Dortmund. Beim BVB quetschen sich gegen Leipzig wieder fast 25.000 Menschen auf die Südtribüne. Was macht diesen Ort so besonders?

Vermutlich würde Dortmund im Ausland mit einem Achselzucken wahrgenommen werden, wenn es sie nicht gäbe, verbunden mit der Aussage, dass man diese Stadt nicht näher kennen würde. Stattdessen aber werden die Augen der Menschen meist größer, jedenfalls dann, wenn sie sich mit Fußball beschäftigen, und sie beginnen zu schwärmen von dieser riesigen Tribüne, die sie gerne einmal besuchen würden. Die Südtribüne des BVB.

Einige BVB-Profis kennen den Anblick einer vollen Südtribüne nicht

40 Meter ragt der Stolz der Borussia in die Höhe. Seit dem Ausbau 1998 können sich hier fast 25.000 Menschen aneinanderschmiegen, die beim Blick von außen miteinander verschmelzen. Vom Rasen aus wirkt es, als stünde dort eine riesige Wand mit gelben Farbtupfern. Daher der Name „Gelbe Wand“, der im Verein häufig fällt, gerade wenn Neuzugänge begründen, warum sie sich für den BVB entschieden haben.

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Blöd nur, dass einige aus dem aktuellen Kader dieses Bild noch nie auf dem Platz genießen durften. Jude Bellingham etwa. Oder Donyell Malen. Seit über zwei Jahren durfte Europas größte Stehplatztribüne aufgrund der Corona-Pandemie nicht voll besetzt werden.

Heute füllt sich der Mythos nach 763 Tagen wieder.

An diesem Samstag (18.30 Uhr/Sky) empfangen die Dortmunder RB Leipzig, Zweiter gegen Vierter, über 80.000 Karten sind verkauft. „Alleine der Gedanke daran, dass ich am Samstag in ein gefülltes Stadion eintauchen kann, löst bei mir jetzt schon Gänsehaut aus“, sagt Hans-Joachim Watzke im Gespräch mit dieser Redaktion.

Vor knapp zwei Jahren, die Corona lähmte gerade Deutschland, berichtete der Geschäftsführer, wie er manchmal, „um Kraft zu tanken“, alleine durch das Stadion gehe und vor der leeren Südtribüne stehen bleibe. Damals ruhte der Spielbetrieb, niemand wusste, wie es weitergehen würde. Doch kaum jemand konnte sich vorstellen (trotz der Aussagen von Experten), dass es so lange dauern würde, bis sich wieder alle Fans auf den Stehplätzen drängeln können.

BVB muss einen Verlust von über 120 Millionen Euro verkraften

„In diesen 24 Monaten war es zwischen Klub und Fans sehr schwierig, den Kontakt in dieser engen Form zu halten“, meint Watzke. Ihn habe es daher überrascht, dass schon am Montag alle Karten vergriffen gewesen seien. „Es haben zwar viele etwas anderes behauptet, aber man merkt, dass die Leute noch Lust haben auf Borussia Dortmund, darüber freue ich mich sehr.“ Dies sei ein Vertrauensbeweis, „das weiß ich zu schätzen“. Durch die Emotionen rücke auch der finanzielle Aspekt in den Hintergrund. Der Verein habe durch die vielen Geisterspiele mehr als 120 Millionen Euro verloren, sagt der Geschäftsführer. Nun komme das Geschäftsmodell des Klubs wieder zum Tragen. „Wirtschaftlich ist das eine Erleichterung.“

Times: BVB hat das beste Stadion der Welt

Die Einnahmen durch Kartenverkäufe sind dabei das eine, das andere ist die Strahlkraft, die durch das laut der renommierten britischen Tageszeitung „The Times“ beste Stadion der Welt erzeugt wird. Talente lassen sich aufgrund der Atmosphäre zu einem Wechsel bewegen, Sponsoren werden angelockt. Die Südtribüne macht den BVB zu einem Klub, von dem weltweit geschwärmt wird. Wie groß ihr sportlicher Wert ist, lässt sich hingegen nur schwer einschätzen. Eine volle Südtribüne macht Dortmund nicht zum Meister, die Fans aber können in manchen Situationen das Spiel beeinflussen. Besondere Tore sind vor der Süd schon viele gefallen.

Ebi Smolarek trifft gegen Schalke und klettert auf den Zaun vor der BVB-Südtribüne.
Ebi Smolarek trifft gegen Schalke und klettert auf den Zaun vor der BVB-Südtribüne. © firo

Besondere BVB-Tore vor der Südtribüne: Ewerthon, Smolarek, Lewandowski

2002 schmiss sich der Brasilianer Ewerthon in die Flanke von Dédé und erzielte das 2:1 gegen Bremen, Dortmund wurde Meister.

2007 nutzte Ebi Smolarek seinen rechten Fuß für das 2:0 gegen Schalke, Schwarz-Gelb entriss den Königsblauen die Meisterschaft.

2012 touchierte Robert Lewandowski, damals noch beim BVB, den Ball, um Bayerns Torhüter Manuel Neuer zu überlisten. Dortmund siegte 1:0 und holte später sogar das Double.

Gleichzeitig können die Menschen auf dieser Tribüne schweigen, wenn ihnen die sportliche Darbietung nicht gefällt. Eine bedrohliche Stille baut sich dann auf, die hemmen kann.

Über der Linie! Ewerthon trifft, der BVB ist Meister.
Über der Linie! Ewerthon trifft, der BVB ist Meister. © firo

Und Samstag? Die Atmosphäre werde die Mannschaft emotional mitnehmen, sagt Hans-Joachim Watzke. „Ich glaube, dass die Geräuschkulisse riesig sein wird. Die Freude wird riesig sein.“

So wie im Ausland, wenn man erzählt, dass man schon einmal auf der Südtribüne gestanden hat.