Dortmund. Allein gegen alle können die Sozialdemokraten nicht in Dortmund regieren. Ohne Koalitionspartner gibt's keine Mehrheit im Rat. Doch die SPD manövriert sich zusehends in die Isolation.

Dass es der SPD am Montag mit dem Entschluss Ullrich Sieraus, das Amt des Oberbürgermeisters anzutreten, sowie der Forderung an den alten OB, für vollständige Aufklärung zu sorgen, gelungen wäre, den Vertrauensverlust durch die Haushaltslüge wettzumachen, glauben offenbar nur die Genossen selbst. Dass der alte Koalitionspartner, die Grünen, auch der neue wird, ist fraglicher denn je. Zwar tauschen Genossen und Grüne in dieser Woche „Grundsatzpapiere” aus; es gibt aber noch keinen Fahrplan für weitere Koalitionsverhandlungen.

Dass Sierau seine Wahl zum OB annahm, halten die Grünen „angesichts der Umstände, unter denen Sieraus Wahl zustande gekommen ist, für „problematisch”. „Wir hätten uns gewünscht, dass ein klarer Schnitt gemacht wird und Ulli Sierau, der nach eigener Aussage an einer Irreführung der Wähler nicht beteiligt war, sich Neuwahlen stellt”, hieß es gestern von Kreisvorstand und Fraktion der Grünen. „Mehr als erstaunlich” findet Fraktions-Chef Mario Krüger, dass die SPD alle Schuld auf die Stadtkämmerin Dr. Uthemann ablädt - und nicht auf OB Langemeyer, „der sich nachweislich den begründeten Vorschlägen seiner Kämmerin nach einem Nachtragshaushalt widersetzt hat.” Die aktuellen Vorgänge würden die Verhandlungen über die Fortsetzung von Rot-Grün im Rat „nicht vereinfachen”.

"System Langemeyer wird fortgesetzt"

„Es wäre ein erlösendes Zeichen gewesen, wenn Herr Sierau im Interesse der Bürger gehandelt und sich für Neuwahlen ausgesprochen hätte”, liegen die Stellungnahmen von Grünen und CDU-Vize Uwe Waßmann nicht weiter auseinander. Sierau werde „nie wirklich OB der Dortmunder sein”. Sein Schritt zeige, dass er allein der SPD verpflichtet sei. „Wir können nicht erkennen, welchen Beitrag Herr Sierau zur Aufklärung des Haushaltsskandals in Dortmund leistet. Das System Langemeyer wird fortgesetzt.”

„Die Glaubwürdigkeit der SPD ist endgültig dahin”, hält es Michael Kauch, der FDP-Kreisvorsitzende, für einen „Treppenwitz, wenn ausgerechnet die Partei, die in den letzten Jahren für Affären und Wahlbetrug verantwortlich ist, nun eine neue politische Kultur der Transparenz, der Sachlichkeit und der Glaubwürdigkeit einfordert. Diese SPD will nur eins: die Macht.”

„Statt mit einer Neuwahl für klare Verhältnisse zu sorgen, eiert er tagelang mit seinen Parteifreunden rum, spielt die Mimose und will notfalls auch gerichtlich gegen einen möglichen Ratsentscheid zur Neuwahl vorgehen”, so Thomas Reinbold für die Bürgerliste.

Partei will bis zum Bundesverwaltungsgericht ziehen

Für den Fall, dass sich der Rat nur für die Wiederholung der OB-Wahlen und nicht „konsequenterweise” auch für die Wahlen zu Rat und Bezirksvertretungen ausspricht, kündigte die Freie Bürger Initiative eine eigene Klage an - bis zum Bundesverwaltungsgericht. „Wir hätten für weitere Mandate nur wenige 100 Stimmen mehr benötigt”, so Vorsitzender Detlef Münch.

Wer hofft, anhand der Sitzungsprotokolle des Stadtvorstands nachprüfen zu können, ob Stadtdirektor Sierau tatsächlich nichts wusste vom wachsenden Millionenloch im Haushalt, dürfte enttäuscht werden. Nach WAZ-Informationen versorgte die Kämmerin zwar regelmäßig (immer zu Monatsbeginn) ihre Dezernentenkollegen mit den neuesten Daten zur Finanzlage. Zumindest die offiziell geführten Protokolle sollen aber keinerlei Hinweis auf ihre Vorträge enthalten - geschweige denn konkrete Zahlen.