. Sie meint, für Berufstätige sei es manchmal einfacher, wenn man mit dem Auto zu den Geschäften vorfahren kann. In der Form, wie sich die Fischerstraße heute präsentiert, gibt es sie seit 1972. Die meisten Passanten schätzen die familiäre Atmosphäre – und dass man immer einen Nachbarn für einen Plausch trifft. Es gibt noch ein Lebensmittelgeschäft, Boutiquen und Drogerien, ebenso Kneipen und Cafés.

Autoverkehr in Neudorf auf der Oststraße nur bis zwölf Uhr 

Bis zwölf Uhr morgens kann man die Oststraße befahren. „Das reicht“, sagt eine Händlerin. Da sich die Geschäfte-Inhaber allerdings nicht einig sind, möchte sie ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen. Die kleine Fußgängerzone in Neudorf hat in den vergangenen Jahren gelitten: Die Deutsche Bank zog weg – und mit ihr auch einige Kunden, die sonst immer ihre Bankgeschäfte an der Oststraße erledigt haben. Auch die vielen Supermärkte entlang des Sternbuschweg machen den Metzgern und Bäckern das Leben schwerer. Immerhin: Viel Leerstand gibt es derzeit nicht, und wenn, dann liegt es wohl an zu hohen Mieten, heißt es auf der Meile .

Die Neudorfer Oststraße hat viele Stammkunden. Mit Aktionen stellt sich der Handel dagegen, dass Frequenzbringer abgewandert sind.
Die Neudorfer Oststraße hat viele Stammkunden. Mit Aktionen stellt sich der Handel dagegen, dass Frequenzbringer abgewandert sind. © Michael Dahlke / FUNKE Foto Services

Modegeschäfte gibt es, einen eingesessenen Buchladen, ebenso ein Fachgeschäft für Haushaltsartikel und Drogerien. Obst und Gemüse kann man kaufen, auch Metzgereien halten sich noch, ebenso wie ein arabischer Supermarkt. „Die Oststraße ist und bleibt eine Einkaufslage für Stammkunden“, weiß Uwe Schumacher vom Werbering. Als allerdings die Stadt die Schulverwaltung verlagerte und auch andere Büros schlossen, merkten das direkt die Händler. Mit Aktionen versuchen sich die Kaufleute dagegen zu stemmen.