Duisburg. . Teilnehmer einer außergewöhnlichen Rundfahrt im Rahmen der Ruhrtriennale können Duisburg mit anderen Augen sehen. Lastwagen wird zum Zuschauerraum.
- Außergewöhnliche Stadtrundfahrt in einem Lastwagen als rollender Zuschauerraum
- Straßen, Häuser und Menschen bilden Kulisse, die aus ungewohntem Blickwinkel ganz anders aussieht
- Zwischendurch gibt es Videos und Bilder auf einer Leinwand und passende Soundtracks
Bei dieser Stadtrundfahrt geht es auch, aber nicht nur um Duisburg. Es geht um nicht weniger als die Spezies Mensch und ihre Zukunft. Wer an einer der ersten Touren von „Truck Tracks Ruhr“ teilgenommen hat, die am Wochenende am Lehmbruck-Museum gestartet und im Landschaftspark angekommen sind, kann Duisburg und viele andere Fragen mit anderen Augen sehen.
Für den Perspektivwechsel sorgt der zu einem rollenden Zuschauerraum umgebaute Lastwagen. Eine der zehn Meter breiten und zweieinhalb Meter hohen Seiten des Laderaums wurde verglast, wird so für die Zuschauer zur Breitband-Guckkastenbühne. Straßen, Häuser und Menschen bilden die Kulisse, die aus diesem ungewohnten Blickwinkel ganz anders aussieht, obwohl man den Ort vielleicht schon oft gesehen hat. Nahezu unbemerkt von den Passanten, kann man auch sie intensiv beobachten.
Entspannende Soundtracks
Vor dem Fenster wird eine Leinwand hoch- und runtergerollt. Ist sie unten, werden auf ihr Videos gezeigt: Duisburger Ansichten und Menschen des Ruhrgebiets, begleitet von entspannenden Soundtracks. Der Truck rollt unterdessen weiter, das Publikum verliert die Orientierung, der Truck hält, die Leinwand öffnet sich. An sieben Stationen sieht das Publikum Ausschnitte der Stadt, dazu hört es mal literarische Texte, aber auch authentische Zitate sowie ein verblüffendes Interview an Station drei, einer Waschanlage. Während man also Menschen zusieht, wie sie ihre Autos pflegen, hört man ein Interview, in dem in sanftem Plauderton über die Abschaffung der Menschheit gesprochen wird. In „Without Us“ lässt Marcus Lindeen den Gründer der so genannten Bewegung für das freiwillige Aussterben der Menschheit, Les U. Knight, die Vorzüge erklären, die es für die Erde hätte, wenn sich die Menschen durch Sterilisation abschaffen würden. Ein fesselndes Gedankenexperiment: Ist die „Mona Lisa“ bedeutender als eine Mücke?
An der zweiten Station am Kuhtor wird errechnet, wie viel Platz ein Mensch zum Leben braucht, zum Überleben, aber auch, um es mit seinen Mitmenschen aushalten zu können. Eine besondere Brisanz entwickelt der Text in der Stadt der Loveparade-Katastrophe, nicht fern ist auch der Gedanke an die im letzten Jahr in einem Lastwagen erstickten Flüchtlinge. Haben wir noch Platz in unserem Boot?
Vorhang runter, Bilder der Wasserski-Anlage bei Sonnenschein, Stopp, Vorhang auf, entlang des abgerissenen Mercatorquartiers mit den geparkten Baumaschinen rollt der Truck weiter, im Soundtrack Maschinengeräusche. Vorhang runter, wo wird er sich wieder öffnen?
Ruhig rollt der Truck, landet später in einer öden Hafengegend mit Blick auf Kohle-Hügel, Schienen, Kräne, Zäune, Autobahn – und der Text führt in eine ferne Zukunft, aus der ein „Raketenmann“ aufs Jahr 2016 zurück schaut. War die Zerstörung durch den Menschen nicht aufzuhalten?
Auf dem Ikea-Parkplatz stoppt der Truck nicht
Mit dem Blick auf Beton und Lärmschutzwände, auf der Graffitis bunte Zeichen setzen, geht es auf der A 59 nach Norden. Der nächste Hauptdarsteller ist Werkstor 1 von Thyssen-Krupp. Ein fast menschenleeres „Bühnenbild“, nur belebt von den Pförtnern, dazu Kopfkino aus dem Off. Rückschau ins Jahr 1895, als zum ersten Mal ein Film öffentlich vorgeführt wurde: Mit Arbeitern, die aus einem Fabriktor strömen. Wie haben sie sich die Zukunft der Arbeit vorgestellt -- über 100 Jahre später?
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Auf dem Ikea-Parkplatz stoppt der Truck nicht, er fährt unaufhörlich um die eigene Achse, der Text dreht sich um die Unfähigkeit, Halt zu machen und zur Ruhe zu kommen. Sind wir süchtig nach immer neuen Reizen?
Letzte Station ist der Landschaftspark. Vor der großartigen Kulisse der Ventilatoren heißt es: „Unsere Zukunft hat ein Herz aus Stahl.“ Wohin bewegen wir uns?
In einer zweistündigen Fahrt auf den Straßen der Stadt haben sich Gedanken über den Beton erhoben, haben andere Blickwinkel entdeckt, neue Wendungen genommen. Was will Kunst mehr erreichen?