Duisburg. Die Duisburger Staatsanwaltschaft will einen weiteren Sachverständigen beauftragen. Gespräche mit möglichen Gutachtern seien bereits abgeschlossen.

  • Staatsanwaltschaft will neues Gutachten zur Loveparade-Katastrophe anfordern
  • Gericht wollte Hauptverhandlung wegen Mängeln im ersten Gutachten nicht zulassen
  • Unglück mit 21 Toten und mehr als 100 Verletzten liegt inzwischen sechs Jahre zurück

Sechs Jahre nach dem Loveparade-Unglück mit 21 Toten in Duisburg will die Staatsanwaltschaft mit einem zusätzlichen Gutachten ihre durchgefallene Anklage untermauern. Ein weiterer Sachverständiger soll sich mit den Ursachen der Tragödie befassen, wie die Staatsanwaltschaft Duisburg am Dienstag ankündigte. "Dadurch wird sichergestellt, dass der Weg der notwendigen juristischen Aufarbeitung der Loveparade-Tragödie in einer öffentlichen Hauptverhandlung so schnell wie möglich beschritten werden kann."

Beim Techno-Festival in Duisburg im Juli 2010 war es an einer Engstelle zu einer Massenpanik gekommen. 21 Menschen kamen ums Leben, Hunderte wurden verletzt.

Gericht sah Fehler beim Gutachten

Die Staatsanwaltschaft Duisburg erhob im Februar 2014 Anklage gegen zehn Mitarbeiter der Stadt Duisburg und der Veranstaltungsfirma Lopavent. Anfang April 2016 ließ das Duisburger Landgericht die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zu. Die Richter störten sich vor allem am Gutachten eines britischen Experten, dem zentralen Beweismittel der Staatsanwaltschaft. Sie lasteten dem Gutachter Fehler an und gingen zudem davon aus, dass er im Prozess wegen Befangenheit abgelehnt werden müsste.

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Die Staatsanwaltschaft hält die Kritik für nicht berechtigt und will deshalb unabhängig von dem zusätzlichen Gutachten auch auf dem Beschwerdeweg vorankommen. Sie hatte schon die nächsthöhere Instanz, das Oberlandesgericht Düsseldorf, eingeschaltet. Allerdings wird die Prüfung der Beschwerde, die noch begründet werden muss, nach Auskunft des Oberlandesgerichts voraussichtlich mehrere Monate dauern. Auch das zusätzliche Expertengutachten dürfte Monate in Anspruch nehmen.

Kriminologe kritisiert "einmaliges Vorgehen"

Die Erteilung eines Auftrags für ein neues Gutachten steht nach Auffassung der Staatsanwaltschaft dem weiteren Fortgang des Beschwerdeverfahrens nicht entgegen. Der Bochumer Lehrstuhlinhaber für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft, Thomas Feltes, sprach hingegen am Dienstag von einem einmaligen Vorgehen. Dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen noch einmal aufnehme und noch einmal in die Beweisaufnahme desselben Verfahrens einsteige, verweise darauf, dass die Staatsanwaltschaft offenbar versuche, Fehler der Vergangenheit auszubügeln, kritisierte er in Bochum.

Opferanwalt Julius Reiter hingegen begrüßte die Entscheidung. Er lobte, damit schaue die Staatsanwaltschaft "konsequent lösungsorientiert nach vorne und versucht damit zu vermeiden, dass weitere Zeit verloren geht für den Fall, dass das Oberlandesgericht den Beschluss des Landgerichts zur Verfahrenseinstellung aufhebt". Die Opfer und Hinterbliebenen der Loveparade-Katastrophe bräuchten dringend weitere Aufklärung. Es wäre bereits Aufgabe der Richter gewesen, ein weiteres Gutachten einzuholen. Ein solches Vorgehen sei im Zwischenverfahren durchaus üblich, erklärte Reiter in Düsseldorf.

Betroffene und Hinterbliebene mahnten in den vergangenen Jahren mehrfach eindringlich eine weitergehende Aufarbeitung der Tragödie an. Der Prozess müsse stattfinden, damit zur Sprache komme, was an dem Tag geschah, forderte beispielsweise die Stiftung "Duisburg 24.7.2010". (dpa/epd)