Duisburg. Umayyad aus Syrien flüchtete wochenlang nach Deutschland. In St. Barbara in Duisburg-Neumühl gebe es jetzt zu wenig zu essen und kaum warme Kleidung.

Seit fünf Tagen ist Umayyad in Duisburg, nach wochenlanger Flucht durch viele Länder. Seinen wahren Namen verrät er nicht, weil er in Syrien politisch verfolgt wurde und seine Familie nicht in Gefahr bringen will, erzählt er. Für sie ist er in Deutschland. Sein Ziel: seine Frau und die drei Kinder nachholen, damit sie hier fertig studieren, arbeiten, „ihre Träume Wirklichkeit werden lassen können“.

Bis es soweit ist, dokumentiert er sein Leben, postet Fotos auf Twitter. Dabei beklagt er auch den Umgang mit den Flüchtlingen im Landesasyl in Neumühl. Trotz der Kälte würden viele in Sommersachen herumlaufen, in der Kleiderkammer habe man nur wenige Minuten Zeit für die Suche nach etwas Warmem in passender Größe. Beim Waschen würden viele Dinge verschwinden, bei den Mahlzeiten Nachfragen nach einem Nachschlag unverschämt beantwortet. Zuletzt habe er zehn weitere Nudeln erhalten; eine zusätzliche Scheibe Frühstücks-Brot bekam er nicht. An Hunger habe er sich ja gewöhnt, aber dass er so abgekanzelt werde, findet er befremdlich.

Sehnsucht nach Fürsorge und Anleitung

Der 53-Jährige hat in den letzten Wochen Federn gelassen. Fotos aus der Zeit vor seiner Flucht zeigen, dass er vor kurzem noch 20 Kilo mehr auf den Hüften hatte. Als Reiseleiter führte er Touristen durch Syrien, ein eigenes Reisebüro hatte er, war früher dienstlich in Europa. Jetzt sind die glattrasierten Wangen des einst stattlichen Geschäftsmanns eingefallen, gebückt sitzt er am Tisch. Immer wieder schaut er während des Gesprächs nervös auf sein vermacktes Handy.

WAZ-Mitarbeiterin Linda Schreiber im Gespräch mit Umayyad (Name geändert). Er schildert seine Flucht.
WAZ-Mitarbeiterin Linda Schreiber im Gespräch mit Umayyad (Name geändert). Er schildert seine Flucht. © Annette Kalscheur / WAZ

Umayyad ist ausgehungert. Im Wortsinne nach Wochen der Flucht, aber auch im übertragenen Sinn: ausgehungert nach Fürsorge und Anleitung. Die Sehnsucht nach netten Menschen und vielleicht auch sein Stolz haben ihn bei Twitter aufschreien lassen über den, wie er findet, unfreundlichen Umgang mit den Flüchtlingen in Neumühl. „Ihr seid doch ein freies Land, es geht euch gut“, sagt er. „Ich verstehe nicht, warum wir hier überhaupt so aufeinander sitzen.“

Flüchtlinge haben Angst vor Bestrafung

Am Sonntag sei er geröntgt worden, Samstag geimpft. Das sei alles gewesen. Keiner sage ihm, wie es weitergeht. Für ihn wie für die anderen Flüchtlinge heißt es: warten. Darauf, dass der Asylprozess in Gang kommt. Ein anderer Mann sei schon zehn Tage in Neumühl und noch nicht mal untersucht worden, erzählt Umayyad. Dabei sei jeder Tag, an dem ihr Fall nicht bearbeitet wird, riskant für die Familien daheim.

Flüchtlinge in DeutschlandGerüchte würden die Menschen hier zusätzlich verunsichern. Wer sich über die Zustände in der Unterkunft beschwere, für den dauere es noch länger, bis der Asylantrag durch ist, so heißt es.

Ob es stimme, dass er später in eine Turnhalle komme, fragt Umayyad irritiert und hält sich an seinem Schatz fest: Laptop und Handy. Auf Fotos zeigt er seine Familie, ringt um Fassung, als er stolz erzählt, dass seine älteste Tochter Wirtschaft studiert hat,die mittlere Ingenieurin werden will und der 14-jährige Sohn nur Fußball im Kopf hat. In Damaskus erlebten sie Bombardierungen mit chemischen Waffen, retteten das nackte Leben – und die Hoffnung auf ein neues Leben in Deutschland.

„Ich halte so lange durch, bis meine Familie in Sicherheit ist"

In den vergangenen Wochen musste er immer wieder entscheiden: Vertraue ich diesem Schlepper, diesem Boot, diesem Grenzer oder nicht? Steige ich ein oder gehe ich zu Fuß? Bezahle ich den Wucherpreis oder warte ab? Das Hauptgefühl dieser Zeit: Angst.

Sein Weg führte durch die Türkei, über das Mittelmeer nach Griechenland, über den Balkan nach Deutschland – und jetzt Neumühl. Damit ist er noch nicht am Ziel seiner Träume. „Ich halte so lange durch, bis meine Familie hier in Sicherheit ist. Danach kann ich meinetwegen sterben.“

Kleidung für Männer im Landesasyl dringend gesucht 

Im Landesasyl in Neumühl wird derzeit die Zahl der Betten erhöht: Der Flüchtlingsstrom hält an. Nichtsdestotrotz zeigt sich Einrichtungsleiterin Zehra Yilmaz überrascht von den Vorwürfen. „Wir haben Vorgaben, wie viel Gramm eine Portion haben soll. Beim Frühstück gibt es abgezählte Scheiben Brot, aber man kann sich einen Nachschlag nehmen“, erklärt sie. Allerdings würde kontrolliert, ob die Flüchtlinge Lebensmittel aus dem Essensbereich mit in die Zimmer nehmen. Dort seien immer mal wieder Lebensmittel gefunden worden.

Zehra Yilmz leitet das Landesasyl.
Zehra Yilmz leitet das Landesasyl. © Stephan Eickershoff / FUNKE Foto Services

Mit Blick auf die Kritik, dass es nicht genügend warme Kleidung gebe, entgegnet sie: „Wir haben genügend Sachen und auch warme Pullover und Hosen angeboten, die meisten haben sich trotzdem nur T-Shirts ausgesucht.“ Barbara Hackert vom Projekt Lebenswert, die die Ehrenamtlichen der Herz-Jesu-Gemeinde, die in der Kleiderkammer helfen, koordiniert, weiß, dass Kleidung für Männer manchmal knapp ist: „Wir haben wesentlich mehr Frauen, die uns Sachen spenden. Und die Statur der Deutschen unterscheidet sich oft von denen der Asylbewerber.“

Derzeit könne die Kleiderkammer nur zwei Mal pro Woche öffnen, man suche neue Ehrenamtliche, um den Service auszuweiten. Die Flüchtlinge haben dann zehn Minuten Zeit, sich etwas auszusuchen. „Da bilden sich Schlangen, wir haben einen Sicherheitsdienst vor Ort, der für Ordnung sorgt.“

Insgesamt, so der Eindruck der DRK-Mitarbeiter, seien die meisten Flüchtlinge dankbar, dass ihnen geholfen werde – und sie hier in Sicherheit sind.