Duisburg. . Das Nachwuchs-Ensemble bringt „Maß für Maß“ auf die kleine Bühne. Regisseurin Kathrin Sievers schlägt den Bogen zu heutigen Skandalen.

Ein großes Ensemble auf kleiner Bühne. Mit fast 20 Darstellerinnen und Darstellern bracht der Jugendclub „Spieltrieb“ eine gelegentlich turbulente Fassung von Shakespeares „Maß für Maß“ ins Foyer III des Duisburger Theaters. Von Anfang an wurde deutlich, dass Regisseurin Kathrin Sievers die Tragikomödie an die heutige Zeit anbinden wollte.

Das Bühnenbild (Anja Müller) ist einfach und klar. Ein paar graue, leicht transparente Stellwände stehen um eine leuchtendrote Spielfläche. Zwischen den Wänden bleibt Platz für Auf- und Abgänge. Die Spielfläche kann Büro, Bordell, Gefängnis oder auch Marktplatz sein.

Tim Zielke: Leise und klischeefrei

Kathrin Sievers nutzt die Möglichkeiten des Bühnenraums weidlich aus. Sie lässt hinter den Stellwänden sich die jungen Akteurinnen in schwarz-roten Dessous räkeln, stellt Opferungsszenen nach oder lässt ihr Ensemble durch die angedeuteten Gassen hetzen. Vor den Shakespeare hat sie eine Art Vorspiel gesetzt, das heutige Skandale und Skandälchen aus dem Spannungsfeld von Sex, Macht und Moral thematisiert. Gekennzeichnet durch Pappmasken lässt sie Bill Clinton, Nicolas Sarkozy, Dominique Strauss-Kahn und natürlich Silvio Berlusconi mit weiblichem Gefolge aufmarschieren. Dazu inszeniert sie ein Führungskräfte-Casting mit dem neuen Statthalter Angelo (Tim Zielke). Gelegentlich wird auch ein dauerrauchenden Helmut Schmidt als Ratgeber für den Herzog (Sibel Önder) herein gerollt.

Das Ganze wird temporeich gespielt und sorgt auch für manchen Lacher, bleibt aber überwiegend vordergründig und kommt nicht immer über das Niveau eines ausgelassenen Schülertheaters hinaus. Das ändert sich allerdings, sobald Shakespeare auf der Bühne die Oberhand gewinnt. Da gibt es dann eine Menge interessanter Figuren und Szenen zu sehen. Sympathisch unbestechlich zeichnet Tim Zielke zunächst den Statthalter Angelo. Auch als sich die Figur als moralisierender Wüterich entpuppt, bleibt Zielke leise und klischeefrei.

Der lange Aaron Falke muss als Escalus auch schon mal seine erstarrten Ensemble-Kollegen hereinschleppen. Geschmeidig, unterwürfig und die Vergünstigungen der Macht gerne auskostend, ist er aber auch ein Mensch mit realistischen Blick. Zu den Stärken dieser Inszenierung zählen auch Ceyda Bozkus mit einer klaren und präsenten Darstellung der Isabella sowie Bashar Almurabh und vor allem Jule Pichler, die mit Sinn für subtile Komik gleichzeitig den Lucio spielen. Schauspielerisch die Größte aber ist die Kleinste des Ensembles. Sibel Önder gibt den amtsmüden Fürsten in Frack und Zylinder an einen Zirkusdirektor vergangener Zeiten erinnernd mit einer bewusst leicht altertümlichen Gestik und Mimik. Eher sparsam agierend reicht ihr Spiel bis in die hellwachen Augen. Passend zum Zylinder bleibt da nur ein „Chapeau“.

Ein Lehrstück über Verführbarkeit: Die weiteren Termine im April 

Am Tag nach Weihnachten 1604 hat William Shakespeare „Maß für Maß“ in der Fürstenresidenz des Königs Jabobs I. uraufgeführt.

In einem imaginären Wien übergibt der weichherzige und amtsmüde Herzog Vincentio die Macht an den sittenstrengen Angelo, um angeblich auf Reisen zu gehen. Angelo will gleich ein Exempel der neuen Moral statuieren und verurteilt den Edelmann Claudio zum Tode, weil der vor der Heirat mit seiner Geliebten Julia ein Kind gezeugt hat. Als Claudios Schwester Isabella um Gnade für ihren Bruder bittet, erfährt Angelo an sich die Verführbarkeit.

„Maß für Maß“ gilt als Lehrstück über die Verführbarkeit durch Macht sowie über das Verhältnis von Gesetz und Gnade. Der „Spieltrieb“ spielt das Stück wieder am 18., 20., 25., 28. und 30. April (jeweils 20 Uhr)