Duisburg. Das Landgericht Duisburg findet immer neue Mängel in der Anklage zum Loveparade-Verfahren: Jetzt heißt es, ein Gutachten des Panikforschers Keith Still sei schlampig übersetzt. Die Staatsanwaltschaft prüft noch, ob sie blamiert ist, muss aber zugeben: Es gab schon früher Probleme mit Übersetzern.

Deutsch-Englisch, Englisch-Deutsch: Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat bei ihrer Anklage im Loveparade-Verfahren offenbar mehr mit Übersetzungsproblemen zu kämpfen, als bisher bekannt war. Am Freitag hatte das Landgericht in einem Schreiben an alle Beteiligten des Verfahrens kritisiert, dass das Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still, auf dem die Anklage beruht, schlampig übersetzt sei. Die Staatsanwaltschaft wollte sich noch nicht zu den Vorwürfen äußern, sie will zunächst dem Übersetzerbüro Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Immerhin offenbarte die Behörde aber am Donnerstag, dass sie in dem Verfahren nicht zum ersten Mal Probleme mit Übersetzungen hat.

Wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft unserer Redaktion bestätigte, ist das vom Gericht kritisierte Übersetzerbüro schon das zweite, das an dem Loveparade-Gutachten von Keith Still gearbeitet hat. Die Staatsanwaltschaft habe das Büro im Juli 2012 mit der Arbeit betraut, nachdem man dem bis dahin tätigen Büro den Auftrag entzogen habe. Der Grund: zu wenig Tempo. "Die ermittelnden Staatsanwälte waren gelegentlich unzufrieden damit, wie lange die Erledigung der Übersetzungen dauerte. Immer wieder wurden Fristen nicht eingehalten", sagte Staatsanwältin Anna Christiana Weiler unserer Redaktion.

Der Wechsel des Übersetzerbüros sollte das Verfahren beschleunigen

Der Zeitdruck ist verständlich: Die Loveparade-Katastrophe lag im Juni 2012 schon zwei Jahre zurück, aber ein Ende der Ermittlungsarbeit war noch nicht in Sicht. Der Wechsel zu einem anderen Übersetzerbüro sollte der "Verfahrensbeschleunigung" dienen, wie die Behördensprecherin erklärt.

Ging die Beschleunigung auf Kosten der Qualität? Der Verdacht besteht zumindest, seit der Vorsitzende Richter der 5. Duisburger Strafkammer am Freitag seine drei Seiten lange Fehleranalyse verschickte. Richter Schwartz hat demnach "insgesamt Zweifel an der Zuverlässigkeit der Übersetzung". Er beklagte "teilweise fragwürdige, teilweise auch sinnverändernde Übersetzungen des Originalinhalts in der deutschsprachigen Fassung". An einer Stelle, so der Richter, sei sogar ein ganzer Satz des englischen Originals in der Übersetzung unterschlagen worden.

Ab wann ist mit Lautsprechern nichts mehr auszurichten?

  • Ein Beispiel: Keith Still beschreibt in seinem Gutachten, an welchem Punkt das Lautsprechersystem an seine Grenzen geriet. Im englischen Original heißt es über die Lautsprecher: "Their deployment and use is to inform the crowds but once the entry system failed and the crowds flowed in behind the police lines the situation was already beyond the point of no return."
  • Die Stelle in der deutschen Übersetzung: "Deren Verwendung und Einsatz dient der Information der Menschenmenge, aber sobald das Eingangssystem versagte, und die Menschenmenge bis zu den Polizeikordonen geströmt war, hatte die Situation einen Punkt überschritten, wo keine Rückkehr mehr möglich war."
  • Aus "hinter die Polizeikordone", wie es die englische Formulierung eigentlich nahelegt, wurde im Deutschen also "bis zu den Polizeikordonen". Als Kordone werden in dem Gutachten die Absperrungen der Polizei bezeichnet. Das Schreiben des Gerichts liegt unserer Redaktion in Auszügen vor.

Alles musste zweimal übersetzt werden

Keith Still ist Professor für die Erforschung von Menschenmengen ("crowd science") in Manchester. An der Bestellung dieses Sachverständigen hat es schon vielfach Kritik gegeben: Anwälte störten sich daran, dass Still kein Deutsch spricht - daher hätten für ihn alle Dokumente zunächst ins Englische übersetzt werden müssen, und später sein Gutachten aus dem Englischen zurück ins Deutsche. Bei so etwas gebe es immer Verluste - und seien es nur Zeitverluste. Das erwähnte erste Übersetzungsbüro, das die Geduld der Staatsanwälte so strapazierte, war mit der Aufbereitung der deutschen Dokumente für den britischen Experten befasst.

Außerdem wird Still vorgeworfen, dass er das Gutachten nicht zu hundert Prozent selbst angefertigt hat, sondern zwei deutsche Mitarbeiterinnen beschäftigt haben soll. Eine der Frauen soll zeitgleich in einer Projektgruppe des Innenministeriums mitgearbeitet haben, die sich ebenfalls mit dem Loveparade-Unglück befasst. Einen Interessenkoflikt bestreitet sie allerdings.

Über die Anklage ist immer noch nicht entschieden

Das Duisburger Landgericht prüft derzeit, ob es die Anklage zulässt. Mit einer Entscheidung wird erst im nächsten Jahr gerechnet. Zum wachsenden Kummer der Hinterbliebenen wurde sie immer wieder verschoben - mit Hinweis auf lückenhafte Arbeit der Staatsanwaltschaft.

Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat im Februar insgesamt zehn Personen wegen der Loveparade-Katastrophe angeklagt. Bei der Massenpanik am 24. Juli 2010 waren in Duisburg 21 Menschen ums Leben gekommen und über 500 verletzt worden.

Anklage im Loveparade-Verfahren

Großer Rummel bei der Pressekonferenz: Oberstaatsanwalt Michael Schwarz, Horst Bien (Leiter der Staatsanwaltschaft Duisburg) und Staatsanwältin Anna Christiana Weiler erläutern, wer auf der Anklagebank Platz nehmen wird und wer nicht.
Großer Rummel bei der Pressekonferenz: Oberstaatsanwalt Michael Schwarz, Horst Bien (Leiter der Staatsanwaltschaft Duisburg) und Staatsanwältin Anna Christiana Weiler erläutern, wer auf der Anklagebank Platz nehmen wird und wer nicht. © Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
Großer Rummel bei der Pressekonferenz: Oberstaatsanwalt Michael Schwarz, Horst Bien (Leiter der Staatsanwaltschaft Duisburg) und Staatsanwältin Anna Christiana Weiler erläutern, wer auf der Anklagebank Platz nehmen wird und wer nicht.
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Großer Rummel bei der Pressekonferenz: Oberstaatsanwalt Michael Schwarz, Horst Bien (Leiter der Staatsanwaltschaft Duisburg) und Staatsanwältin Anna Christiana Weiler erläutern, wer auf der Anklagebank Platz nehmen wird und wer nicht.
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Großer Rummel bei der Pressekonferenz: Oberstaatsanwalt Michael Schwarz, Horst Bien (Leiter der Staatsanwaltschaft Duisburg) und Staatsanwältin Anna Christiana Weiler erläutern, wer auf der Anklagebank Platz nehmen wird und wer nicht.
Großer Rummel bei der Pressekonferenz: Oberstaatsanwalt Michael Schwarz, Horst Bien (Leiter der Staatsanwaltschaft Duisburg) und Staatsanwältin Anna Christiana Weiler erläutern, wer auf der Anklagebank Platz nehmen wird und wer nicht. © Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
Großer Rummel bei der Pressekonferenz: Oberstaatsanwalt Michael Schwarz, Horst Bien (Leiter der Staatsanwaltschaft Duisburg) und Staatsanwältin Anna Christiana Weiler erläutern, wer auf der Anklagebank Platz nehmen wird und wer nicht.
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Auch Oberbürgermeister Sören Link nahm zur Anklageerhebung Stellung. Gegen die sechs angeklagten ...
Auch Oberbürgermeister Sören Link nahm zur Anklageerhebung Stellung. Gegen die sechs angeklagten ... © Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
... Mitarbeiter der Stadtverwaltung sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Es wird aber ...
... Mitarbeiter der Stadtverwaltung sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Es wird aber ... © Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
... bis zur Entscheidung des Gerichts ausgesetzt.
... bis zur Entscheidung des Gerichts ausgesetzt. © Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
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